ler, will ich eine mir bekannte Begebenheit aus meiner Heimat anführen. Es war im Kriegsjahr 1943, als einem Großbauern eines Nachts die Fensterscheiben eingeschlagen wurden. Die Täter konnten nicht gefasst werden, aber müssen „ unbedingt” Volks- bündler gewesen sein, war die offizielle Meinung. Leicht möglich. Denn: Einige Wochen vorher hatte dieser reiche Schwabe seinen Taglöhnern nur den halben Lohn ausbezahlt, weil diese während der Arbeit deutsche Lieder gesungen haben, was doch sicherlich zu Lasten einer guten Arbeit gehen musste. So einfach! Gegen Übergriffe auf der einen Seite hat man sich mit Übergriffen von der anderen Seite( manchmal) gewährt. Und wer war nun schuld daran? Immer der Bösewicht Volksbund – natürlich.
Auch in den Werken unseres Schwabenhistorikers Georg Ritter aus Solymár wimmelt es von Untaten des Volksbundes, worüber Augenzeugen berichten. Sie berichten so, wie man es heutzutage erwartet! Auf Hintergründe, Ursachen versucht auch er nicht einzugehen. Die Hauptsache: Man hat einen Sündenbock, der dem Zeitgeist allenthalben entspricht. Dazu werden dann sogar auch „ Geständnisse ehemaliger Bündler” eingeholt.
Nicht unerwähnt will ich meinen Landsmann Stefan Raile( eigent lich Schoblocher!) lassen, der als Vertriebener und gebildeter Journalist in seinen Erzählungen sich hauptsächlich mit seiner alten Heimat( die auch meine ist) befasst. Er bringt viele Beispiele aus dem damaligen Waschkut, die sich dort( oder eben nur in seiner Phantasie) zugetragen haben sollen, jedenfalls Wirklichkeit vortäuschend geschildert werden. Unser Stefan war 1944 eben 6- 7 Jahre alt. Da will er „ auf dem Heimweg aus dem Kindergarten kommend”* gesehen haben, wie Volksbund-Leute das Geschäft des Juden Armin( Blechner Armin, Schwiegersohn des im Dorf wohlbekannten und geschätzten jüdischen Kaufmannes Josef Krauss) plündern. Armin und Familie habe man vorher in die auf der Hauptgasse durchs Dorf getriebene Judenkolonne abgeführt … Ich selber war damals 16 und kann mich so erinnern: Die Familie Krauss-Bechtler wurde( Mai – Juni 1944?) von ungarischen Gendarmen in die Kreisstadt Baja abtransportiert. Wochen da- nach hat die Gemeindeordonnanz das Mobiliar aus Wohnung und Geschäft zu einer Sammelstelle gebracht. Die Volksbündler hatten mit dieser ganzen Sache nichts zu tun! Aber als dann im August eine große Judenkolonne durch den Ort getrieben wurde, an der Spitze ein SS-Offizier hoch zu Ross, beiderseits der Ko- lonne bewaffnete( SS) Bosniaken, da waren es Volksbund-Frauen, die bei dem Offizier erwirkten, dass unser junger jüdischer Lands- mann( einst mein Spielgefährte) Edi Schwartz, den man in der Kolonne erkannte, für zwei Stunden „ nach Hause” entlassen wurde( wofür die Volksbund-Frauen als mögliche „ Geisel” haften mussten). Die Kolonne durfte inzwischen am Straßenrand rasten und Edi wurde – nachdem er gebadet, frisch angezogen und gut verköstigt und beschenkt worden war – wieder( leider) der Truppe zugeführt.
Ja, so war es damals. Das ist( auch) Geschichte, die unsere jüngeren Generationen nicht kennen bzw. wenn doch, falsch serviert bekommen und das sie dann glauben sollen / müssen.
Merkwürdig ist immerhin, dass niemand es aussprechen wagt, was bestimmt viele sich denken.
