Sonntagsblatt 2/2019 | Page 8

mals festgelegten Standbeine der Gruppe aufgebaut: Volkstanz, gemeinsam mit authentischen ungarndeutschen Volksliedern und Musikstücken vorgetragen, ein Mundartstück in Werischwa- rer Mundart und die Trachtenschau, die einen Überblick über die Werischwarer Tracht bot. Wie es auch die bunten Programm- punkte zeigen, repräsentiert der Verein eine Gesamtheit der Kul- tur der Werischwarer Deutschen. Die klare Intention ist nicht nur das Bewahren, sondern das Erleben dieser Kultur und das der ungarndeutschen Identität in der heutigen Zeit und zwar zu allen Jahreszeiten. Im Alltag der Mitglieder ist dieses Vorhaben natür- lich nur begrenzt umsetzbar, nicht so wie zu bestimmten Jahres- zeiten oder an religiösen Feiertagen. Ein Programm des Werischwarer Heimatwerks Bei diesen Aktivitäten - und leider nicht nur bei den Deutschen in Ungarn - ist eine der größten Herausforderungen der Gebrauch der deutschen Sprache. Obwohl viele Sprachkenntnisse - gege- benenfalls auch im Dialekt - in der Familie erworben haben, gibt es keine Muttersprachler in der Gruppe. Infolgedessen ist es kein Wunder, dass sich die Mitglieder untereinander - abgesehen von wenigen Ausnahmen - auf Ungarisch unterhalten. Dennoch gibt sich der Verein viel Mühe um die Sprache den Mitgliedern näherzubringen wie zum Beispiel die Regie von kleinen Thea- terstücken in der Mundart oder ganz konkret das Einstudieren und die Verwendung von Wörtern im örtlichen Dialekt. In diesen fünf Jahren war die Entwicklung in dieser Hinsicht bemerkens- wert, was in der Zukunft durch die vielversprechende Einstellung und Ansprechbarkeit der Kinder der jüngsten Altersgruppe des Vereins - die überwiegend die deutschsprachigen Klassen der Nationalitätengrundschule in Werischwar besuchen - noch ganz bestimmt gesteigert wird. Neben der Pflege der Traditionen und der Kultur unternimmt die Gruppe zumindest genauso viel Anstrengungen bei der Bildung einer Gemeinschaft mit bodenständigen Werten, die heutzutage in der Gesellschaft alles andere als selbstverständlich betrachtet werden kann. Durch die vielen Treffen, Proben, Auftritte und ge- meinsamen Freizeitaktivitäten hat sich im Rahmen des Vereins eine zusammenhaltende Gemeinschaft und eine Atmosphäre etabliert, in der Kinder und Jugendliche ihre Zeit konstruktiv und vernünftig verbringen können. Den Fakt, dass die Tätigkeit des Heimatwerkes auch auf diesem Feld bereits seinen Fußabdruck hinterlassen hat, belegt nichts anderes besser als die seit der Gründung von 15 auf 75 angestiegene Mitgliederanzahl. Wenn wir die Zahlen näher betrachten, sind zwei Drittel der Mitglieder unter 18 und sogar alle unter 30 - ein unwiderlegbarer Indikator dafür, dass hier viel Wert auf den Nachwuchs und seine För- derung gelegt wird. Denn was wäre wichtiger als Nachwuchs- förderung? Das Werischwarer Heimatwerk befindet sich am Anfang seiner Laufbahn, aber der Weg ist klar definiert: Förderung der Kultur und der Identität durch den Aufbau einer zusammenhaltenden Gemeinschaft. Ich wünsche meinem Verein viel Erfolg in der Hoffnung auf eine nachhaltige ungarndeutsche Zukunft. 