Sonntagsblatt 1/2019 | Page 14

nasium besucht, aber bei den Schülern hast du in den Pausen kein einziges rumänisches Wort gehört und alle sprachen perfekt Ungarisch. Lernen Sie die deutsche Muttersprache zu Hause und die Deutschen sollen deutsch miteinander sprechen!!!”, so der Kommentar eines Herrn banatermadjarischer Herkunft an- lässlich einer Diskussion über den Sprachgebrauch im Kreise ungarländischer Nationalitäten, insbesondere der Deutschen. Bemerkenswert! Im Kommentar habe ich den Ortsnamen be- wusst gestrichen, denn dieser Ort ist überall, das grundlegende Problem fehlenden Sprachgebrauchs ist im ganzen Land anzu- treffen. Bemerkenswert, dass gerade ein Madjare, der das Prob- lem versteht, versucht, die Augen der Betroffenen zu öffnen. Das Bemerkenswerteste ist jedoch, dass das in Ungarn Vermisste für diese Person völlig normal ist. Im Messenger-Chat erzählte er mir, der Kommentator, dass ihn am meisten erschütterte, dass man hier nicht seine Muttersprache sprechen würde, was in Ru- mänien nicht einmal in den dunkelsten Jahren der Diktatur der Fall gewesen sei, wenn man nicht gegen die Parteilinie sein Wort erhob. Deswegen versteht er nach eigenem Bekunden die Argu- mentation von Ungarndeutschen nicht, wie es möglich gewesen sei, dass man den Sprachgebrauch in der Familie hat verbieten lassen können - es gab doch gar keine Kontrollmöglichkeiten. Er berichtete weiter, dass es damals in Temeswar in der Straßen- bahn völlig normal gewesen sei, dass man in mehreren Spra- chen kommunizierte, und dies nicht flüsternd. Verkehrte Welt, könnte man sagen. Von Normalitäten und Abnormalitäten An den Rand eines Aushangs Von Richard Guth vormaligen Bistums Tschanad mit Sitz Temeswar in Temeswar (Rumänien), Segedin-Tschanad (Ungarn) und Großbetschkerek (Serbien). Das Bistum wurde von 1930 bis 2018, bis zur Emeri- tierung von Bischof Martin Roos, der bis zu seiner Ernennung im Jahre 1999 in Deutschland diente, von rumäniendeutschen Geistlichen geleitet. Seit diesem Jahr steht der Diözese ein Sek- ler vor, József-Csaba Pál, der in deutschsprachigen Beiträgen stets „Josef-Csaba Pál” genannt wird. Deutschsprachige Beiträ- ge – richtig! Die Facebook-Seite der Diözese ist nämlich mehr- sprachig: Generell werden Gottesdienstordnungen, kirchliche Nachrichten und ortsbezogene Beiträge, die Ortschaften mit deutscher Bevölkerung betreffen, dreisprachig publiziert – auf Rumänisch, Ungarisch und Deutsch. Es gibt auch andere Beiträ- ge, wo es um das kirchliche Leben der Banater Kroaten geht, un- ter anderem Aufzeichnungen von Heiligen Messen, die natürlich einsprachig kroatisch sind, Predigt inbegriffen. Diese Praxis der Mehrsprachigkeit gilt auch im Falle der unten stehenden Gottes- dienstordnung der Hauptkirche „St. Georg” in Temeswar – neben der Multilingualität weist diese Gottesdienstordnung noch andere interessante Dinge auf: Es gibt jeden Sonntag eine deutschspra- chige Heilige Messe, und drei Frühmessen unter der Woche sind ebenfalls in deutscher Sprache. Angesichts der zahlenmäßigen Stärke der Deutschen in Temeswar (im Jahre 2011 lebten 4193 Deutsche in der Stadt, 1,2 % der Bevölkerung) nach dem Ex- odus der letzten Jahrzehnte eine äußerst faire Regelung. Ge- halten werden diese Messen (jedenfalls in der Referenzkirchen- woche) von einem madjarischen Priester (Péter Tamáskó) und von einem - vermutlich - kroatischen Geistlichen (Nikola Lauš). Tamáskó hält neben deutschen Messen welche in seiner Mut- tersprache, der kroatische Lauš Gottesdienste in rumänischer Sprache. Ein Kroate, der die deutsche Messe hält – wie war das nochmal in Sombor? Unser Gastgeber Herr Beck erzählte damals, dass jeder der sechs Pfarrer der Opština imstande sei deutsche Messen zu lesen. Beide Geistliche bieten zur gleichen Zeit Beichtgelegenheiten an – sicherlich kein Zufall, denn so wird gewährleistet, dass man in allen drei Sprachen – und sicher noch auf Kroatisch – seine Sünden bereuen kann. Da klingen mir die Worte von Domkanoniker Johann Palfi (Altötting) in den Ohren, mit dem wir vor zwei Jahren ein Interview geführt haben – die Pfarrer der Diözese Temeswar müssten imstande sein, das mehrsprachige Kirchenvolk in der jeweiligen Muttersprache zu betreuen. Seitenwechsel – die Seite der Diözese Fünfkirchen erwartet ihre Besucher in drei Sprachen – auf Ungarisch, Deutsch und Eng- lisch, viele Inhalte akkurat in die beiden Fremdsprachen über- setzt. Stutzig macht mich das Fehlen der kroatischen Sprache, leben doch hier Ungarnkroaten in größerer Zahl und ihr Wall- fahrtsort Jud/Máriagyűd liegt unweit des Diözesansitzes. Beim Menüpunkt „Gottesdienstordnung” erfahren wir, dass es neben ungarischen Messen solche gibt, die in Latein gelesen werden. So besteht kein Zweifel, dass die Informationen in Deutsch und Englisch lediglich touristischen Zwecken dienen. Bestärkt wird dieser Eindruck durch einen Besuch auf der Seite der Fünf- kirchner Pfarrgemeinden - diese nur noch einsprachig unga- risch. Ungerecht sollte man dennoch nicht sein, denn das Bis- tum Fünfkirchen verfügt - im Gegensatz zu anderen Diözesen wie zum Beispiel zum Bistum Weißenburg, in dem in größerer Zahl Deutsche und Slowaken leben –über einen deutschen (wie kroatischen) Referenten und man – besser gesagt das Valeria-Koch-Schulzentrum in Zusammenarbeit mit Pfr. Stefan Wigand - bemüht sich um die Wiederbelebung der Tradition der deutschen Messe in der Bischofstadt, die 1989 von Pfarrer Franz Galambos-Göller eingeführt wurde und die in regelmäßi- ger Form vor anderthalb Jahren abgeschafft wurde. Es fehlte, so die Begründung, an Gemeindemitgliedern (und wohl auch an Priestern). ű Zufälle fördern oft interessante Dinge zutage – nicht anders er- ging es mir an einem kalten Novemberabend, als ich auf die Seite des Bistums Temeswar gestoßen bin. Diese Diözese ge- hört zu den jüngeren und ist somit ein Produkt des Friedens- vertrags von Trianon: Sie entstand aufgrund der Dreiteilung des 14 Der eklatante Unterschied ist dennoch mehr als deutlich: Die Tradition der Mehrsprachigkeit (und wohl Toleranz) trifft auf die Tradition der Einsprachigkeit (und so oft Intoleranz). Dabei ist auch unsere eigene Verantwortung, die der Deutschen in Un- garn, nicht zu leugnen, wenn ich daran denke, wie leichtfertig man mancherorts mit Möglichkeiten, unsere Rechte einzuklagen, umgeht. SoNNTAGSBLATT