fentlichen, wonach der Potsdamer Beschluss die ungarische Re -
gie rung zur Vertreibung der Deutschen nicht verpflichtet. Die
Verantwortung der Großmächte ist eindeutig: Sie ermöglichten
die Vertreibung so, dass sie die kollektive Verurteilung genehmig-
ten, und ihre Stellungnahmen waren stets zweideutig. Natürlich
muss man dahinter das Gewicht der Vergangenheit erkennen
sowie die damalige Entwicklung der Weltpolitik.
Die Initiativrolle der ungarischen Regierung wurde stark vom
Schicksal der Tschechoslowakeimadjaren beeinflusst. Der Satz
Andrásfalvys, wonach „die Januar 1946 begonnene, dann wegsa-
botierte Aussiedlung der Deutschen ins Stocken geriet, und erst
danach fortgesetzt wurde, nachdem Ungarn die Aussiedlung der
Slowakeimadjaren, den Transfer akzeptieren musste, und Vo -
rošilov, der Vertreter der Siegermächte in Ungarn, erneut ein
Ultimat an Gyöngyösi überreicht hat” steht nicht im Einklang mit
der Wahrheit der Vergangenheit.
Zwischen Januar und Juni 1946 wurden cirka 180 000 Ungarn -
deutsche in die amerikanische Zone Deutschlands vertrieben. Die
Vertreibung wurde nicht „wegsabotiert”, sondern wurde von den
Amerikanern gestoppt, und obwohl die ungarische Regierung
deren Fortsetzung vorantrieb, konnten sie aus unterschiedlichen
Gründen (weltpolitische Veränderungen, Überbevölkerung in der
amerikanischen Besatzungszone Deutschlands, Wohnungsnot,
Hungersnot) nicht erreichen, dass die Amerikaner Ja sagen.
• Zeitgeschehen
Deshalb bat die ungarische Regierung im Frühjahr 1947 – als
die Umsiedlung der Madjaren aus dem ehemaligen Oberungarn
begann – die Sowjets darum, dass sie die Ungarndeutschen in die
SBZ vertreiben dürfen. Vorošilov als Vorsitzender des Alliierten
Kontrollkomitees handelte sehr stark nach den Interessen der
Sowjetunion: Auf Bitten von Innenminister László Rajk willigten
sie der Vertreibung von 50 000 Ungarndeutschen in die SBZ
Deutschlands ein. Da die Vertreibung der Ungarndeutschen auf
Grundlage des kollektiven Zur-Rechenschaft-Ziehens erfolgte,
können wir kaum behaupten, dass dies „im Wesentlichen im
Prinzip vornehmlich die im Volksbund tätigen (und die ungarische
Staatlichkeit verneinenden) Führungsfiguren betraf”.
Lasst uns selbst, unserer Geschichte ins Auge schauen, und
wenn wir dabei unseren Fehlern begegnen, dann möge kein selbst-
zerfleischerisches Gewissenbissen über uns Herr werden, sondern
wir mögen im Stande sein, einander um Verzeihung zu bitten und
verzeihen.
Übersetzung aus dem Ungarischen von Richard Guth
Die Verfasser:
Réka Marchut, wissenschaftliche Angestellte (MTA/Ungarische Akademie der
Wissenschaften, Forschungszentrum für Gesellschaftswissenschaften, Institut
für Minderheitenforschung)
Pál Pritz, Privatdozent, Historiker (ELTE, Philosophische Fakultät)
– Zeitgeschichte – Geschichte •
Waren die Amerikaner besser?
Keine US-Vergangenheits -
bewältigung bei Deutschen
Deutsche Weltallianz erinnert an Enemy-Unrechtsakt
Die Tatsache, dass Deutsche nicht kollektiv ein Volk von Tätern sondern auch
Opfer während und am Ende des Zweiten Weltkriegs waren, steht heute wohl
außer Zweifel. Diejenigen, die noch an der alten kollektiven Schuldthese fest-
halten, mögen beharrlich historische Wahrheiten ignorieren, allein ändern kön-
nen sie daran nichts.
