Sonntagsblatt 1/2019 | Page 18

wuchses gelegt. Diese Maßnahme erforderte bei nur zwei eige- nen Lehrerbildungsanstalten mehrere Jahre, weshalb auch die Gesamtlösung der Schulfrage und der schulischen Selbstverwal- tung bis auf die Zeit nach dem Krieg verschoben werden musste. Nach Kriegsende finden wir Josef Schmidt in Wien, wo er sich infolge des Elends und der Not seiner evakuierten Landsleute als Mann der ersten Stunde um die Betreuung und Vertretung der Belange der ungarländischen Deutschen in Österreich bemüh- te. Mit Vertretern anderer Vertriebenengruppen aus den Südost- staaten gründete er bereits 1945 das Zentralkomitee der Volks- deutschen in Österreich, in dem er auch mit Dr. Sebastian Werni aus dem Batscherland zusammenarbeitete. Als Hauptschrift- leiter übernahm er ab 1946 die Wochenschrift „Wegwarte“, das Organ des Zentralkomitees. Als die Überparteilichkeit der „Weg- warte“ nicht mehr gewährleistet war, legte er die Hauptschrift- leitung nieder. 1950 übersiedelte Josef Schmidt nach Deutsch- land. Auch da trat er für die Gleichberechtigung der Deutschen aus Ungarn ein. In der Heimatauskunftsstelle für Ungarn, die im Innenministerium Baden-Württembergs in Stuttgart errichtet wurde, übernahm er als Stellvertreter und später als Nachfolger des Leiters Max Albert das Referat „Dokumentation“, das sich um die Erfassung der Daten und Unterlagen der Vertriebenen aus Ungarn zu bemühen hatte. Er setzte sich mit ganzer Kraft für seine Landsleute in ihren jetzigen Aufnahmegebieten ein und erfüllte diese verantwortungsvolle Aufgabe in engster Zusam- menarbeit mit den zuständigen Stellen der Staatsverwaltung, der Landsmannschaft, des Rates der Südostdeutschen und anderen zuständigen Gremien. 1974 schied er infolge angeschlagener Gesundheit aus dem Dienst aus. Doch auch im Ruhestand ließ ihn die Sorge um die Wahrung der Belange und Zukunft der Deutschen aus Ungarn nicht zur Ruhe kommen. Als engagierter Journalist bezog er mit volkspolitischen und zeitgeschichtlichen Kolumnen und Bei- trägen Stellung zu aktuellen Fragen der Deutschen aus und im heutigen Ungarn. Die Geschichte des Kampfes um die deutsche Schule und die mannigfaltigen politischen Schwierigkeiten der damaligen ungarischen Nationalitätenpolitik, die er als Landes- schulamtsleiter von 1941 bis 1944 maßgebend gestaltet hat, sind bisher nur in gelegentlichen Bruchstücken da und dort dar- gestellt worden, so in der Schrift „Volksdeutsche Schulerziehung in Ungarn“ aus „der Arbeit des Volksdeutschen Schulwesens und der Deutschen Erzieherschaft des Volksbundes der Deutschen in Ungarn“, herausgegeben vom Landesschulamt des Volksbun- des der Deutschen in Ungarn, Zusammenstellung von Josef V. Senz. Neusatz 1943,135 Text- und 15 Bildseiten mit 1 Karte“ (er- schienen in der Amtszeit von Josef Schmidt). Die in der AG Donauschwäbischer Lehrer vor Jahren bereits in Angriff genommene Aufarbeitung konnte bis heute noch nicht zum Abschluss gebracht werden. Eine solche Aufarbeitung hätte eine praktische politische Bedeutung, weil die darin dargestell- ten Erfahrungen mit großem Nutzen in die derzeit in Ungarn und Deutschland aufgenommenen Bemühungen um den Aufbau eines neuen deutschen Schulwesens in Ungarn herangezogen werden könnten, wie das Josef Schmidt in seinen Kolumnen im „Donauschwaben“ immer wieder fordert. Im Rückblick auf seine kulturelle und politische Arbeit stellt er dann auch fest: „Wir sind heute die letzten spärlichen Reste eines solchen schöpferischen Volkes, ohne dessen historische Leistungen auf allen Gebieten eine abendländische Kultur bei den Völkern der südosteuropäischen Länder überhaupt nicht aufgekommen wäre. Es war die größte noch immer nicht über- wundene Enttäuschung meines Lebens, dass unser Opfergang um die Erhaltung des ungarländischen Deutschtums vom ‚Vater- land‘ durch die Vertreibung geächtet und vom ‚Mutterland‘ nicht beachtet, geschweige denn geachtet wurde.