mein Großvater ein Invalide des Ersten Weltkriegs. Seine rechte Hand war regungslos. Man sagte, dass es nicht stimmen würde, dass man sie hier raustreiben könnte. Sie taten es. Meine Groß- mutter verstoß man von der Tür, sie wollte einen kleinen Stuhl mitnehmen, um darauf Platz zu nehmen. Er nahm ihn ihr weg und warf ihn gegen die Hauswand des Nachbarn und sagte: „ Das brauchen sie eh nicht in Deutschland!” Der Rosenkranz wurde hingegen abgehängt, diesen gab er meiner Großmutter und sagte: „ Be- ten Sie, Mutter, damit Sie so schnell wie möglich in Deutschland sind.” Dann durfte man ein wenig Mehl, dies und jenes einpacken, danach brachte man uns auf den Bahnhof von Ratzmetschke, ins Nachbardorf. Dort wurden wir eingeladen, man nahm uns das, was wir noch hatten. Dann brachte man uns nach Deutschland. Und als wir in Deutschland ankamen, schauten sie sich uns an als wären wir Übeltäter. Die dachten, was wir alles verbrochen haben sollten, damit wir dorthin vertrieben wurden. Sie konnten es nicht glauben. Dann kamen sie, mich nahm ein Bauer an der Hand, damit ich ihm helfe, die Großeltern wurden zu einem anderen Haus gebracht. Ich habe drei – vier Wochen dort verbracht, dann erhielten wir ein Schreiben, dass wir im Erzbergwerk arbeiten sollen. Dann sind wir, ich und ein Freund, der heute nicht mehr lebt, nachts in den Westen geflohen. Weil wir nicht wollten … Weil man uns sagte, wir sollten nicht ins Erzbergwerk gehen, denn dort sollen bereits viele gestorben sein. Als wir im Westen ankamen, ka- men wir in ein Lager. Dort haben wir einige Zeit verbracht – ich weiß nicht, wie lange-, danach machten wir uns auf den Weg gen Ungarn. Uns wurde alles genommen, wir hatten nur das, was wir anhatten. Dann kamen wir nach Ungarn zurück, hier mussten wir uns verstecken, man konnte nirgendwo sein. Man versteckte sich hier und da, dann ging ich 1949 nach Fünfkirchen ins Bergwerk, ins Kohlebergwerk. Dort habe ich gearbeitet, eines Tages rief mich die Polizei, ich dachte, jetzt werde ich geschlagen. Die haben mir aber nichts angetan, der Polizist fragte nur: „ Wurden Sie vertrieben?” Ich sagte: „ Ja.” „ Warum kamen sie zurück?” Ich sagte: „ Ich kam zurück, weil ich dachte, hier bin ich geboren, hier will ich arbeiten und sterben.”
Übersetzung von Richard Guth
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Über die Durchführung der Deutschenvertreibung
Die Transporte
Als erstes deutsches Dorf in Ungarn wurde Budaörs im Ofener Bergland ausgesiedelt. Darüber berichtete „ Kisújság” am 7. Feb- ruar 1946 wie folgt:
„ Heute Nachmittag verlässt der letzte Transport mit ausgesiedelten Schwaben den Budaörser Bahnhof, welcher die noch zu- rückgebliebenen Schwaben nach Bayern transportiert. Das Regierungskomissariat für die Aussiedlung übersiedelt morgen unter Vorsitz Ministerialrats Dr. József Benczur nach Gross tur- wall-Törökbálint, das nun zur Aussiedlung gelangt. Die große Gruppe aus dem Volksbetreuungsamt, welche unter persönlicher Leitung des Sektionschefs Géza Szepessy und des Ministerialrats Gerö Szász steht und in den letzten zwei Wochen mit menschlicher Humanität( sic!) die Arbeit der Aussiedlung geleitet hat, versieht ihre Aufgabe mit vollem Verständnis... Die strenge Prüfung der Prüfungskommissionen ermöglichte fünf Prozent der Schwa- ben die Enthebung von der Aussiedlungspflicht.”
General Clay hatte einen anderen Eindruck von den ersten Ver- triebenentransporten, die aus Ungarn in die amerikanische Zone gelangten. Auf S. 313 seines Buches „ Decision in Germany” be- richtet er, der erste Eisenbahntransport habe einen jämmerlichen
Anblick geboten. Die Ausgewiesenen seien hungrig in bitterer Not in Deutschland angekommen, da sie ohne ausreichende Verpflegung und persönliches Gepäck abgeschoben worden waren. Oft wiederholten Vorstellungen sei es schließlich zu verdanken gewesen, dass Abmachungen getroffen wurden, die den Ausgewiesenen gestatteten, etwas Handgepäck und 500 RM mitzunehmen.
