Sonntagsblatt 2/2017 | Page 14

tanz-Feiern u . a . – die wohl unterhaltsam sein können , jedoch be - stimmt nicht zur so laut verkündeten Identitätsstärkung beitragen .
Und dann haben wir noch ein sehr wichtiges Thema , dem man viel Aufmerksamkeit widmet und das auch der Weg zu einem Aufblühen der Volksgruppe sein könnte . Ja , könnte ! Von Kindergarten und Schule ist die Rede . Erfreulicherweise haben schon mehrere deutsche Selbstverwaltungen die Trägerschaft solcher Institutionen übernommen und es besteht die Hoffnung , dass noch viele folgen werden . Was erwarten wir uns davon ? Es müsste nun dadurch möglich werden , dass viele Schwabenkinder die „ deutsche Muttersprache ” gut erlernen , in dieser sich fortbilden , – was die Grundlage einer zukünftigen ungarndeutschen Intelligenz sein sollte . Schön wäre es ! Doch ich befürchte , dass dies nur ein Wunschtraum ist und unter den bestehenden Umständen auch unmöglich zu einem Erfolg führen wird . Warum ? Um eine ( un - garn ) deutsche Zukunft zu erziehen genügen nicht allein Sprach - kenntnisse , eigentlich ist die Erziehung ausschlaggebend . Und wie sieht es damit aus ? Die Pädagogen / Erzieher in diesen nun schon „ ungarndeutschen Kindergärten und Schulen ” sind überwiegend nicht deutscher Abstammung . Und die ( wenigen ), die es doch sind , haben selber keine deutsche Erziehung auf den Lebensweg bekommen und haben oft – leider – auch wenig Interesse für das Ungarndeutschtum . Abgesehen von einigen rühmlichen Ausnah - men wird weiterhin hauptsächlich in ungarischer Sprache und in gut madjarischem Geiste unterrichtet werden . Im Lehrkörper wird ( wie auch bisher üblich ) – beinah selbstverständlich – die Kon - versation ungarisch erfolgen . Da die Kinder / Schüler nur zum Teil Deutsche oder deutscher Abstammung sind , werden auch diese untereinander ungarisch reden . Mir ist z . B . auch unverständlich , dass in seit Jahren bestehenden „ deutschen ” Gymnasien Behelfs - material , Wandtafeln , Informations-Anschläge im Flur NUR un - garisch vorkommen .
Es müsste also viel geändert werden um die Wurzeln finden und die Flügel stärken zu können . Um jedoch eine Änderung herbeizuführen , müsste man vor allem die gegenwärtige Lage wirklich erkennen und einschätzen und eine den Gegebenheiten entsprechende Strategie zum Aufbau der Volksgruppe vorlegen . Die jetzige lauthals angelegte Strategie der LdU ist ein Zu kunfts - traum , eigentlich ein Wunschtraum , oder richtiger : ein Alb - traum .
Merkwürdig , dass unsere Zuständigen , die gewählten Ver - tre ter der Volksgruppe , diese Unstimmigkeiten nicht merken ( wollen )!
So ist nun einmal die gegenwärtige Lage des Ungarn deutschtums . Aber muss / müsste sie so sein ? Nein ! Sie könnte ganz anders , viel besser sein . Schließlich liegt viel an uns selber , doch – leider – fehlt es an einem ernsten Wollen zur Änderung !
Georg Krix