* … er( Raile) setzt sich auch mit den Reaktionen der Dorfgemeinschaft auseinander, als die Scharfmacher und Hetzer aus den Reihen der Volksbündler das Dorf spalten. So kommt er einige Male auf die Geschichte des jüdischen Ladenbesitzers Armin zu sprechen, ein freundlicher Mann, der ihm immer wieder eine Süßigkeit zusteckte: „ Leute, die ich gut kenne und für redlich gehalten habe, plündern Armins Eckladen, kaum dass er mit Frau und Sohn von ungarischen Gendarmen zur langen Kolonne auf der Großgasse geführt worden ist ….”( der NZ entnommen)
Ein Schlag ins Wasser
Merkwürdig, wie unser ungarndeutsches Wochenblatt, die Neue Zeitung, sich im Leitartikel ihrer Nummer vom 13. März 2015, betitelt mit Selbstverwaltung, Föderalismus, Sachkenntnis, über die Geschichte unserer jüngsten Vergangenheit äußert. Schade, dass der Autor des Artikels nicht genannt ist, – jedenfalls muss er sehr vergesslich sein oder aber noch nicht dazugekommen sein die Geschehnisse in der Volksgruppe von gut vor zwanzig Jahren zu studieren oder auswerten zu können. Im Artikel wird nämlich behauptet: 1) „… begann die Arbeit der am 11. März 1995 gewählten 53-köpfigen Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen. Das » Parlament der Ungarndeutschen « verfügte … über eine demokratische Legitima- tion und …”
Wie ist es mit dieser Legitimation? Kommt sie vom „ deutschen Volk in Ungarn”? Nein, – dieses ungarndeutsche Parlament wurde vom ungarischen Volk, d. h. von allen zugelassenen Wählern des Landes, egal welcher Nationalität zugehörig, gewählt. Somit kann sie wohl für den ungarischen Staat und eben auch der ungarischen Nation legitim sein. Aber für uns Ungarndeutsche? Inzwischen wurde öfter und viel an den Wahlregeln geändert( dank dem Drauf gängertum des früheren Minderheiten-Ombudsmannes, Jenô Kaltenbach), doch die Gefühlswelt des Ausgangspunktes( Legitimation von 1995) hat sich vererbt, dieses „ Fundament” ist im Handeln des „ Volksgruppen-Parlaments” bis heute dominant und fühlbar.
Wir haben heute ein ungarndeutsches Volksgruppen-Parlament( genannt Landesselbstverwaltung), ganz nach sozialistisch – volksdemokratischem Muster, in welchem es keine Opposition gibt und somit stets „ einstimmig” abgestimmt werden kann. 2) „… aber die LdU ging beharrlich – auch Rückschläge hinnehmend – den Weg des allmählichen Ausbaus der kulturellen Autonomie …”
Nun ja, „ Gut Ding braucht Weile” sagt das Sprichwort, deshalb sind auch die vergangenen 20 Jahre zu wenig gewesen um einen nennenswerten Fortschritt im Ausbau der kulturellen Autonomie zu erreichen. Das vielgepriesene Programm „ Wurzeln und Flü- gel” kommt seit Jahren nicht zur richtigen Entfaltung, – die Wur- zeln scheinen faul und die Flügel lahm zu sein. Die erwähnten Eckpfeiler haben auch keinen festen Stand. 3) Vor zwanzig Jahren ist die „ Verbandsära” zu Ende gegangen … hat er( der Verband) versucht, die Möglichkeiten im Einparteienstaat auszunutzen und die Pflege von Sprache und Kultur zu fördern. Die demokratische Wende hat aber die Verbandsführung verschlafen und die Entstehung einer echten ungarndeutschen Zivilsphäre zu verhindern versucht. Nur folgerichtig, dass er am 10 März 1995 aufgelöst wurde.
Ja, der Verband der deutschen Werktätigen in Ungarn, zuletzt nur mehr Verband der Deutschen in Ungarn( damals war der Begriff Ungarndeutsche noch nicht geläufig) hat Jahrzehnte hindurch unter schwersten Bedingungen im „ himmlischen Sozialis- mus” für ein Wiederbeleben und Überleben des ungarländischen Deutschtums gekämpft. Gekämpft? – ist bestimmt übertrieben, – jedenfalls dafür gearbeitet. Kämpfen war ja unmöglich, doch ermuntern, versuchen, durchhalten brachte immerhin auch einige Erfolge. Immerhin so viel, dass die Volksgruppe aufatmen konnte. Und in der Wendezeit, in den letzten 10 Jahren seines Beste- hens hat der Verband bereits kämpferische Töne angeschlagen, Ziele und Aufgaben vorgegeben und zuletzt auch schon konkrete Wünsche / Bedingungen an „ Partei und Regierung”( wie es damals üblich war) eingereicht. Der Verband hat die Wende also nicht verschlafen! Zwistigkeiten innerhalb des Verbands haben jedoch die Arbeit gelähmt. Der Verband war an der Schaffung einer wirklichen Zivilsphäre interessiert – die wollte er bestimmt nicht ver-
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