8 „Wir werden nicht aufgeben“ Erstkommunion in deutscher Volkstracht – im Gespräch mit Initiatorin Ibolya Englender-Hock Von Richard Guth Mitte Mai ging ein Beitrag der ehemaligen GJU-Vorsitzenden Tekla Matoricz durch die lokale und die ungarndeutsche Presse- landschaft: Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg haben Erstkommunionkinder in Fünfkirchen in schwäbischer Volkstracht ihre Aufnahme in die Kirche gefeiert. Die Mädchen sind allesamt Schülerinnen der Valeria-Koch-Grundschule in Fünfkirchen. Wir haben mit der Initiatorin des besonderen Projekts, Ibolya Eng- lender-Hock, Schulleiterin des Valeria-Koch-Schulzentrums und neugewählte Vorsitzende der Landesselbstverwaltung der Un- garndeutschen, gesprochen. „An der Feier und deren Vorbereitung war der ganze vierte Jahr- gang beteiligt, auch Schülerinnen der einsprachigen Klasse. Ich habe die Eltern angesprochen und wer wollte, konnte sich an dem Vorhaben beteiligen. Um ehrlich zu sein, habe ich es et- was gesteuert, damit es nicht zu viele sind, weil wir es mit der Arbeit nicht geschafft hätten. Diese 11 Mädchen waren so ziem- lich unsere Grenze, wir selber konnten nämlich den Umfang des Ganzen gar nicht ermessen. Beim Weitermachen in den kom- menden Jahren müssen wir das „Team“ erweitern, anderswie geht es nicht“, erklärt die Initiatorin, die sich bei ihrer Arbeit auf die Unterstützung von „Experten“ stützen konnte: „Jetzt haben wir noch jene Großmütter, Großtanten, vielleicht Urgroßmütter unter uns, die vom Nähen, Waschen, Stärken manches verste- hen, außerdem sind alte Kleidungsstücke aufzufinden, die als Muster dienen können. So haben bei dem Vorhaben uns meine Schwiegermutter - jedoch nur durch Ratschläge, weil sie leider nicht mehr gut sieht und ihr Handgeschick ist auch nicht mehr das Alte -, Anna Engländer, meine Schwägerin, Klara Gerner, eine Näherin in Fünfkirchen, Nóra Farkas, und Theresia Krebs aus Boschok, die die Halstücher angefertigt hat, geholfen“. Da- bei war es nach Angaben der Schulleiterin nicht einfach, an die Kleider heranzukommen: „Trachtstücke von früher für Kinder kann man keine mehr auffinden, da sie weiterverarbeitet worden sind, so mussten wir sie nachmachen. Alles, was die Schülerin- nen anhatten, ist neu und kann - beziehungsweise soll - in den kommenden Jahren immer wieder verwendet werden. Es war ein Riesenvorhaben und eine fast übermenschliche Arbeit - 36 Unterröcke waschen, stärken, bügeln, feuchten, in Falten legen, Schürzen nähen, ebenfalls in Falten legen usw. -, das größte Problem waren die Kränze, weil bei denen das Besorgen des Grundmaterials schon fast unmöglich ist.“ Auch pädagogische Ziele insbesondere sprachlicher Natur spiel- ten eine Rolle: „Während wir die Mädchen angekleidet haben, haben sie die Benennungen der einzelnen Kleidungsstücke er- lernt, wir haben sie im Chor gesprochen (ihr Lieblingswort war „Schmiesel“), unsere Sprache sonst war gemischt, wenn die Eltern Anweisungen erhielten, ging es auf Ungarisch, wenn die Kinder, dann auf Deutsch. Was mich wirklich gefreut hat, dass die Schülerinnen auch auf Deutsch reagieren, es ist für sie mittler- weile selbstverständlich.“ Die Erstkommunionfeier steht in einem größeren Kontext und ist nach Auffassung der Schulleiterin inte- graler Bestandteil der Erziehung der ungarndeutschen Kinder: „Solche Anlässe sind die besten Gelegenheiten zur Identitätsbil- dung und Spracherziehung gleichzeitig, weil alles erlebt werden kann, die emotionale und kognitive Bindung ist viel stärker. Sie konnten sie auch erfahren, dass wir mit meiner Schwiegermutter und Schwägerin Mundart sprechen, also es ist nicht etwas, was sie nur im Unterricht hören. Unter den Kindern waren manche, bei denen in der Familie die Traditionen noch leben, aber eher nur in Spuren. Gerade die Erstkommunion ist ein Ereignis, das ohne „äußere“ Hilfe, wie jetzt durch die Schule, nicht mehr ge- SoNNTAGSBLATT