❖ Ungarndeutsche Studenten - schaft ohne Mäzen

Von Patrik Schwarcz-Kiefer
Student zu sein kann oft eine schwierige , herausfordernde Aufgabe sein . Den Wissensdurst zu löschen , die letzten Tage der Jugendzeit auszunutzen und sich auf das Leben vorzubereiten ist nicht leicht . Nach der ruhigen Gymnasialzeit kommt das großgeschriebene Leben und plötzlich wird alles schwieriger .
Ungarndeutscher Student zu sein ist eine noch schwierigere Aufgabe , denn man wird neben den Herausforderungen als Uni - versitätsangehöriger noch mit einer weiteren konfrontiert : nämlich mit der Frage , wie man seine Identität an der Universität bewahren kann ?! Man sieht viele Beispiele für Identitätskrisen : „ Ich bin jetzt » sváb « ( Schwabe ), an der Uni aber ein Student ”. Die Frage ist berechtigt : Wie kann so was passieren ? Die Antwort ist einfach : Die ungarndeutsche Führung kümmert sich um ihre Studenten nicht ( ODER : hat die Studenten vergessen ).
Um die jedenfalls nicht , die sich ihre Zukunft nicht im Rahmen des „ Nationalitätenschulsystem ” vorstellen . Nehmen wir das Beispiel eines ungarndeutschen Chemie-Studenten namens Andreas . Bis zum Ende der Mittelschule hatte er die Gelegenheit Nationalitätenschulen zu besuchen , dort als Ungarndeutscher zu existieren . Er konnte an den Veranstaltungen der Gemeinschaft Junger Ungarndeutscher ( GJU ) teilnehmen , zu Hause jeden Tag sein Ungarndeutschtum erleben . Nach der erfolgreichen Immatri - kulation wird er aber in einer großen / größeren Stadt leben und die bisherigen Kontakte brechen weg . Es gibt keine solche Organisationen , keine derartige Gemeinschaften , der man sich anschließen könnte ( die Situation in Budapest ist etwas anders , da der Verein Deutscher Hochschüler ( VDH ) versucht diesen Raum auszufüllen ). Was für Möglichkeiten hat Andreas , in seinem studentischen Milieu seine Identität zu leben ? Kaum welche . Er kann an den Veranstaltungen der GJU , die immer weniger zu seinem Leben passen , an den Schwabenbällen seines Herkunftsortes teilnehmen . Diese haben aber gar nichts mit der Uni zu tun . Seine potenziellen neuen Freunde an der Universität werden diese Veranstaltungen nicht hoch bewerten , also wenn er neue Kontakte ausbauen will , wird er an den genannten Veranstaltungen immer seltener teilnehmen .
Ohne Zweifel können wir über eine von Assimilation gefährdete Gruppe sprechen . Das ist keine Neuigkeit , das war Bleyer auch klar . Man muss in eine so gefährdete Gruppe mehr Zeit , Energie und Geld investieren , um sie für das Ungarndeutschtum zu erhalten . Das macht aber niemand . So kann es passieren , dass unser Student für sich selbst eine neue Identität schafft , wo das Un - garndeutschtum keinen Platz hat . Es gibt keinen solchen Antrieb , dessen Ziel die Bewahrung der deutschen Identität ist , bis auf den Valeria-Koch-Preis . Hier ist die Erwartung ein ungarndeutschorientiertes Thema . Als Chemie-Student ist Andreas dadurch außen vor .
Seien wir optimistisch und stellen uns vor , dass unser Student unabhängig von den oben Erwähnten seine Identität bewahrt , an den Programmen der GJU weiterhin teilnimmt und die gute Be - zie hung zu seinen Freuden mit deutschem Hintergrund weiter pflegt . Dann kommt eine neue Herausforderung , nämlich die Frage des Geldes . Diejenigen , die sich auf dem Weg zur materiellen Unabhängigkeit befinden , die also die Möglichkeit suchen weniger von den Eltern abzuhängen , oder die Eltern sind in einer solchen ökonomischen Situation , die eine weitere Unterstützung nicht ermöglicht . Wahrscheinlich wird er eine Arbeit suchen , und neben der Arbeit und dem Studium wird er keine Zeit für das Ungarndeutschtum haben . Damit wird er für unsere Minderheit verloren gehen .
Die jüdische Gemeinschaft Ungarns kennt dieses Problem , deswegen hat die Jugendorganisation „ Atid ” ( die Jugendorganisation der Vereinten Ungarischen Israelitischen Glaubensgemeinschaft , Egyesült Magyar Izraelita Hitközség , EMIH ) ein Stipendienpro - gramm für die Studenten jüdischer Abstammung zwischen 18 – 26 Jahren gestartet . „ Wir möchten , dass du neben deinen Alltags sor - gen auch Zeit für die Tora hast …” – ein solcher Satz bei den Un - garn deutschen ist leider unvorstellbar .
„ Als ich in diesem Alter war , habe ich für mich alles organisiert und habe nie daran gedacht , dass ich Geld bekomme soll ”, solche und ähnliche Äußerungen kann man von älteren Ungarndeut - schen hören , wenn es um die Notwendigkeit der Unterstützung ungarndeutscher Studenten geht . Diese Denkweise kann man für
14 SONNTAGSBLATT