Sonntagsblatt 2/2016 | Page 18

mein Großvater ein Invalide des Ersten Weltkriegs . Seine rechte Hand war regungslos . Man sagte , dass es nicht stimmen würde , dass man sie hier raustreiben könnte . Sie taten es . Meine Groß - mutter verstoß man von der Tür , sie wollte einen kleinen Stuhl mitnehmen , um darauf Platz zu nehmen . Er nahm ihn ihr weg und warf ihn gegen die Hauswand des Nachbarn und sagte : „ Das brauchen sie eh nicht in Deutschland !” Der Rosenkranz wurde hingegen abgehängt , diesen gab er meiner Großmutter und sagte : „ Be - ten Sie , Mutter , damit Sie so schnell wie möglich in Deutschland sind .” Dann durfte man ein wenig Mehl , dies und jenes einpacken , danach brachte man uns auf den Bahnhof von Ratzmetschke , ins Nachbardorf . Dort wurden wir eingeladen , man nahm uns das , was wir noch hatten . Dann brachte man uns nach Deutschland . Und als wir in Deutschland ankamen , schauten sie sich uns an als wären wir Übeltäter . Die dachten , was wir alles verbrochen haben sollten , damit wir dorthin vertrieben wurden . Sie konnten es nicht glauben . Dann kamen sie , mich nahm ein Bauer an der Hand , damit ich ihm helfe , die Großeltern wurden zu einem anderen Haus gebracht . Ich habe drei – vier Wochen dort verbracht , dann erhielten wir ein Schreiben , dass wir im Erzbergwerk arbeiten sollen . Dann sind wir , ich und ein Freund , der heute nicht mehr lebt , nachts in den Westen geflohen . Weil wir nicht wollten … Weil man uns sagte , wir sollten nicht ins Erzbergwerk gehen , denn dort sollen bereits viele gestorben sein . Als wir im Westen ankamen , ka - men wir in ein Lager . Dort haben wir einige Zeit verbracht – ich weiß nicht , wie lange - , danach machten wir uns auf den Weg gen Ungarn . Uns wurde alles genommen , wir hatten nur das , was wir anhatten . Dann kamen wir nach Ungarn zurück , hier mussten wir uns verstecken , man konnte nirgendwo sein . Man versteckte sich hier und da , dann ging ich 1949 nach Fünfkirchen ins Bergwerk , ins Kohlebergwerk . Dort habe ich gearbeitet , eines Tages rief mich die Polizei , ich dachte , jetzt werde ich geschlagen . Die haben mir aber nichts angetan , der Polizist fragte nur : „ Wurden Sie vertrieben ?” Ich sagte : „ Ja .” „ Warum kamen sie zurück ?” Ich sagte : „ Ich kam zurück , weil ich dachte , hier bin ich geboren , hier will ich arbeiten und sterben .”
Übersetzung von Richard Guth