Das grausame Schicksal der deutschen Bombenopfer, die Tragö -
die der Gustloff oder die millionenfache Vertreibung von Deut -
schen sind Fakten, an denen es trotz des Meinungsterrors seitens
etablierter Medien nichts zu rütteln gibt. Ein Unrecht wird noch
lange nicht nur deshalb zum Recht, weil ihm ein anderes Unrecht
vorausgegangen ist. Dieser allgemein gültige Rechtsgrundsatz hat
universellen Charakter, was bedeutet, dass man keineswegs eine
ganze Nation davon ausschließen kann, ohne unglaubwürdig zu
werden. Das Völkerrecht gilt für alle, ausnahmslos und ohne Ab -
weichungen.
Die Deutsche Weltallianz (DWA) weist seit Jahren auf ein in
Europa zumeist unbekanntes Unrecht hin, dass im Zweiten Welt -
krieg Deutsche in den USA auf Grundlage des „Enemy Aliens
Act” betroffen hat. Hunderttausende von deutschstämmigen US-
amerikanischen Staatsbürgern wurden wie Staatsfeinde behan-
delt, als solche diskriminiert, verfolgt, bespitzelt und ohne rechtli-
che Grundlage inhaftiert.
Erst kürzlich veröffentlichte ein Betroffener ein schriftliches
Manifest, das auf dieses Unrecht aufmerksam machen soll.
Arthur D. Jacobs, damals erst zwölf Jahre alt, möchte mit seinen
insgesamt zwölf Fragen diese verdrängte Thematik für die ameri-
kanische Geschichtsschreibung wiederbeleben.
1. Weiß man, dass 300 000 ständig in den USA registrierte
Deutsch–Amerikaner wä hrend des Zweiten Weltkriegs mit
einem Federstrich zu „Feindlichen Fremden” erklärt wurden?
2. Weiß man, dass man von diesen „Feindlichen Fremden” – ähn-
lich wie bei Verbrechern – Fingerabdrücke nahm und Polizei -
fotos anfertigte? Es wurde ihnen verboten zu fliegen, ihren
Wohnort zu verlassen, zudem durften sie keine Waffen (Pisto -
len, Gewehre) tragen und keine Kameras besitzen.
3. Weiß man, dass bei vorsichtiger Schätzung rund 30 000
Deutsch–Amerikaner eingesperrt waren und vom FBI und dem
US-Justizministerium inhaftiert wurden?
4. Weiß man, dass diesen Inhaftierten jede anwaltliche Vertei -
digung verweigert wurde und ihre Verfassungsrechte verletzt
wurden?
5. Weiß man, dass während der amerikanischen Besatzungszeit
Tausende von Deutsch–Amerikanern von den Alliierten ins
damals feindliche Deutschland überstellt oder ins besiegte
Deutsch land repatriiert wurden?
6. Weiß man, dass Hunderte – wahrscheinlich sogar mehr als ein-
tausend – von deutsch–amerikanischen Staatsbürgern von US-
Gerichten ausgebürgert wurden?
7. Weiß man, dass die in den USA geborenen Kinder und Säug -
linge durch die Repatriierung und Ausweisung ins feindliche
Deutschland in eine ungewisse Zukunft geschickt und gegen
Kriegsgefangene, Diplomaten und Personen, die hinter den
feindlichen Linien gefangen genommen worden waren, ausge-
tauscht wurden?
8. Weiß man, dass durch solche Aktionen deutsch–amerikanische
Familien zerstört wurden?
9. Weiß man, dass viele nach dem Endes des Krieges mehr als drei
Jahre lang in Haft geblieben sind?
10. Weiß man, dass die Regierung der Vereinigten Staaten von
Amerika bislang kein einziges Gesetz zugunsten der deutsch-
amerikanischen Internierungsopfer erlassen hat?
11. Weiß man, dass deutsch- amerikanische und japanisch–ameri-
(Fortsetzung auf Seite 14)
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