Sonntagsblatt 1/2022 | Page 31

mit erheblichen Schulden anfangen musste , muss sich schon ganz gewaltig strecken , um erfolgreich ans Ziel zu kommen – und eben auch ( wie ich ), bis 72 Jahre in seinem Beruf arbeiten .
Nicht zuletzt hängt über meinem Schreibtisch der tiefgründige Vers des großen indischen Dichters , Philosophen und Nobelpreisträgers Rabindranath Tagore ( 1861-1941 ):
Ich schlief und träumte , das Leben wäre Freude . Ich erwachte und sah , das Leben war Pflicht . Ich handelte und siehe , die Pflicht ward Freude .
Inzwischen haben wir unserer Tochter Haus und Praxis überlassen und sind nebenan in unser neugebautes „ Traumhaus ” gezogen . Nun kann ich als schon immer großer Gartenliebhaber – das Blut der Ahnen , die Liebe zur Erdscholle lässt grüßen – in unserem großen Baum- , Zier- und Blumengarten mein Leben endlich ruhig ausklingen lassen . Gern fahren wir immer wieder „ rüber ” zu den zahlreichen Klassen- , Schulund Studientreffen , u . a . nach Lützen und Leipzig , besuchen Familiengräber und alte Freunde , freuen und amüsieren uns über Erinnerungen aller Art , diskutieren aber mit der Erkenntnis und der Erfahrung aus Ost und West unseres Deutschlands , indem wir sagen , wir sind Wossis ( Wessis und Ossis ) – sind entschieden gegen Larmoyanz und falsche Erwartungen .
Wir staunen über die Fortschritte des „ Aufbau Ost ”, die neuen Straßen und Autobahnen mit so freier Fahrt in die neue Zeit , und sind begeistert von der wirtschaftlichen , kulturellen und städtebaulichen Entwicklung „ unseres Leiptsch ” ( Leipzig ), können aber nicht verstehen , wie und warum diese extreme politische Entwicklung zuerst nach „ links ” und jetzt nach „ rechts ” auf dem Gebiet der alten DDR gefolgt ist , wo wir uns damals doch so einig waren : nur Demokratie und Freiheit - unsere großen Ziele . Wo ist die große Euphorie der Wiedervereinigung und des Neuaufbaus geblieben ?
Aber ebenso gern kehren wir wieder zurück in unser Nordhessen und werden nicht aufhören , weiter zu werben für die Verständigung der Ost- und Westdeutschen – das sind wir uns und unserer Lebensentwicklung schuldig .
So haben wir diese dramatische Flucht über Ungarn nie bereut . Wie waghalsig sie auch war , begreifen wir oftmals erst heute . Aber nicht zuletzt drückt der Spruch „ Nur wer wagt , gewinnt !” die Lebensweisheit aus , der ich , der wir nur vom ganzen Herzen zustimmen können .
Man kann es auch klassisch mit Demokrit sagen : „ Mut steht am Anfang des Handelns , Glück steht am Ende .”
Mit dieser Flucht 1989 , mit diesem Weg wieder über Ungarn nach Deutschland wie 1948 schließt sich der Kreis meines Rückblickes , der sich umfangreicher gestaltete als zu erahnen war .
Es sind die prägenden Erlebnisse und innig verwurzelte Erinnerungen eines Ungarndeutschen , der in den Strudel der deutschen und europäischen Geschichtsereignisse hineingeboren und von ihnen mitgerissen wurde , rückblickend über acht Jahrzehnte aus ganz persönlichem Erleben .
Wunderbar passt zum Abschluss hier hinein das Gedicht „ Stille Rückschau ” von Fred Endrikat ( 1890-1942 ):
Stille Rückschau
Plötzlich bleibst du stehn und schaust zurück auf den Weg , den du gegangen bist , siehst die Jahre rückwärts , wie die Kilometersteine . Manche sind beinah verblasst im Dämmerscheine , wie wenn Gras darüber hingewachsen ist , wieder andre leuchten hell vor deinem Blick . Deine Augen forschen nach den Sorgen und den Nöten , über die dein Fuß so mühsam oft getreten , klein und winzig wirken sie , von rückwärts aus gesehn . Die Gedanken wie die kleinen Lämmer weiden auf den Blumenwiesen der erlebten Freuden . Möchtest du denselben Weg noch einmal gehn ? Wenn du stillstehst , wirst du deutlich sehn , wie die Gegenwart wird zur Vergangenheit . Lebenswert sind solch beschauliche Minuten , Kraft zu schöpfen aus dem Quell des Guten für den Marsch ins Morgen , denn der Weg ist weit . Noch ein Blick ins Gestern , und dann heißt es : Weitergehn .
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Eine Bitte des Autors : Wer kann mir Hinweise geben zu den folgenden Personen ?
Joannes Georgius Angele / i aus Nagydém ( um 1735 ), Romand / Románd ( 1738 ), Peterd / Péterd , Gerisdorf / Gyirót ( Bakony ) und seine Ehefrau Catharina und ihr Sohn Mathias ( geb . 26 . 4 . 1738 Gerisdorf / Gyirót und eventuell Sohn Franziscus Xaverius Angele ( geb . um 1730 in ?, wohnhaft in Isszimmer / Isztimér , gest . evtl . 1 . 5 . 1798 Obergalla / Felsõgalla , verh . mit Eva ... ( geb . um 1735 + 19 . 5 . 1798 Isszimmer ) - es interessiert mich , woher diese Personen in die Orte - angesiedelt von Fam . Eszterházy / Linie Csesznek - aus Deutschland oder Österreich gekommen sind . E-Mail an johannes-angeli @ gmx . de .
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