das nicht ernst nehmen, täuschen wir uns selbst. Das Ergeb-
nis wird außerdem durch die Frage nach der Muttersprache und
nach der in der Familie und im Freundeskreis benutzten Sprache
noch komplizierter. Um auf eine realistischere Zahl zu kommen,
müsste man minderheitenspezifische Fragen ausarbeiten und
die Bevölkerung über die korrekte Antwortgabe detailliert aufklä-
ren, was das Statistikamt keineswegs als eigene Aufgabe sieht.
Wir müssen annehmen, dass die Volkszählung keine Erhebung
über die Lage der Minderheiten darstellt. Bei der Zusammenstel-
lung der Formulare muss man nach Erfahrungen der Experten
sehr viele Faktoren gleichzeitig betrachten und es gibt noch kri-
tischere, kompliziertere Bereiche, zum Beispiel unterschiedliche
Fragen bezüglich der finanziellen Lage, geschweige denn die
Probleme mit dem Datenschutz. Sogar die Experten von „KSH“
können das nicht händeln, und das ist auch kein Ziel.
Langsam ist es also an der Zeit zu akzeptieren, dass die glän-
zenden, immer positiveren Ergebnisse bei den Volkszählungen
kritisch hinterfragt werden müssen. Eine minderheitenspezifi-
sche, empirische Forschung zum Thema wäre dringend erfor-
derlich, um zu sehen, wie stark wir tatsächlich sind.
bittere Entscheidung treffen: In der Zukunft können wir unseren
im Ausland lebenden Lesern und den deutschen Selbstverwal-
tungen im Lande die Zeitung nur dann zuschicken, wenn sie für
die Postkosten einen Beitrag leisten.
Die JBG hat neben den geplanten Programmen und der Ausga-
be des Sonntagsblattes und des Sonntagsblatt-Magazins noch
vieles vor. Dieses Jahr wird für die JBG ein Trianon-Gedenkjahr,
in dessen Rahmen wir uns mit den Folgen des Friedensschlus-
ses für die Ungarndeutschen beschäftigen. Daneben möchten
wir ein Forschungsprogramm starten, womit man die wahre Si-
tuation unserer Volksgruppe durch soziologische Forschungen
besser erfährt. Natürlich hängen die oben erwähnten Pläne vom
Maß der staatlichen Unterstützungen ab.
s
Literatur
Im Rachen des Todes
Unser Redaktionsmitglied Nelu B. Ebinger arbeitet an sei-
nem neuen Buchprojekt „Der kleine Professor”. Wir veröf-
fentlichen das Einführungskapitel.
Neues Jahr, neue Vorhaben
Bericht über die Vollversammlung
der Jakob Bleyer Gemeinschaft 2020
Von Patrik Schwarcz-Kiefer
Die Jakob Bleyer Gemeinschaft hat ein erfolgreiches Jahr hinter
sich, da wir neben der Veröffentlichung des Sonntagsblattes eine
Sonderausgabe über das Leben Edmund Steinackers heraus-
geben und zahlreiche Programme realisieren konnten. Unsere
Tätigkeit wäre natürlich ohne unsere Spender und die staatliche
Unterstützung unrealisierbar gewesen. An dieser Stelle bedan-
ken wir uns für die Unterstützung.
Es gab auch personelle Veränderungen im Vorstand der Jakob
Bleyer Gemeinschaft: Stefan Pleyer dankte am Ende des ver-
gangenen Jahres ab und wird in der Zukunft im Verein nicht mehr
aktiv mitarbeiten. Für seine langjährige Arbeit bedankt sich die
JBG. Statt Stefan wurde ein anderer junger Mann, der Bonnhar-
der Armin Stein, einstimmig in den Vorstand gewählt.
Eine weitere erfreuliche Entwicklung in Richtung einer Verjün-
gung des Vereins ist die Bestellung unseres Vereinsmitglieds
Daniel Erlein (Vorsitzender der DNSVW von Witschke/Bicske)
zum Büroleiter der JBG. Ein Büroleiter braucht auch ein Büro,
deshalb wird in diesem Jahr ein zentrales Vorhaben sein, dass
die JBG in Wudersch/Budaörs oder in Budapest eine Räumlich-
keit anmietet.
