Sonntagsblatt 2/2020 | Page 24

beträgt aktuell 4400 Exemplare und die Zeitung wird sowohl an Kiosken und anderen Verkaufsstellen in verschiedenen Städten angeboten sowie über ein Abo. Da wir in der Redaktion nicht nur die Zeitung, sondern auch die Fernsehsendung und die Radiosendungen machen, ist der Alltag oft stressig, da manchmal ein Thema „jetzt sofort” auf allen Kanälen bespielt werden muss. Aber irgendwie schaffen wir es jede Woche die Zeitung rechtzeitig in den Druck zu bekommen und unsere TV- und Radiosendungen an die Sender zu schicken. Dr. Rudolf Urban SB: Wie Sie bereits angesprochen haben: Online nimmt einen immer größeren Platz im Leben der Menschen ein – welche Auswirkungen hat das auf das Wochenblatt? WB: Ja, online ist ein sehr wichtiger Teil unserer Arbeit, denn wir finden vor allem dort unsere neuen Leser. Diese können wir aber nicht damit erreichen, dass wir einfach unsere Artikel auf die Internetseite stellen, deshalb gibt es dazu immer häufiger Audiobeiträge, kurze Filme oder Videointerviews. Wir versuchen uns auch an Live-Sendungen, auch wenn wir da noch etwas üben müssen. Es ist halt eine andere Art zu arbeiten, aber auch die macht unheimlich Spaß, weil man da auch immer wieder etwas Neues ausprobieren kann. SB: Unsere Zeitung beschäftigt sich des Öfteren mit den deutschen Minderheiten außerhalb Ungarns – wie sieht die sprachliche, demografische, kulturelle und politische Situation der deutschen Minderheit in Polen aus? Mit welchen Herausforderungen wird diese konfrontiert? WB: Die deutsche Minderheit wohnt vor allem in Schlesien, genauer in Oberschlesien. Im sog. Norden, also den Regionen Ermland-Masuren, Pommern, Westpommern, Großpolen und Lodsch gibt es zwar auch kleinere oder größere Gemeinschaften, die sich zu Vereinen und Verbänden zusammengetan haben, sie leben aber in einer wirklichen Diaspora. Wenn man nur die Angaben der Volkszählung von 2011 nimmt, gibt es in Polen ca. 140.000 Deutsche, zehn Jahre früher waren es knapp 150.000, was bedeutet, dass die Minderheit zwar schrumpft, aber nicht in einem drastischen Tempo, wie es einige erwarten würden. Von diesen Mitgliedern sind aber nicht alle deutschsprachig, auch 30 Jahre nach der politischen Wende, was einer der Schwachpunkte der deutschen Minderheit ist. Dies ist aber damit zu erklären, dass gerade die sog. mittlere Generation, also Personen, die um das Kriegsende herum geboren wurden, in einem antideutsch gesinnten Polen aufgewachsen sind und deren Eltern oft aus Angst vor Repressalien Deutsch nur untereinander gesprochen haben, die Sprache aber an die Kinder nicht weitergaben. So entstand eine große Lücke, die bis heute andauert. Die Urgroßeltern sprachen Deutsch, deren Kinder können meist diese Sprache nicht mehr, weil sie eben zu der o.g. Generation gehören und erst die Enkel und heute Urenkel lernen Deutsch in der Schule. In immer mehr Familien entscheidet man sich bewusst für die zweisprachige Erziehung, was zeigt, dass die Sprache vielleicht nicht flächendeckend gesprochen wird, aber wenn ja, dann sehr 24 bewusst als lebendige Sprache, die zu der Region und den Menschen dazugehört. Politisch ist die deutsche Minderheit sehr aktiv, auch wenn da vor allem die Oppelner Region, in deren Hauptstadt unsere Redaktion ist, federführend agiert. Hier nämlich regiert die Minderheit im Lokalparlament mit, stellt drei Landräte und regiert in zwei weiteren Kreisen mit, auch etwa 25 Bürgermeister unterschiedlich großer Dorfgemeinden kommen aus der Minderheit und folglich auch gibt es viele Gemeinderäte. Eine so aktive politische Tätigkeit der Minderheit gibt es in anderen Regionen nicht. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass der einzige Parlamentsabgeordnete der deutschen Minderheit aus der Oppelner Region heraus gewählt wird. Nur hier hat die Minderheit noch so viele Wähler, dass sie es immer wieder schafft, zumindest diesen einen Vertreter in den Sejm zu schicken. Eine Herausforderung bleibt für die Minderheit vor allem die Jugendarbeit, damit auch Nachfolger da sind, wenn die heutigen Aktiven einmal in den Ruhestand gehen. In den letzten Jahren wurde aber auch die Zusammenarbeit mit der polnischen Regierung zu einer Herausforderung, denn einige Entscheidungen, die von der regierenden PiS-Partei getroffen wurden, zielen vor allem auf Vertreter anderer Nationen ab. So darf ein polnischer Richter, der auch einen deutschen Pass besitzt, nicht mehr am Gericht arbeiten. Vor zwei Jahren wollte man, dass Landräte Informationen über führende Vertreter von offiziellen und inoffiziellen Gruppierungen der Minderheiten an das Verteidigungsministerium weitergegeben, und nicht zuletzt kämpft die deutsche Minderheit dagegen an, dass der Deutschunterricht an öffentlichen Grundschulen in den letzten beiden Klassen verringert wird. Das ist nur ein kurzer Einblick, denn eigentlich könnte man ja über die Lage der Deutschen in Polen noch viel länger und ausführlicher sprechen. SB: Sie haben in Coronazeiten stets über deutschsprachige Heilige Messen, im Internet übertragen, informiert – Polen gilt immer noch als eines der „katholischsten” Länder Europas – wie ist es dabei um die deutschsprachige Seelsorge bestellt (ich habe ein-zwei Messen verfolgt, man sah, wie auch in Ungarn oft, nicht rein deutschsprachige Gottesdienste)? WB: Es ist richtig, dass die meisten Mitglieder der deutschen Minderheit zur katholischen Kirche gehören, aber wir haben auch evangelische Christen unter uns, die vor allem von der evangelischen deutschsprachigen Gemeinde in Breslau betreut werden. Wenn es um die katholische deutschsprachige Seelsorge geht, ist offiziell alles in Ordnung. In den schlesischen Bistümern gibt es Minderheitenseelsorger, das Bistum Oppeln hat sogar in seinen Synodaldokumenten die Minderheitenseelsorge detailliert charakterisiert und Vorgaben gemacht, wie diese funktionieren soll. Praktisch sieht es aber von Pfarrgemeinde zu Pfarrgemeinde anders aus und hängt von der persönlichen Einstellung des Pfarrers, der Mehrheitsbevölkerung sowie von der Aktivität der Minderheit in diesem Bereich selbst ab. Es gibt nun im Bistum Oppeln ca. 50 Pfarrgemeinden, in denen regelmäßig (jede Woche, jede zweite Woche oder einmal im Monat) deutschsprachige Gottesdienste stattfinden, in Gleiwitz und Kattowitz sowie Breslau und „im Norden“ sind es dagegen nur einzelne Pfarrgemeinden. In der überwiegenden Mehrheit hat man sich bereits in den 90er Jahren darauf geeinigt, dass die Gottesdienste zweisprachig stattfinden, damit jeder aktiv daran teilnehmen kann. Diese Zweisprachigkeit in unterschiedlicher Ausführung ist bis heute geblieben. SB: Wie ist das Verhältnis der deutschen Minderheit zum Mutterland Deutschland? Welche Rolle spielt die Bundesrepublik als Wirtschaftsmacht/-partner? WB: Kritiker der deutschen Minderheit meinen, Deutschland wäre für uns nur Geldgeber, was natürlich nicht stimmt. Es ist für die Ältesten eine Art Vaterland, das sie nach 1945 verloren ha- SoNNTAGSBLATT