Sonntagsblatt 1/2022 | Page 4

die Sprache nicht von zu Hause aus mitbringt , ist die Bedeutung des Unterrichts gestiegen , da diese Altersgruppe die deutsche Sprache mit aller Wahrscheinlichkeit ihren Kindern auch nicht von zu Hause mitgeben wird . Dies ist für sie nicht selbstverständlich , diese Generation hat es nicht so zu Hause gesehen . Ich denke aber , dass diejenigen , die Deutsch nicht perfekt beherrschen , auch unserer Nationalität angehören . Wichtig sind auch die gelebten Traditionen , welche Gemeinschaften bilden und die Identität stärken wie z . B . die Kulturgruppen . Man kann sehen , dass die Beliebtheit der ungarndeutschen Bildungseinrichtungen groß ist , wo die ungarndeutschen Kinder und Jugendlichen die Möglichkeit haben Deutsch zu lernen , wenn der Sprachverlust schon aufgrund geschichtlicher Entwicklungen , Mängeln im Bildungswesen oder anderer Gründe bei den Eltern eingetreten ist . Dazu benötigt man aber ein qualitativ hochwertiges Bildungswesen .
S . B .: Die Sonntagsblatt-Redaktion hat die Ergebnisse der Jugendkonferenz in Werischwar aufmerksam verfolgt . Was waren die wichtigsten Anliegen der Jugendlichen ? Welche Themen wurden am stärksten debattiert ?
E . K .: Ich konnte leider nicht an der Konferenz teilnehmen , aber ich habe die Vorbereitungen und die Evaluation mitbegleiten können . Das Hauptthema der Jugendkonferenz war die Ausarbeitung einer Kommunikationsstrategie zur Volkszählung . Dies wurde anhand einer SWOT-Analyse ( Stärken , Schwächen , Möglichkeiten , Risiken ) und einem 7P-Marketing-Mix gemacht . Dies hat mich sehr gefreut , denn ich denke , dass wir vieles von der freien Wirtschaft lernen können , allen voran , dass wir uns durch dieses neue Wissen auch verbessern können . Wir arbeiten daran die dortigen Ergebnisse in die Praxis umzusetzen und in die jetzigen Vorgänge einzubauen .
S . B .: Wie sind deine Erfahrungen bezüglich der Fähigkeit von Bildungseinrichtungen in ungarndeutscher Trägerschaft neben der Sprache auch die Identität entsprechend zu vermitteln ?
E . K .: Ich kann ausschließlich persönliche Erfahrungen schildern , da dies nicht mein Fachgebiet ist . Meine größere Tochter geht in die Grundschule des Valeria-Koch- Bildungszentrums und besuchte auch den Kindergarten der Institution , wo ich sehr gute Erfahrungen gesammelt habe . Es ist sehr wichtig , dass die Kinder Deutsch lernen und sich auch mit den Traditionen treffen . Besser wäre natürlich , wenn die Eltern zu Hause dies noch stärken könnten . Ich selber spreche mit meinen Kindern die Mundart , aber leider haben nicht alle die Möglichkeit dazu .
S . B .: Volkstanz und ungarndeutsche Chöre sind gelebte Tradition und somit wichtige Aspekte der ungarndeutschen Identität . Laufen wir jedoch nicht Gefahr , wenn wir die Entwicklung der Identität mit dem Bewahren der Traditionen gleichsetzen ?
E . K .: Dies ist eine sehr komplexe Frage . Wenn man fragt , wer ein „ Ungarndeutscher “ ist , erhält man viele Antworten . Die ungarndeutschen Kinder erlernen meist nicht zu Hause die deutsche Sprache , da die Eltern sie selber nicht zu Hause erlernt haben . Trotzdem ist es für die Eltern wichtig , dass die Kinder die Sprache beherrschen . Wenn aber jemand die Sprache nicht perfekt spricht , ist er trotzdem noch ein Ungarndeutscher . Ist es vielleicht die Schuld des Kindes , dass die Eltern mit ihm nicht Deutsch sprechen konnten oder wollten und in der Schule der Sprachunterricht nicht gut genug war ? Trotzdem tun solche Ungarndeutsche oft mehr für die Gemeinschaft als diejenigen , die die Mundart sprechen oder perfekt Deutsch können . Traditionen sind ein wichtiger Faktor , aber man muss auch die Bedeutung der Sprache bei der Erziehung deutlicher machen , denn viele hätten die Möglichkeit zu Hause Deutsch zu sprechen , tun es aber trotzdem nicht .
S . B .: In deinem Info-Video auf dem Youtube-Kanal der LdU zur Jugendstrategie berichtest du darüber , dass es schwer ist die Generation der Gymnasiasten anzusprechen . Welche sind die gängigsten Wege von Jugendlichen zur GJU / LdU ? Wie finden sie zu euch ?
E . K .: Die Wege führen eindeutig über die Jugendvereine und die Nationalitätenselbstverwaltungen . Um Nachwuchs in den Interessenvertretungen und Vereinen zu haben - also um die Kontinuität zu sichern - ist es wichtig die Jugendlichen mit einzubeziehen . Dies ist weniger oder sogar überhaupt nicht die Aufgabe der Schulen , sondern die Aufgabe der örtlichen Vereine , woraus dann später die örtlichen Selbstverwaltungen , die GJU und die LdU schöpfen können .
S . B .: Wann wird die neue Jugendstrategie der LdU öffentlich zugänglich sein ? Gibt es schon Veränderungen , die feststehen ?
E . K .: Wir müssen noch ein wenig an dem Maßnahmenkatalog arbeiten , aber bis Februar möchten wir wie auch früher die Strategie für alle zugänglich machen .
S . B .: Volksgruppen verändern sich ständig , die Ungarndeutschen sind dabei auch keine Ausnahme . Wie siehst du die ungarndeutsche Zukunft ?
E . K .: Ich denke , dass das Ungarndeutschtum eine Zukunft hat , aber sich langfristig verändern wird . So wie sich die Welt verändert , werden die Identifikationsmerkmale der Minderheit sich auch ändern . Diese Veränderung muss man so koordinieren , dass die Wurzeln nicht in Vergessenheit geraten und die Werte die gleichen bleiben . Ein Beispiel : Man kann verärgert sein , dass auf den Schwabenbällen viele Dirndl tragen , aber man muss sich Gedanken machen , wieso das so ist und ob es Möglichkeiten in diesem Trend gibt oder ob es sich lohnt dagegen zu kämpfen . Ich sehe , dass die Jugendlichen sich sehr bewusst immer mehr zum Ungarndeutschtum bekennen und aktiv mitwirken möchten , was sehr erfreulich ist . Diesen „ Trend “ muss man fördern und den Jugendlichen helfen , dass sie sich in der heutigen , schnellen und digitalisierten Welt in der Nationalität wohl fühlen , sich mit ihr identifizieren können , aber auch die Werte des Ungarndeutschtums bewahren .
S . B .: Emil , vielen Dank für das Interview .
Das Interview führte Armin Stein .
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