Sonntagsblatt 3/2018 | Page 30

den Jugoslawienkrieg der 1990er Jahre fragten : „ Es war hier net so schlimm , aber der teitsche Krieg ...“. Sie verbrachte nach dem zweiten Weltbrennen 3 Jahre in verschiedenen Arbeitslagern . In Gakowa auch , wo tausende Deutsche ums Leben kamen . Man könnte noch viel von diesem Gespräch erzählen , aber kein einziger Satz kann das Gefühl wiedergeben , was wir da erlebten .
Die wichtigste Botschaft dieses Besuches für mich war , dass wir weiterarbeiten müssen . Die serbische Batschka ist aus ( volks ) deutscher Sicht verloren , aber in Ungarn gibtˋs noch eine deutsche Zukunft . Wenn wir etwas dafür tun . Es gibt auch bei uns solche Ortschaften , wo es nur eine deutsche Vergangenheit gibt , aber es gibt auch solche , wo wir mit harter Arbeit eine prosperierende Zukunft schaffen können . Ich sage nicht , dass es einfach sein wird , das bedeutet viel Arbeit , es genügt nicht auf unser Glück zu warten . Es soll vor unseren Augen schweben , dass wir es nicht wollen , dass in 50-100 Jahren , wenn jemand eines unserer Dörfer besucht , mit einem so traurigen Gefühl heimfahren müsste , wie ich am Freitag Tscheb verlassen musste . Das Ungarndeutschtum soll kein Memento vergangener Zeiten sein , sondern das Beispiel für harte Arbeit . Ein Beispiel dafür , dass es immer , auch wenn man einen Tiefpunkt erreicht hat , einen Rückweg gibt .
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Leserbriefe
Kirche und Sprache - Klerus und Volk - Die Verstrickung des ungarischen Klerus in der Minderheitenpolitik
Leserbrief von Johann Till
Im Sonntagsblatt Nr . 2 / 2018 befasst sich Georg Krix unter der Überschrift „ Muttersprache und Kirche “ mit den Klagen von Ungarndeutschen der Graner ( Esztergomer ) Diözese wegen des Verbots des deutschsprachigen Kirchengesangs durch die kirchliche Obrigkeit in den 1950 / 60er Jahren . Auf eine diesbezügliche , in der Neuen Zeitung erschienene Notiz im Jahre 1958 reagierte das Ungarische Kirchenamt - wie Krix berichtet - umgehend mit der fadenscheinigen Behauptung , in Ungarn seien die Minderheitenrechte auch auf religiösem Gebiet gesichert . Die Neue Zeitung fügte dieser Gegenrede des Kirchenamtes linientreu wie immer die Folgerung hinzu , „ jetzt können wir sagen , man darf in der Kirche deutsch singen “. Soweit der Bericht des Zeitzeugen Georg Krix .
Da ich in jener Zeit - in den 1950 / 60er Jahren - als Schüler und Student sowohl in meiner schwäbischen Dorfgemeinde in der Branau wie auch im städtischen Milieu den Kontakt zur jeweiligen Kirchengemeinde meines Aufenthalts immer beibehielt ( lange Zeit auch als Ministrant ), habe ich mehrfach ganz nah mitbekommen , wie sich der kirchenamtliche und staatspolitische Druck auf den umgangs- und liturgiesprachlichen Gebrauch der deutschen Sprache mehr und mehr – bis zur vollständigen Aufgabe - wandelte .
