Sonntagsblatt 2/2016 | Page 7

schule und keine deutsche Lehrerbildungsanstalt gebe. Ob er sich damals noch daran erinnerte, dass er selbst solche Schulen an - fangs abgelehnt hatte? Der tragische Kampf Bleyers um die gesetzlich verbrieften Rechte der Ungarndeutschen geht aus den Zeugnissen hervor, die ich in meiner »Geschichte der Ungarndeutschen in Dokumenten 1930–1950« (Schorndorf 1959) veröffentlichte. Die Madjaren waren nicht bereit, der deutschen Volksgruppe jene minimalsten Rechte zuzubilligen, die ihren Fortbestand gesichert hätten. Betrübt stellte Bleyer in einem Brief an Gustav Gratz 1932 fest: »Der von mir seit 15 Jahren befolgte Weg hat sich als eine Sack gasse erwiesen.« Es bestünden nur noch zwei Wege für die Volksgruppe: entweder sich den ungarischen Assimilationsbestre bungen zu fügen oder ans große Deutschtum zu appellieren; von Bedeutung könne bloß eine Diskussion zwischen Berlin und Budapest sein. Nach der großen Enttäuschung mit dem Madja rentum musste er auch eine gewaltige Enttäuschung durch die Reichsregierung erle- ben, als diese ihm am 11. August 1933, also kurz nach dem Besuch des Ministerpräsidenten Gömbös bei Hitler, über die Deutsche Gesandtschaft in Budapest mitteilen ließ, sie sei zur Zeit nicht in der Lage, irgendeinen Druck auf die ungarische Regierung auszu- üben; deshalb sei es unerwünscht, dass das ungarländische Deutschtum in schroffen Gegensatz zur Regierung des Landes und dessen öffentlicher Meinung gerate; Bleyer möge es sich bei seiner weiteren Tätigkeit vor Augen halten. Diese Mitteilung muss für ihn niederschmetternd gewesen sein und trug sicherlich dazu bei, dass seine Kräfte nun schnell versieg- ten. Der Tod, der ihn am 5. Dezember 1933 hinraffte, ersparte ihm zu erleben, wie die Reichsregierung vor den entschiedenen Forderungen Budapests bis 1938 schrittweise zurückwich, wie seine Schöpfung, der Volksbildungsverein, in die Hand der Regie - rung geriet und zum Werkzeug »schmerzloser Madjarisierung« gemacht wurde und wie schließlich das historische Madjarentum, nämlich die »rassenreinste« Kleinlandwirtepartei und die Nationale Bauernpartei unter Assistenz der Kommunisten, zahl- reiche ungarländische Deutsche nach dem zweiten Weltkrieg ver- trieb. Auf politischem Gebiet konnte Bleyer das Erstrebte nicht errei- chen, denn der madjarische Rassenstaatsgedanke war mächtiger als seine unermüdliche Tatkraft. Seine konstruktiven Vorschläge - ich denke an die Ideen seiner letzten Lebensjahre wären geeignet gewesen, ein friedliches Zusammenleben der Völker des Kar - patenraumes zu sichern, aber es kam alles anders. Er starb auch vor Vollendung seiner wissenschaftlichen Leistung. Seine wich- tigste Erkenntnis war wohl, dass die deutsche Philosophie, Li - teratur- und Geistesforschung »mit ungarischer Zielsetzung« erst durch eine ungarische Geisteswissenschaft, die aus deutschem Boden hervorwächst, vollendet werden kann. In diesem Punkte führte ich sein Vorhaben weiter, wobei es mir nicht so sehr auf die Tatsache der geistigen Beeinflussung, sondern vielmehr auf deren Sinn und Grenzen als Hauptproblem ankam. Mit der Kunstbe - trachtung Bleyers habe ich mich an die Arbeit herangemacht. Er hatte zwar die Berechtigung einer ästhetischen Kritik nicht ge - leugnet, richtete aber in erster Linie seine Forschung auf das his- torisch–politisch Folgenschwere in den Dichtungen, diesen ein- deutigsten Offenbarungen der Volksseele. Er brachte den Schü - lern bei, es gebe im geistigen Leben keine vereinzelten, allein auf sich gestellten Tatsachen, alles hänge mit allem zusammen, der Forscher stoße überall auf Grenzfragen; daher