An unserem Beispiel sehe ich, dass ein Zugehörigkeitsgefühl
nur durch die Familie entwickelt werden kann. Alle meiner nahen
Verwandten leben in Deutschland, wurden heimatvertrieben und
wir haben doch nur mit einer Familie einen engen Kontakt, mit
der vom vorhin erwähnten Hans. Sein Enkelsohn, 8 Jahre alt,
erzählt seinen Mitschülern, dass (ich zitiere) „ich fahre in den Fe-
rien zu meiner Familie nach Ungarn“.
Ich weiß, heute gelten Verwandtschaftsbeziehungen zweiten
oder dritten Grades kaum noch, aber nicht das zählt, sondern ob
man sich erinnern will oder nicht, ob es einem wichtig ist an den
Wurzeln festzuhalten oder nicht.
Durch Forschungen wurde nachgewiesen, dass die im 18. Jh.
nach Ungarn ausgewanderten Deutschen in der zweiten Gene-
ration so gut wie keine Kontakte mehr zum Mutterland hatten. Es
wäre sehr schade, wenn sich die Geschichte bei den heutigen
technischen Gegebenheiten wiederholen würde.
Auch aus diesem Grund ist die Tätigkeit der Landsmannschaft
der Deutschen aus Ungarn wichtig und dadurch zukunfts- und
richtungsweisend; ebenso muss die Verwirklichung der von
Herrn Szabó, den Ist-Stand der kommunalen Partnerschaften
Baden-Württemberg-Ungarn zu erheben, in die Wege geleitet
werden.
Vergangenheit ist wichtig, aber wir müssen in die Zukunft schau-
en.
Ich bin von zu Hause aus und durch die noch vorhandene
deutschsprachige Umgebung in meinem Heimatdorf so erzogen
worden, dass es für mich selbstverständlich ist, dass ich eine
Deutsche bin. Für meine Kinder und Enkelkinder ist es nicht
mehr so natürlich, der Prozess muss bewusster werden und da-
bei müssen die Familien unterstützt werden. Heute sprechen wir
nicht mehr von einer Erlebnisgeneration, die die ungarndeutsche
Identität in die Wiege gelegt bekommen hat, sondern von einem
bewussten Bekennen zu dieser Identität. Und die muss heraus-
gebildet werden.
Darin sehe ich die wichtigste Berufung der Landesselbstverwal-
tung der Ungarndeutschen und aller Gremien und Institutionen,
die in diesem Bereich tätig sind. Es ist 25 Jahre her, dass die
Nationalitätenselbstverwaltungen in Ungarn infolge des 1994 he-
rausgegebenen Minderheitengesetzes entstanden sind und wir
alle große Hoffnungen auf die Entfaltung unserer politischen und
kulturellen Autonomie gesetzt haben. Es mag sein, dass nicht
alle unserer Erwartungen von damals in Erfüllung gegangen
sind, aber das Selbstverwaltungswesen hat zweifelsohne unsere
Präsenz gestärkt und Schwung in unsere Tätigkeit gebracht.
mitatsselbstverwaltungen und eine in der Hauptstadt; die neue,
47 Abgeordnete zählende Vollversammlung, kann mit besonders
starker Legitimation ihre fünfjährige Tätigkeit ausüben. Sowohl
die Zahl der Registrationen als auch die Wahlbeteiligung zeigt für
mich, dass die Deutschen in Ungarn an ihrer Zukunft als Volks-
gruppe weitgehend interessiert sind.
Von Jahr zu Jahr wächst die Zahl jener lokalen deutschen
Selbstverwaltungen, die die Schule oder eben den Kindergarten
in eigene Trägerschaft übernehmen. Im Moment liegt die Zahl
bei 57 und weitere 8 haben ihre Absicht fürs nächste Jahr sig-
nalisiert. Ich setze als Vorsitzende große Hoffnungen auf diese
Art von Eigenverantwortlichkeit und erwarte auch eine positive
Entwicklung in Sprachgebrauch und Zugehörigkeitseinstellung
dieser Kinder, Schüler und Eltern.
Auch das 2018 vom ungarischen Staat auf Initiative unseres
Parlamentsabgeordneten gestartete Stipendienprogramm in der
Ausbildung von Kindergartenpädagogen und Lehrer im Bereich
Nationalitätenstudium unterstützt unser Vorhaben, mehr Gewicht
auf die institutionelle Erziehung zu legen.
Für das Jahr 2020 sehen wir als eine der wichtigsten Aufgaben
die Vorbereitung für die Volkszählung 2021. Wenn man die Er-
gebnisse der letzten zwei Volkszählungen (20 Jahre) miteinan-
der vergleicht, ist eine Verdreifachung festzustellen. Ich denke,
das ist das beste Zeugnis für die Bewusstheit der jüngeren Ge-
nerationen.
Im April 2020 wird in Baaja/Baja (in der Batschka) als Ergänzung
der dort errichteten Ulmer Schachtel als Ansiedlungsdenkmal ein
Landeslehrpfad übergeben, dessen Stationen den Werdegang
der Ungarndeutschen schildern und für dessen Leitgedanken wir
das Motto „Vergangenheit hat Zukunft“ gewählt haben. Wir beto-
nen auch durch diesen Lehrpfad, dass die Vergangenheit eine
Garantie für die Zukunft ist, aber nur dann, wenn wir auch etwas
dafür tun!
Neue Mitarbeiterin
im Lenau-Haus
Von Richard Guth
Als Leitgedanken für ihre Strategie hat die LdU das Motto „Un-
garndeutsch. Steh dazu!“ gewählt, um auch dadurch zu einem
bewussten Bekenntnis zur Volksgruppe aufzurufen. Dies war
auch das Motto der Wahlkampagne für die Wahl der deutschen
Nationalitätenselbstverwaltungen 2019.
Am 13. Oktober haben insgesamt beinahe 55.000 Wahlberech-
tigte in 406 Gemeinden ihre Stimmen für die Landes-, regionalen
(Komitats- bzw. hauptstädtische) und örtlichen Körperschaften,
also für die wichtigsten Interessenvertretungsorgane unserer Na-
tionalität - laut Registration - abgeben können. Die Beteiligung an
der Wahl der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen war
hoch, sie lag bei 72,5%, und 39.802 - knapp 40.000 - Wählerin-
nen und Wähler haben ihre Stimmen abgegeben.
Bereits 2018 haben wir mit den Vorbereitungen landesweit be-
gonnen: Durch Informationsveranstaltungen in den Komitaten
und Kreisen, ständige Präsenz im Internet und in den Medien,
regelmäßiges Erscheinen unseres Rundbriefes haben wir Zehn-
tausende unserer Wählerinnen und Wähler erreicht.
Als Ergebnis der Wahlen konstituierten sich 402 örtliche, 13 Ko-
SoNNTAGSBLATT
Aniko Mezei-Kramm und Monika Ambach
Seit Anfang diesen Jahres kann das Lenau-Haus eine neue Mit-
arbeiterin, Aniko Mezei-Kramm, begrüßen. Aniko kenne ich seit
der Zeit der GJU-Studienreisen zur Ostakademie Königstein
Mitte der 1990er Jahre. Die Nimmescherin ist seit 1998 in der
örtlichen Deutschen Selbstverwaltung tätig und wird nun als Pro-
grammkoordinatorin arbeiten. Gegenüber dem Sonntagsblatt
sprach Aniko Mezei-Kramm von der Fortführung von zur Traditi-
(Fortsetzung auf Seite 6)
5