Sonntagsblatt 1/2020 | Page 3

sen eines der Teilnehmer begleitet wird: Einer der Teilnehmer ruft die Forderung des jüdischstämmigen sowjetischen Schriftstellers (fälschlicherweise als Pravda-Chefredakteur vorgestellt) Ehren- burg in Erinnerung, der meinte, man möge Deutschland nicht nur erobern, sondern auch massenweise Deutsche liquidieren, was, so einer der Teilnehmer, in Schlesien ganz gut gelungen sei. Dies hätte der NKVD-Chef Berija verhindert, was der Journalist aber missbilligt: Denn die Liqiudierung des gesamten deutschen Vol- kes hätte zur Friedenssicherung in Europa enorm beigetragen („vertane Chance”). Jedenfalls meint der Journalist das so, auch wenn er das sprachlich unglücklich formuliert hat – denn er äu- ßert vorher Zustimmung, dass der sowjetische Marschall Žukov Berija später erschossen haben soll. Darauf folgt ein Schwenk zu uns, den Deutschen in Ungarn, die in vielerlei Hinsicht mittlerweile zu Ungarn/Madjaren geworden seien, „anderssprachige Ungarn” eben. Sollten sie aber auf deut- sche Initiative hin (Fünfte Kolonne-These) wieder „Volksbünde” gründen (wenn auch in „grünem” Gewand), dann sollten sie auf ihren Verstand und auf ihr Herz hören und nicht auf ihre sprach- liche Herkunft. Man sollte dabei einen Unterschied zwischen den ungarländischen Schwaben und den Bundesdeutschen machen – der eine sei weißer Hautfarbe, der andere nicht mehr so, lautet darauf die Reaktion des Kollegen, eine mehr als deutlich rassis- tisch zu wertende Aussage. Soweit die Runde! Meinungsfreiheit ist bekanntlich ein hohes Gut, aber damit umzugehen muss gelernt sein. Als Journalist steht man im Rampenlicht der Öffentlichkeit – die Verantwortung ist umso größer, wenn es um Produktionen geht, die aus Steuer- geldern finanziert werden. Wenn man Volksverhetzung hoffähig macht, läuft man Gefahr, dass sich Kräfte entfalten, die sich nicht mehr kontrollieren lassen. Das, was diese spaßigen Herren ma- chen, ist weder humorvoll noch passt es zu einer Sendung einer staatlich finanzierten Kulturagentur, die den Namen einer unga- rischen Geistesgröße slowakischer Herkunft trägt. In Zeiten von Trollismus mag eine solche Nische ein Publikum haben, aber sie darf trotzdem nicht zum rechtsfreien Raum werden. Nachtrag – oder: Eine Entschuldigung hört sich anders an „Als Menschen, wir bitten um Entschuldigung” – diesen Titel trug die zweite Sendung und stimmte hoffnungsvoll: Jeder macht ja Fehler und trifft unglückliche Formulierungen. Aber schnell wird klar, dass diese Entschuldigung nicht den Versöhnungsprozess fördern wird. Die vier Herren legten noch eine gehörige Schip- pe drauf: Sie sprechen in der Sendung von Angriffen der „Pfeil- kreuzler-Presse” und meinten damit die kritischen Worte eines Abgeordneten deutscher Nationalität von der rechtskonservati- ven Jobbik-Partei, die von oppositionellen Presseorganen zitiert wurde, die somit rechtsextreme Tendenzen in guter Pfeilkreuz- lertradition fördern würden. Das Quattro wählte diesmal eine Strategie, die darauf zielte der „deutschen Frage” absurde Züge zu verleihen: So sprechen sie vom Selbstverteidigungsangriff Nazi-Deutschlands gegen Polen. Die Runde verstehe die Kritik nach eigenem Bekunden auch deswegen nicht, weil Deutsch- land Russland zweimal angegriffen habe, wohingegen der ge- nannte Journalist Deutschland nur einmal angegriffen habe. Es sei nach Meinung der Runde legitim sich über „Tätervölker” wie das deutsche lustig zu machen. Ohnehin würden das auch an- dere machen - man nennt das Beispiel der US-amerikanischen Serie South Park. Auf der anderen Seite wäre es unangebracht sich