Über die Durchführung der Deutschenvertreibung

Die Transporte
Als erstes deutsches Dorf in Ungarn wurde Budaörs im Ofener Bergland ausgesiedelt . Darüber berichtete „ Kisújság ” am 7 . Feb - ruar 1946 wie folgt :
„ Heute Nachmittag verlässt der letzte Transport mit ausgesiedelten Schwaben den Budaörser Bahnhof , welcher die noch zu - rückgebliebenen Schwaben nach Bayern transportiert . Das Regierungskomissariat für die Aussiedlung übersiedelt morgen unter Vorsitz Ministerialrats Dr . József Benczur nach Gross tur - wall-Törökbálint , das nun zur Aussiedlung gelangt . Die große Gruppe aus dem Volksbetreuungsamt , welche unter persönlicher Leitung des Sektionschefs Géza Szepessy und des Ministerialrats Gerö Szász steht und in den letzten zwei Wochen mit menschlicher Humanität ( sic !) die Arbeit der Aussiedlung geleitet hat , versieht ihre Aufgabe mit vollem Verständnis ... Die strenge Prüfung der Prüfungskommissionen ermöglichte fünf Prozent der Schwa - ben die Enthebung von der Aussiedlungspflicht .”
General Clay hatte einen anderen Eindruck von den ersten Ver - triebenentransporten , die aus Ungarn in die amerikanische Zone gelangten . Auf S . 313 seines Buches „ Decision in Germany ” be - richtet er , der erste Eisenbahntransport habe einen jämmerlichen
Anblick geboten . Die Ausgewiesenen seien hungrig in bitterer Not in Deutschland angekommen , da sie ohne ausreichende Verpflegung und persönliches Gepäck abgeschoben worden waren . Oft wiederholten Vorstellungen sei es schließlich zu verdanken gewesen , dass Abmachungen getroffen wurden , die den Ausgewiesenen gestatteten , etwas Handgepäck und 500 RM mitzunehmen .
Mit der Durchführung der Aussiedlung war das Amt für Volksbetreuung beauftragt worden ; Sektionschef war Géza Sze - pessy ... Auf welche Weise die Aussiedlung in den einzelnen Ort - schaften durchgeführt wurde , kann an Hand eines Beispiels aufgezeigt werden :
„ Im Zusammenhang mit der Aussiedlung der Schwaben wurde die Stadt Ödenburg am Karfreitag abgeschlossen . Mit Fahrzeug darf man die Stadt nicht verlassen , d . h . Fahrzeuge dürfen die Stadt nur mit einer besonderen Genehmigung verlassen . Seit Frei - tagmorgen ist Alkoholverbot in der Stadt , ab 9 Uhr abends Aus - gangssperre . Wer während der Ausgangssperre die Stadt verlassen will , muss eine Genehmigung von der politischen Polizei besitzen . Wer nach 9 Uhr abends am Bahnhof ankommt , muss seine Fahrkarte aufbewahren , denn diese gilt als Erlaubnis , sich auf der Straße zu bewegen . Die mit der Aussiedlung verbundenen Kon - skriptionen sind bereits abgeschlossen . Die Listen der Auszu - siedelnden werden in Fortsetzungen jeden zweiten Tag veröffentlicht ; die Betroffenen können Enthebungsanträge einreichen . („ Szabad Szó ” vom 24 . April 1946 ).
Zuerst wurden die Deutschen im Ofener Bergland und in den westlichen Grenzgebieten vertrieben . Besonders im Westen mussten nach den Planungen „ alle anderen Gesichtspunkte dem nationalen Interesse weichen .” Mit beispielloser Härte hat man das rund 64 000 Seelen zählende Grenzdeutschtum aus seiner vielhundertjährigen Heimat bis auf kümmerliche Reste vertrieben . Die deutsche Bevölkerung ganzer Bezirke wurde in je einem Be - zirksort interniert ; so waren z . B . in Zanegg die Deutschen aus sieben Ortschaften des Bezirkes Ungarisch-Altenburg zusammengezogen . („ Szabad Szó ” vom 12 . Januar 1947 ).
Im Westen wurden zuerst die Deutschen des Raaber Komitats ausgesiedelt . Schon am 10 . April 1946 wurde der Siedlungskom - missar Dr . M . Sikabonyi samt einigen Polizisten wegen verschiedener Betrügereien mit dem Vermögen der Deutschen verhaftet und der Leiter des dortigen Amtes für Volksbetreuung namens Soltész abgesetzt . („ Szabad Szó ” vom 10 . April 1946 ). Am Kar - frei tag 1946 wurde bereits der zweite Transport aus Agendorf bei Ödenburg abgeschoben . Am 6 . Mai waren im Komitat Wiesel - burg / Moson schon 6000 „ Schwaben ” vertrieben , weitere 17 000 standen transportbereit ( im Jahre 1920 gab es in diesem Komitat nur 20 000 Deutsche ). In Güns / Köszeg wurde die Aussiedlungs - liste am 7 . Mai abgeschlossen : sie enthielt 1100 Deutsche . Mit Genugtuung wurde festgestellt , dass mit der Vertreibung der Deut schen aus dem nördlichen Transdanubien 72 000 Joch Feld frei würden . Am 12 . Mai verließ ein Transport mit 1407 Deut - schen aus Ragendorf und Strassommerein das Land . Und am 28 . Mai konnte Mátyás Rákosi in einer Rede in Kaposvár verkünden , dass die österreichischen Stimmen , die angeblich den Anschluss Ödenburgs an Westungarn gefordert hätten , zu spät gekommen seien , denn das westliche Grenzgebiet sei schon ganz madjarisch : nur noch 1500 „ hazahû ”, d . h . vaterlandstreue , Schwaben seien dort zu finden , die „ Verräter ” seien schon alle ausgesiedelt worden . („ Szabad Szó ” vom 28 . 5 . 1946 ).
Der Verbleib des deutschen Vermögens
Der § 9 des Siedlungsgesetzes vom 13 . Mai 1946 bestimmte , dass das Vermögen der Ausgesiedelten ohne jegliche Lasten in den Besitz des ungarischen Staates übergehen sollte . („ Fáklya ” vom
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