Mit der Durchführung der Aussiedlung war das Amt für Volksbetreuung beauftragt worden; Sektionschef war Géza Sze- pessy... Auf welche Weise die Aussiedlung in den einzelnen Ort- schaften durchgeführt wurde, kann an Hand eines Beispiels aufgezeigt werden:
„ Im Zusammenhang mit der Aussiedlung der Schwaben wurde die Stadt Ödenburg am Karfreitag abgeschlossen. Mit Fahrzeug darf man die Stadt nicht verlassen, d. h. Fahrzeuge dürfen die Stadt nur mit einer besonderen Genehmigung verlassen. Seit Frei- tagmorgen ist Alkoholverbot in der Stadt, ab 9 Uhr abends Aus- gangssperre. Wer während der Ausgangssperre die Stadt verlassen will, muss eine Genehmigung von der politischen Polizei besitzen. Wer nach 9 Uhr abends am Bahnhof ankommt, muss seine Fahrkarte aufbewahren, denn diese gilt als Erlaubnis, sich auf der Straße zu bewegen. Die mit der Aussiedlung verbundenen Kon- skriptionen sind bereits abgeschlossen. Die Listen der Auszu- siedelnden werden in Fortsetzungen jeden zweiten Tag veröffentlicht; die Betroffenen können Enthebungsanträge einreichen.(„ Szabad Szó” vom 24. April 1946).
Zuerst wurden die Deutschen im Ofener Bergland und in den westlichen Grenzgebieten vertrieben. Besonders im Westen mussten nach den Planungen „ alle anderen Gesichtspunkte dem nationalen Interesse weichen.” Mit beispielloser Härte hat man das rund 64 000 Seelen zählende Grenzdeutschtum aus seiner vielhundertjährigen Heimat bis auf kümmerliche Reste vertrieben. Die deutsche Bevölkerung ganzer Bezirke wurde in je einem Be- zirksort interniert; so waren z. B. in Zanegg die Deutschen aus sieben Ortschaften des Bezirkes Ungarisch-Altenburg zusammengezogen.(„ Szabad Szó” vom 12. Januar 1947).
Im Westen wurden zuerst die Deutschen des Raaber Komitats ausgesiedelt. Schon am 10. April 1946 wurde der Siedlungskom- missar Dr. M. Sikabonyi samt einigen Polizisten wegen verschiedener Betrügereien mit dem Vermögen der Deutschen verhaftet und der Leiter des dortigen Amtes für Volksbetreuung namens Soltész abgesetzt.(„ Szabad Szó” vom 10. April 1946). Am Kar- frei tag 1946 wurde bereits der zweite Transport aus Agendorf bei Ödenburg abgeschoben. Am 6. Mai waren im Komitat Wiesel- burg / Moson schon 6000 „ Schwaben” vertrieben, weitere 17 000 standen transportbereit( im Jahre 1920 gab es in diesem Komitat nur 20 000 Deutsche). In Güns / Köszeg wurde die Aussiedlungs- liste am 7. Mai abgeschlossen: sie enthielt 1100 Deutsche. Mit Genugtuung wurde festgestellt, dass mit der Vertreibung der Deut schen aus dem nördlichen Transdanubien 72 000 Joch Feld frei würden. Am 12. Mai verließ ein Transport mit 1407 Deut- schen aus Ragendorf und Strassommerein das Land. Und am 28. Mai konnte Mátyás Rákosi in einer Rede in Kaposvár verkünden, dass die österreichischen Stimmen, die angeblich den Anschluss Ödenburgs an Westungarn gefordert hätten, zu spät gekommen seien, denn das westliche Grenzgebiet sei schon ganz madjarisch: nur noch 1500 „ hazahû”, d. h. vaterlandstreue, Schwaben seien dort zu finden, die „ Verräter” seien schon alle ausgesiedelt worden.(„ Szabad Szó” vom 28. 5. 1946).
Der Verbleib des deutschen Vermögens
Der § 9 des Siedlungsgesetzes vom 13. Mai 1946 bestimmte, dass das Vermögen der Ausgesiedelten ohne jegliche Lasten in den Besitz des ungarischen Staates übergehen sollte.(„ Fáklya” vom
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