beispielsweise über den Holocaust lustig zu machen - eine ernsthafte Absicht lässt aber die Wiederholung des bereits er- wähnten Namensspiels („Jákob-Jakab”) an dieser Stelle als frag- würdig erscheinen. In der Sendung wird an mehreren Stellen das Bemühen erkennbar, dass die Teilnehmer des Gesprächs zwi- schen den „guten” Ungarndeutschen und den „bösen” Reichs-/ Bundesdeutschen unterscheiden wollen, zumal nach eigenem Bekunden fast jeder der Teilnehmer (ungarn)deutsche Vorfah- ren habe. Der bereits erwähnte Jobbik-Abgeordnete deutscher SoNNTAGSBLATT Nationalität würde dabei deutschen Interessen dienen, zumal er ja auch kein ungarländischer Schwabe sei, sondern Österrei- cher, was die Runde dazu verleitet ihn mit dem österreichischen SS-Obersturmbannführer Otto Skorzeny in Verbindung zu brin- gen, zumal ja damals Österreich das Deutsche Reich besetzt hätte und nicht umgekehrt (wohl ein Irrtum der Historiker). Nach diesem historischen Novum kehren die Journalisten wieder zur „Kritik” an den Deutschen zurück, die im Zeichen von „Arierma- thematik” nun in der Klimapolitik alle EU-Kohäsionsmittel („unser Geld”) an sich ziehen würden und dabei die EU mit Meinungs- terror unter ihrem Einfluss halten würden. Einer der Herren stellt sogar die Frage, wann Deutschland die Rechnung über eine Milliarde Reichsmark für ungarische Güter begleichen würde. Zu einer Entschuldigung ringt sich nur einer der Herren durch (ob ernst gemeint, bleibt dahingestellt), der Kollege, der den be- sagten Liquidierungssatz von sich gab, meint, man soll dieses „deutsche Thema” lieber sein lassen. Zum Schluss zeigen sich die Herren aber zuversichtlich, dass der Endsieg nahe sei und der „dritte Versuch” gelingen werde. Weitere Beiträge in „Merkwürdigkeiten” s Aktuelles Wuderscher besuchten Lenauheim in Rumänien Von Dr. Kathi Gajdos-Frank Das Bundesministerium des Innern unterstützt bereits seit meh- reren Jahren den Ausbau von nachhaltigen überregionalen Kontakten zwischen ungarndeutschen Siedlungen, Vereinen und Institutionen. Auch die Mitarbeiter des Wuderscher Heimat- museums nahmen diese Möglichkeit wahr. Nachdem das BMI unseren Antrag auf einen überregionalen Erfahrungsaustausch positiv bewertete, organisierten wir eine Reise nach Lenauheim/ Csatád für den 2.-3. Oktober 2019. In Lenauheim angekommen führte unser erster Weg ins Le- nau-Museum - ein imposantes Gebäude in der Hauptstraße des Orts. Hier befinden sich gleich drei Ausstellungen, durch die uns Bürgermeister Ilie Suciu und Frau Elfriede Klein persönlich ge- leiteten. Im rechten Gebäudeflügel befindet sich das schwäbische Hei- matmuseum, eine volkskundliche Ausstellung in acht Räumen über das Leben der Banater Schwaben – die, wohlgemerkt, hier in der Ortschaft nicht mehr zu finden sind. Hintergrund: 1940 hatte der Ort 2400 Einwohner, davon über 95% Deutsche. Durch die Abwanderung nach dem Zweiten Welt- krieg sank der Anteil der deutschstämmigen Bevölkerung auf zu- nächst etwa 50%, 1992 waren von 1400 Einwohnern noch etwa 100 Deutsche - als Folge der „Politik“ von Ceausescu, 2006 nur noch 59 und 2019 nunmehr 24. Auf Wandtafeln sind wichtige Ereignisse aus der Geschichte der Gemeinde Lenauheim festgehalten. Wertvolle Zeitdokumen- te und Manuskripte sind in einer Vitrine zu sehen. Geräte und Werkzeuge veranschaulichen den Arbeitsalltag der bäuerlichen Bevölkerung. Ein authentisches Bild von deren Wohnkultur ver- mitteln die typisch eingerichteten Räume eines schwäbischen Hauses vom Ende des 19. Jahrhunderts. Die Lenau-Ausstellung ist in sieben Räumen im linken Flügel des (Fortsetzung auf Seite 4) 3