Was die finanzielle Lage des Vereins betrifft, können wir von po-
sitiven und leider auch negativen Tendenzen berichten. Positiv
ist, dass die JBG immer mehr Reserven hat: dieses Jahr bereits
rund 600.000 Forint (1700 Euro), was im Vergleich zu den vori-
gen Jahren einen sehr großen Fortschritt bedeutet. Man kennt
noch nicht alle Ergebnisse der Anträge, aber schon sicher ist,
dass unser Verein 2020 4.700.000 Ft (15.000 Euro) von dem
ungarischen Staat bekommen wird.
Eine negative Tendenz in unseren Finanzen ist die enorme Erhö-
hung der Postkosten, die ab diesem Jahr rund 600.000 Ft (1700
Euro) pro Nummer ausmachen. Deshalb musste die JBG eine
SoNNTAGSBLATT
Im Frühsommer des Jahres 1967 liegt ein 14-jähriger Absol-
vent der 8-klassigen Grundschule in der banatschwäbischen
Großgemeinde Bogarosch (rum. Bulgaruş) im fetten Grün des
Familiengartens, blickt voller Zukunftssorgen in den glasklaren
Himmel und macht sich Gedanken über sein weiteres Schicksal.
Ja, Schicksal, denn morgen kommt der Gesandte des deutschen
katholischen Bischofs aus Temeswar (rum. Timisoara, ung. Te-
mesvár) zu Besuch, wo beim festlichen Mittagessen die Ent-
scheidung über den weiteren Verlauf seines noch jungen Lebens
fallen soll.
Trotz seines noch zarten Alters war er schon recht belesen in Sa-
chen Lebensphilosophie, hatte er doch als fleißiger Messdiener
bereits eine Reihe von solchen Büchern vom Dorfpfarrer Mat-
thias Lauer erhalten, über deren Lektüre er sich immer wieder
Gedanken machte. Gedanken über den Sinn unseres Lebens,
über Gott und die Welt, Liebe und Tod, Diesseits und Jenseits.
Alles begann aber schon am 6. Oktober 1963, also vier Jahre
davor, als der bis dahin brave, schüchterne Hansi einen lebens-
bedrohlichen Unfall erlitt. Ja, Hansi, denn dies war sein Rufname
zuhause, obwohl in seinem offiziellen Geburtsschein der rumä-
nische Kosename „Nelu“ (von Ioan>Ionel>Nelu) stand, also eine
wortwörtliche Übersetzung von Hansi (Johann>Hans>Hansi). In
seinem kirchlichen Geburtsschein und auf seinem Erstkommu-
nionbild hieß er mit christlichem Namen Johann.
An jenem Sonntag im Altweibersommer des Jahres 1963 ist es
passiert: Noch am Vormittag war Hansi in der Heiligen Messe
der deutschen katholischen Kirche gewesen, wo er wie sonn-
tags fast immer vorne am Altar stand, den Worten des Pfarrers
lauschte, auf die lateinischen Sätze ehrfurchtsvoll und laut ant-
wortete und so seine Arbeit als Messdiener gewissenhaft ver-
richtete.
Nach dem Mittagessen ging er in kurzen Hosen zu seinen gleich-
altrigen Freunden auf die Straße spielen. Die meisten hatten in-
zwischen einen Traktor mit zwei riesigen Anhängern umstellt, der
am Ende der staubigen Gasse - „Letschti Gass“ genannt - vor
dem Haus eines LPG-Traktoristen stand, und begannen darauf
zu klettern. Hansi schloss sich der Schar seiner Spielkameraden
an, obwohl er als Angsthase galt. Plötzlich kam der Traktorfahrer
aus seinem Haus heraus und machte Anstalten, mit dem Traktor
(Fortsetzung auf Seite 28)
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