beim Spielen der deutschen Sprache bedienen würden . Schwierigkeiten bereite das schulische Umfeld , denn der älteste Sohn besucht eine konfessionelle , nichtzweisprachige Schule . Dennoch spräche der Junge weiterhin fließend Deutsch und würde auch von der Oma , Theresia Keszler , spielerisch an die deutsche Schriftsprache herangeführt . Bei ihren Töchtern , insbesondere bei der ältesten , habe die Schule eine wichtige Rolle gespielt : „ Beide haben die zweisprachige Klasse in Nadasch besucht . Bei meiner ältesten Tochter hat die Klassenlehrerin Wert darauf gelegt , auch auf dem Schulhof und der Straße Deutsch zu sprechen . Bei meiner jüngeren Tochter war das nicht mehr der Fall .” Beide besuchten im Anschluss das heutige Valeria-Koch-Schulzentrum . Heute gebe es aufgrund des Rückgangs der Schülerzahlen keine getrennten Klassen mehr in Nadasch , die Kinder kämen aus insgesamt fünf Orten , viele von ihnen hätten keine Bezüge mehr zum Deutschtum .
Nicht nur in der Familie bemühte sich die in Budapest lebende Tochter um die Weitergabe der deutschen Sprache : Aber mit ihrem Vorhaben , am Beispiel der Fünfkirchner VUK-Initiative auch in Budapest eine deutschsprachige Krippe mit musikalischem Schwerpunkt zu gründen , ist sie vorerst gescheitert . „ Großstadt ist doch Großstadt , mit weiten Wegen ”, so Keszler .
Das Beispiel der Familie Keszler scheint eine Ausnahme zu sein . Aber wie es so schön heißt : Ausnahmen bestätigen die Regel . Und noch etwas : Es ist nie zu spät , verloren Geglaubtes wiederzuentdecken , so auch die Sprache der Ahnen . Denn , wie das Beispiel der Familie zeigt , primäre sprachliche Sozialisation findet in den Familien statt .
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Ungarndeutsche in der weiten Welt
Ungarndeutsche in der weiten Welt ( 2 ) Kraftfahrer Anton Baling
Von Richard Guth
Es war ein „ Gefällt mir “ oder ein Kommentar , ich weiß nicht mehr genau – der Name Baling ( Báling ) hat jedenfalls meine Aufmerksamkeit geweckt . Könnte er womöglich mit dem großen Journalisten und Sohn unserer Volksgruppe , Josef Baling , verwandt sein ?! Nachfrage ( kostet nichts ), dank Facebook aber lange keine Antwort ( schwierig , wenn man mit einem nicht „ befreundet ” ist )! Am dritten Advent hingegen kam dann die lang ersehnte Antwort ( ziemlich überraschend ): Ja . Wie es sich im Gespräch herausstellte , meinten wir aber nicht den gleichen Josef , aber immerhin war dann die Frage der Verwandtschaft geklärt . Denn sie sind / waren miteinander verwandt , auch wenn nicht so eng .
„ Ich bin ein Ungarndeutscher aus Wemend / Véménd , der seit 30 Jahren in Deutschland lebt ”, stellt sich Anton Baling zu Beginn des Messenger-Gesprächs vor . 1990 , mit 28 Jahren , kam der gelernte Automechaniker ins Land der Vorfahren , das er jedoch aus früheren Verwandtschaftsbesuchen in Baden-Württemberg wohl kannte . Die Idee kam von der elf Jahre älteren Schwester , die vor ihrem Bruder in Krefeld am Niederrhein ansässig wurde - etwas untypisch für ungarndeutsche Auswanderer vor und nach der Wende , die sich in der Regel in einem der drei südlichsten Bundesländer Baden-Württemberg , Bayern oder Hessen niederlassen oder -ließen . Anton Baling war einer der letzten Ungarndeutschen , der noch in den Genuss der Spätaussiedlerregelung kam : Nach einem kurzen Aufenthalt im Aufnahmelager in Friedland war er stolzer Besitzer eines deutschen Personalausweises ,
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– als Beweis für seine deutsche Herkunft musste er nach eigenen Angaben die Kontaktdaten der vertriebenen Verwandtschaft in Baden-Württemberg angeben .