die zahlreichen Gesichtspunkte, die bei der Untersuchung der Hintergründe des Schicksals der Ungarndeutschen zu beachten seien. Meines Erachtens wird Bleyers wissenschaftliches Werk weiter- wirken; seine politischen Ideen aber gehören der Vergangenheit an, denn ohne nationale Selbstverwaltung nicht nur auf kulturel- lem Gebiet und bei Fortdauer der Vorherrschaft irgendeines Volkes kann es zu keinem friedlichen Zusammenleben der Völ - kerschaften im Karpatenraum kommen. An der Suprematie des Madjarentums hat Bleyer selbst 1933 noch festgehalten. Sein heroischer Kampf in den letzten Lebens - jahren erfüllt uns dennoch bis heute mit Bewunderung, zumal er ihn gegen das Madjarentum führen musste, dem er als ungarischer Patriot aus tiefster Seele zugetan war.” O In geordneten Bahnen? LdU verabschiedet neue Kriterienliste, die die Übernahme von Bildungseinrichtungen regeln soll Von Richard Guth November letzten Jahres verabschiedete die Vollversammlung der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen (LdU) eine neue Kriterienliste, die bei der Übernahme von Bildungseinrichtungen durch örtliche Nationalitätenselbstverwaltungen (NSVW) gelten soll, zumal die Übertragung der Trägerschaft laut Gesetz einer Zustimmung seitens der LdU bedarf. Demnach stimmt fortan die Landesselbstverwaltung beim Vorhandensein aller folgender Kriterien einer Übernahme zu: • im Ort vertritt eine gewählte örtliche Nationalitäten selbst - verwaltung seit mindestens zwei Wahlperioden die Interessen der deutschen Minderheit • im Ort gibt es einen eingetragenen Verein, der im Interesse der deutschen Minderheit seine Tätigkeit ausführt • vorhandene personelle Voraussetzungen: Lehrpersonal ver- fügt über Qualifikationen im Bereich „Nationalitätenpäda - gogik” • Bericht über die letzten drei Jahre hinsichtlich des Minder - heitenunterrichts • Pädagogisches Programm, das auch Zukunftspläne enthält • Haushaltsplan mit Prognose (auf Grundlage der Entwicklung der Schülerzahlen in den kommenden drei Jahren) • Absichtserklärung der kommunalen Selbstverwaltung, dass diese im Falle von Finanzierungsschwierigkeiten die Trägerin Deutsche NSVW finanziell unterstützt und dass diese darüber hinaus bei Bedarf auch bei der Finanzbuchhaltung und bei Verwaltungsaufgaben helfend einspringt. Nun stellt sich die Frage, was die LdU bewogen hat, diese Krite - rienliste zu erarbeiten und zu verabschieden. Hierzu äußerte sich Ibolya Hock-Englender, stellvertrende LdU-Vorsitzende und Bildungsexpertin: „Nachdem voriges Jahr mehrere Bildungsein - richtungen von lokalen Selbstverwaltungen übernommen worden sind, hat man scho n erahnen können, dass 2016 auch mehrere Übernahmen erfolgen werden bzw. wir (die LdU) haben auch zahlreiche Übernahmeabsichten wahrgenommen. Mit den deut- schen Selbstverwaltungen, die ab September 2015 zum Bildungs - träger geworden sind, standen wir den ganzen Herbst in Kontakt und haben dadurch von ihren Anfangsschwierigkeiten gewusst. Die Kriterienliste entstand also zum Teil aus der Überlegung heraus, dass wir die Entsprechung dem gesetzlichen Hintergrund schon im Voraus sichern, nicht dass die Einrichtungen später bei einer Untersuchung der Regierungsbehörde Probleme bekom- men. Andererseits möchte die LdU ihre Zusage solchen Bil - dungseinrichtungen geben, die nachweislich schon seit längerem eine gute Nationalitätenausbildung den Kindern und Schülern sichern; auch die übernehmenden deutschen Selbstverwaltungen sollten schon auf dem Gebiet der Nationalitätenpolitik Erfah - rungen haben und wir wollten einer gewissen Kontinuität des (Fortsetzung auf Seite 8) 7