Anfang der 1950er Jahre erteilte unser Pfarrer Franz Kaufmann in meiner Heimatgemeinde den Religionsunterricht in der Schule noch deutsch . Auch die Unterhaltung zwischen uns Kindern und dem Pfarrer verlief meistens in unserer gemeinsamen Muttersprache . Wir waren alle schwäbischer Muttersprache , wie unser aus Nyomja ( heute Szederkény / Surgetin in der Branau , im Süden des Landes ) stammende junge Pfarrer . Bereits damals ließ Pfarrer Kaufmann immer wieder ( in vorsichtig leiser Stimmlage ) durchblicken , dass er von amtlicher Seite bedrängt werde , in Schule und Kirche die Verwendung der deutschen Sprache zu unterlassen . Als unerschrockener gewitzter Rebell gegen die

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Obrigkeit , wie er war , hatte er seinen Spaß daran , die von oben kommenden sprachlichen Reglementierungen nicht zu befolgen . Seine Augen blitzten hell auf und sein Antlitz strahlte diebische Freude aus , wenn er auf die Nichtbefolgung der angeordneten restriktiven Weisungen der Obrigkeit zu sprechen kam . Zur Obrigkeit gehörten auch die damaligen deutschstämmigen Bischöfe der Diözese Pécs / Fünfkirchen , Virág ( Blum ) und sein Nachfolger Cserháti ( Zepf ). Es dauerte nicht lange , bis die Obrigkeit erkannte , dass man bei dem hartnäckigen Charakter unseres populären Pfarrers anders durchgreifen müsse . Der mit seinen schwäbischen Schäflein deutsch sprechende und unterrichtende Pfarrer wurde kurzerhand aus unserer rein schwäbischen Gemeinde in eine rein madjarische versetzt . Damit hatte es mit dem deutschsprachigen Religionsunterricht in unserer Schule sein Ende . Bald ging es auch in der Kirche bergab . Die deutsche Predigt verstummte . Nur mehr die Kirchenlieder blieben uns in unserer Muttersprache erhalten . Wie kam es so weit ?
Bündnis von Thron und Altar
Über die seit dem ausgehenden 19 . Jahrhundert massiv einsetzende Madjarisierungspolitik aller Folgeregierungen Ungarns ist hinlänglich geforscht und veröffentlicht worden . Bereits Jakob Bleyer hat frühzeitig auf die verhängnisvolle zwangsassimilatorische Rolle des ungarischen Klerus bzw . der Kirchen hingewiesen . Sein zutreffendes Verdikt , die ungarische Kirche sei eine Madjarisierungsanstalt , war klar und deutlich formuliert . Die Madjarisierungmöglichkeiten und Praxis von der Kanzel und dem Altar waren subtilerer Natur als die der rigorosen Staatsgewalt . Dafür waren sie aber tiefgreifender und nachhaltiger . Die vom Dorfgeistlichen von der Kanzel betriebene Assimilation war durch ihre seelisch-emotionale Wirkung tiefgehender und bleibender . So gesehen war der vom Klerus ausgeübte Madjarisierungseinfluss unser größeres Übel . Weil die Geistlichkeit bei unseren Schwaben hoch angesehen war , als oberste geistig-moralische Instanz der Gemeinde galt – „ d ´ r Herr Phrarre hat ´ s doch g ´ sagt “ –, musste doch stimmen , was er sagte , und passen , was er tat . Die Geistlichen waren für uns auf dem Land Leitpersonen , galten oft als Vorbilder , sie gaben die Richtung an , an der sich das Volk orientierte . Und die schwäbischen Pfarrer-Aspiranten madjarisierten ( aus Karrieregrund ) reihenweise ihre deutschen Namen bereits in ihrer Seminaristenzeit und sprachen – als „ Hochwürdige Geistliche Herren “ zurückgekehrt in die schwäbischen Dörfer – mit ihren Landsleuten nur mehr madjarisch . Zur jämmerlichen Lage oder zum gefährdeten Fortbestand unseres Volkes fanden sie in ihren priesterlichen Ausführungen kein Wort . Ausnahmen – wie Pfarrer Franz Kaufmann - bestätigen die Regel .
Unbeschönigtes Fazit :
Der deutschstämmige ungarische Klerus hat uns Ungarndeutsche – sein angestammtes Volk – im Stich gelassen und verraten . Er paktierte lieber mit den madjarischen „ Herren “, die ihm als Gegenleistung ein ebensolches Herrendasein sicherten , wie es im Bündnis von Thron und Altar des hohen Klerus mit dem hohen Adel ( der Aristokratie ) in „ úri Magyarország “ bis 1945 selbstverständlich war und ungeniert vorgelebt wurde . Dieses Bündnis galt als gottgewollte Ordnung und führte dazu , dass die kath . Kirche zum größten Großgrundbesitzer im feudalen Ungarn wurde . Der hohe kath . Klerus in Ungarn hat der Versuchung der Macht und des Pomps nicht widerstanden und ließ sich von der Politik korrumpieren . Unsere eigenen ( deutschstämmigen ) Geistlichen taten es ihm oft gleich . Nur wenige konnten der Verlockung widerstehen , nahmen Spott und Abschätzung auf sich und standen bei allen Widrigkeiten treu zu ihren bedrängten Landsleuten . Sie gilt es für uns um so mehr , in Erinnerung zu behalten .
SoNNTAGSBLATT