“ In herzlicher Verbundenheit grüßen den Jubilar zu seinem 75. 18 Geburtstag alle seine Freunde und Bekannten, die donauschwä- bischen Lehrer und ungarndeutschen Landsleute, und danken ihm für seine bewahrende und anregende Lebensleistung im Dienst unseres Volkes. Sie wünschen ihm weiterhin den Segen des Allmächtigen in seinem Leben und Tun. Geschehen vor 70 Jahren: „Wir mussten unser Zuhause in ein Bündel packen” (70 éve történt: „Egy batyuba kellett pakolnunk az otthonunkat”) Von Rebeka Csóti. Erstmalig erschienen am 19. Januar 2018 auf dem Internetportal „index.hu”. Veröffentlichung mit freund- licher Genehmigung der aus Kirne stammenden Autorin. Deutsche Übersetzung: Richard Guth __________________________________________ Die Einführung zu den Zeitzeugenerinnerungen enthält noch einige Ungenauigkeiten, interessant und wertvoll sind hingegen die Berichte der Zeitzeugen. ___________________________________________ „Eines Tages kamen dann die Polizisten, mit der Nachricht, dass wir gehen müssen. Wohin ich nur schaute, überall Menschen mit Tränen in den Augen. Wir Kinder genossen es ja sehr. Wer konnte damals auf einem Laster sitzen?! Danach durften wir so- gar Zug fahren, wir dachten, Gott wüsste, wie es sein wird. Wir waren fast zwei Monate unterwegs. Wir hielten alle vier Tage an, dann konnten wir den Zug verlassen um unsere Notdurft zu ver- richten, die verdreckten Eimer wurden ausgeschüttet.” Mit dem ersten „Schwabenzug” begann am 19. Januar 1946 die gewalt- same Vertreibung der Deutschen aus Ungarn. Behördenwillkür, zwanzig Kilo schweres Bündel, Raufereien, Tränen und Beispie- le menschlicher Hilfeleistung: Zeitzeugen, die die Tragödie in Kir- ne/Környe als Kind erlebt haben, gedenken den Geschehnissen vor 70 Jahren. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden für die von den Nazis be- gangenen Verbrechen die deutschen Minderheiten kollektiv ver- antwortlich gemacht. Auf sowjetische Initiative hin haben die Alliierten auf der Potsdamer Konferenz abgesegnet, dass ein Teil der in Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn lebenden Deutschen nach Deutschland umgesiedelt werden muss. Inner- halb von zwei Jahren wurden in Ungarn über 200.000 Männer und Frauen, Alte und Kinder dazu gezwungen ihr Zuhause zu verlassen und mit einem Bündel ins unbekannte Deutschland aufzubrechen. Anfangs wurden diejenigen Menschen deutscher Volkszugehö- rigkeit, die Mitglied in einer Hitlerschen Organisation waren be- ziehungsweise freiwillig solches in der SS wurden, mit der Kon- fiszierung ihres Hab und Gutes bestraft. Diejenigen, bei denen man eine solche Mitgliedschaft als erwiesen ansah, wurden interniert. In ihre Häuser wurden Neusiedler („telepesek”) aus ärmeren Komitaten eingewiesen. Die Familienangehörigen der Internierten wurden bei anderen schwäbischen Familien unter- gebracht oder in ganz andere Ortschaften gebracht. Schlussend- lich legte die am 19. Dezember 1945 veröffentlichte Verordnung fest, dass all diejenigen Bürger deutscher Volkszugehörigkeit, die sich bei der Volkszählung von 1941 zur deutschen Volkszu- gehörigkeit oder Muttersprache bekannt haben, Mitglieder des Volksbunds oder der SS waren beziehungsweise ihre madjari- sierten Namen wieder germanisieren ließen, nach Deutschland umsiedeln müssen. Der erste Zug startete am 19. Januar 1946 in Wudersch, der letzte verließ im September 1948 das Land. In zwei Jahren mussten 200.000 – 250.000 Menschen ihre Heimat SoNNTAGSBLATT