Sonntagsblatt 1/2020 | Page 5

An unserem Beispiel sehe ich, dass ein Zugehörigkeitsgefühl nur durch die Familie entwickelt werden kann. Alle meiner nahen Verwandten leben in Deutschland, wurden heimatvertrieben und wir haben doch nur mit einer Familie einen engen Kontakt, mit der vom vorhin erwähnten Hans. Sein Enkelsohn, 8 Jahre alt, erzählt seinen Mitschülern, dass (ich zitiere) „ich fahre in den Fe- rien zu meiner Familie nach Ungarn“. Ich weiß, heute gelten Verwandtschaftsbeziehungen zweiten oder dritten Grades kaum noch, aber nicht das zählt, sondern ob man sich erinnern will oder nicht, ob es einem wichtig ist an den Wurzeln festzuhalten oder nicht. Durch Forschungen wurde nachgewiesen, dass die im 18. Jh. nach Ungarn ausgewanderten Deutschen in der zweiten Gene- ration so gut wie keine Kontakte mehr zum Mutterland hatten. Es wäre sehr schade, wenn sich die Geschichte bei den heutigen technischen Gegebenheiten wiederholen würde. Auch aus diesem Grund ist die Tätigkeit der Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn wichtig und dadurch zukunfts- und richtungsweisend; ebenso muss die Verwirklichung der von Herrn Szabó, den Ist-Stand der kommunalen Partnerschaften Baden-Württemberg-Ungarn zu erheben, in die Wege geleitet werden. Vergangenheit ist wichtig, aber wir müssen in die Zukunft schau- en. Ich bin von zu Hause aus und durch die noch vorhandene deutschsprachige Umgebung in meinem Heimatdorf so erzogen worden, dass es für mich selbstverständlich ist, dass ich eine Deutsche bin. Für meine Kinder und Enkelkinder ist es nicht mehr so natürlich, der Prozess muss bewusster werden und da- bei müssen die Familien unterstützt werden. Heute sprechen wir nicht mehr von einer Erlebnisgeneration, die die ungarndeutsche Identität in die Wiege gelegt bekommen hat, sondern von einem bewussten Bekennen zu dieser Identität. Und die muss heraus- gebildet werden. Darin sehe ich die wichtigste Berufung der Landesselbstverwal- tung der Ungarndeutschen und aller Gremien und Institutionen, die in diesem Bereich tätig sind. Es ist 25 Jahre her, dass die Nationalitätenselbstverwaltungen in Ungarn infolge des 1994 he- rausgegebenen Minderheitengesetzes entstanden sind und wir alle große Hoffnungen auf die Entfaltung unserer politischen und kulturellen Autonomie gesetzt haben. Es mag sein, dass nicht alle unserer Erwartungen von damals in Erfüllung gegangen sind, aber das Selbstverwaltungswesen hat zweifelsohne unsere Präsenz gestärkt und Schwung in unsere Tätigkeit gebracht. mitatsselbstverwaltungen und eine in der Hauptstadt; die neue, 47 Abgeordnete zählende Vollversammlung, kann mit besonders starker Legitimation ihre fünfjährige Tätigkeit ausüben. Sowohl die Zahl der Registrationen als auch die Wahlbeteiligung zeigt für mich, dass die Deutschen in Ungarn an ihrer Zukunft als Volks- gruppe weitgehend interessiert sind. Von Jahr zu Jahr wächst die Zahl jener lokalen deutschen Selbstverwaltungen, die die Schule oder eben den Kindergarten in eigene Trägerschaft übernehmen. Im Moment liegt die Zahl bei 57 und weitere 8 haben ihre Absicht fürs nächste Jahr sig- nalisiert. Ich setze als Vorsitzende große Hoffnungen auf diese Art von Eigenverantwortlichkeit und erwarte auch eine positive Entwicklung in Sprachgebrauch und Zugehörigkeitseinstellung dieser Kinder, Schüler und Eltern. Auch das 2018 vom ungarischen Staat auf Initiative unseres Parlamentsabgeordneten gestartete Stipendienprogramm in der Ausbildung von Kindergartenpädagogen und Lehrer im Bereich Nationalitätenstudium unterstützt unser Vorhaben, mehr Gewicht auf die institutionelle Erziehung zu legen. Für das Jahr 2020 sehen wir als eine der wichtigsten Aufgaben die Vorbereitung für die Volkszählung 2021. Wenn man die Er- gebnisse der letzten zwei Volkszählungen (20 Jahre) miteinan- der vergleicht, ist eine Verdreifachung festzustellen. Ich denke, das ist das beste Zeugnis für die Bewusstheit der jüngeren Ge- nerationen. Im April 2020 wird in Baaja/Baja (in der Batschka) als Ergänzung der dort errichteten Ulmer Schachtel als Ansiedlungsdenkmal ein Landeslehrpfad übergeben, dessen Stationen den Werdegang der Ungarndeutschen schildern und für dessen Leitgedanken wir das Motto „Vergangenheit hat Zukunft“ gewählt haben. Wir beto- nen auch durch diesen Lehrpfad, dass die Vergangenheit eine Garantie für die Zukunft ist, aber nur dann, wenn wir auch etwas dafür tun! Neue Mitarbeiterin im Lenau-Haus Von Richard Guth Als Leitgedanken für ihre Strategie hat die LdU das Motto „Un- garndeutsch. Steh dazu!“ gewählt, um auch dadurch zu einem bewussten Bekenntnis zur Volksgruppe aufzurufen. Dies war auch das Motto der Wahlkampagne für die Wahl der deutschen Nationalitätenselbstverwaltungen 2019. Am 13. Oktober haben insgesamt beinahe 55.000 Wahlberech- tigte in 406 Gemeinden ihre Stimmen für die Landes-, regionalen (Komitats- bzw. hauptstädtische) und örtlichen Körperschaften, also für die wichtigsten Interessenvertretungsorgane unserer Na- tionalität - laut Registration - abgeben können. Die Beteiligung an der Wahl der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen war hoch, sie lag bei 72,5%, und 39.802 - knapp 40.000 - Wählerin- nen und Wähler haben ihre Stimmen abgegeben. Bereits 2018 haben wir mit den Vorbereitungen landesweit be- gonnen: Durch Informationsveranstaltungen in den Komitaten und Kreisen, ständige Präsenz im Internet und in den Medien, regelmäßiges Erscheinen unseres Rundbriefes haben wir Zehn- tausende unserer Wählerinnen und Wähler erreicht. Als Ergebnis der Wahlen konstituierten sich 402 örtliche, 13 Ko- SoNNTAGSBLATT Aniko Mezei-Kramm und Monika Ambach Seit Anfang diesen Jahres kann das Lenau-Haus eine neue Mit- arbeiterin, Aniko Mezei-Kramm, begrüßen. Aniko kenne ich seit der Zeit der GJU-Studienreisen zur Ostakademie Königstein Mitte der 1990er Jahre. Die Nimmescherin ist seit 1998 in der örtlichen Deutschen Selbstverwaltung tätig und wird nun als Pro- grammkoordinatorin arbeiten. Gegenüber dem Sonntagsblatt sprach Aniko Mezei-Kramm von der Fortführung von zur Traditi- (Fortsetzung auf Seite 6) 5