Die Integration in die deutsche Gesellschaft erfolgte nach Balings Erinnerung rasch , auch wenn er nicht in seinem alten Beruf arbeiten konnte , – er wurde schließlich Lkw-Fahrer und ist die ganze Woche über in Deutschland unterwegs . Er fährt in der Regel Blumen durchs Land , was in Corona-Zeiten mit dem zweiten Lockdown im Dezember die Logistikfirma vor große Herausforderungen stelle . Baling , der mit einer Frau bunjewatzischer Herkunft aus Mohatsch verheiratet ist , hat zwei Söhne , mit denen er und seine Frau Deutsch sprechen : „ Die Jungs verstehen zwar Ungarisch , aber mögen lieber Deutsch sprechen . Der jüngste , Sebastian , ist bereits in Deutschland geboren .” Anton Baling sprach bei der Ankunft in Deutschland perfekt Deutsch : „ Meine Mutter , die vor zwei Jahren über neunzigjährig starb , sprach mit mir in der Regel Mundart , das Wemender Stifoldisch . Geantwortet habe ich ihr in der Regel auch in der Mundart . Ungarisch lernte ich im Übrigen erst mit drei Jahren im Kindergarten ”, erinnert sich der 58-Jährige , der aus einer Handwerkerfamilie stammt ( sein 93-jähriger Vater ist Glaser und Tischler von Beruf ). Trotz Integration in die deutsche Gesellschaft würde er auch nach 30 Jahren als Ungar wahrgenommen , „ die Leute hier wissen nichts vom Ungarndeutschtum .”
Anton Baling hat seine Kontakte zu Ungarn keinesfalls abgebrochen , fährt er doch jedes Jahr in die Branau . Ihn freue es - auch wenn er sich in der Materie nach eigenem Bekunden zu wenig auskenne - , dass Brauchtum gepflegt werde , auch unter den Jugendlichen . „ Bei der Sprache sieht es aber düster aus , mit dem Tod der Eltern , Großeltern verschwindet auch die Sprache ”, so der Krefelder . Baling erlebte selbst den Niedergang der Branau nach der Wende ( er arbeitete bis zu seinem 28 . Lebensjahr in einer LPG als Automechaniker ), wo viele Firmen pleitegingen und geschlossen wurden , so dass man gezwungen gewesen sei , woanders sein Glück zu suchen . Für Anton Baling bedeutete es , dass er das Land verließ und ein neues Leben im Land der Ahnen aufbaute . Aber im Herzen blieb er , wie er sagt , ein Ungarndeutscher mit mehrfachen Bindungen .
Feuilleton
„ Ich war nie Berufsungarndeutscher “
SB-Redakteur Armin Stein im Gespräch mit dem ungarndeutschen Philosophen Johann Weiss
SB : Johann , Du bist 1957 in Sier / Szűr , einem kleinen , ungarndeutschen Dorf in der Nähe von Mohatsch geboren . Wie habt ihr zu Hause gesprochen ? Wie ist der Sierer Dialekt ? Wie wurde mit der ungarndeutschen Identität in deiner Familie umgegangen ? Wo hast du Ungarisch gelernt ?
JW : Als ich ein Kind war , ist nicht nur bei uns in der Familie , sondern fast im ganzen Dorf deutsch gesprochen worden . Es gab zwar einige „ telepes “ ( Neusiedler- ) Familien und „ telepes “ Kinder , zu denen haben wir aber kaum Kontakte gehabt . Die Eltern konnten schon ein bisschen Ungarisch , sie haben es nach dem Krieg gelernt , meine Mutter , als sie in Fünfkirchen „ gedient “ hat , und mein Vater , als er westlich von Fünfkirchen in den „ ungarischen Dörfern “, wie er zeitlebens gesagt hat , schon als Kind arbeiten musste . Über den Sierer Dialekt kann ich wenig Wissenschaftliches sagen ; auf jeden Fall muss er aus der Umgebung von Fulda stammen und ist hier in Ungarn in drei Dörfern gesprochen worden , außer in Sier in Niemersch / Hímesháza und in
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