kaum einen Nutzwert, auch wenn diese Einschätzung mit der
wirtschaftlichen Attraktivität des nördlichen Nachbarlandes nicht
mehr viel zu tun hat, denken wir an die veränderten Migrations-
ströme im Großraum Raab-Pressburg. Dass es aber auch an-
ders geht, zeigt wiederum ein Ort in der Vojvodina namens Mara-
dik (den Artikel können Sie in der nächsten Nummer lesen, Titel:
Wiedergeburt der madjarischen Gemeinschaft in Maradik), wo
nach 37 Jahren wieder Klassen mit ungarischer Unterrichtsspra-
che gestartet wurden. Mit Unterstützung der ungarischen Regie-
rung, was die Bedeutung des Zutuns durch das Mutterland unter-
streicht. Dass Geld nicht alles ist, zeigt wiederum das Beispiel
der Minderheiten in Ungarn, denn der Durchbruch gerade bei der
Rückgewinnung der weitgehend verlorenen Muttersprache (ge-
rade in den jüngeren Generationen) lässt noch auf sich warten.
Noch einmal: Schule, d.h. Unterricht in der Muttersprache fernab
jeglicher zweisprachiger und „Nationalitäten-“ Mogelpackungen
ist/wäre der Schlüssel dazu. Ein weiteres Problem ist die man-
gelnde Sprachpraxis derjenigen, die den Kindern die verlorene
(Großmutter-) Sprache wieder beibringen müssten: Auf dieses
Problem hat neulich auch die Leiterin des Großturwaller Kinder-
gartens hingewiesen (Kunterbunt, Teil 3.1: Der Kindergarten „Ein
Herz für Kinder“, SB 04-2017). Dabei tickt gleichzeitig die bereits
erwähnte demografische Zeitbombe: Langsam stirbt die Gene-
ration, die die deutsche Muttersprache - in welcher Form und
Intensität auch immer – zu Hause noch erlebt hat.
„Kultur” - erfreulich ist es zu beochachten, wie aktiv Kulturgrup-
pen sein können. Das Sonntagsblatt stellt regelmäßig Kultur-
gruppen vor, so auch in dieser Nummer. Das rege kulturelle Le-
ben oder „Kultur” als identitätsstiftender Faktor hat beim Anstieg
der Zahl der Bekenner-Ungarndeutschen sicherlich ihren Anteil.
Sich anders (und so vermeintlich einzigartig) zu zeigen als die
08-15-Mehrheit liegt inmitten einer Welt, die sich immer mehr
individualisiert, ohnehin voll im Trend. Trotzdem stellt sich die
Frage, was es einer Gemeinschaft bringt, eine Kultur zu pflegen,
deren Sprache ihre Mitglieder nicht mehr sprechen. Gerne bringt
man in diesem Zusammenhang das Beispiel von Regionalkul-
turen wie das Bretonische und das Keltisch-Irische, wo man ja
auch ohne Sprache „auskommen würde”. Wie zart ist aber das
Pflänzchen der Bekenner-Ungarndeutschen, die nur auf einem
kulturellen Erbe beruht, das gerade in einer so schnelllebigen
Welt einfach austauschen lässt!?
Daher hat Minister Balog Recht: Es ist noch bei weitem nicht an
der Zeit, „sich zurückzulehnen”.
Wahlen
s
Die Ungarndeutschen nehmen
an den Parlamentswahlen teil
Von Stefan Bürgermayer
Am 08. April 2018 finden die nächsten regulären Parlaments-
wahlen in Ungarn statt. Diese werden die zweiten in der neueren
Geschichte der Ungarndeutschen sein, da sie 2014 – das erste
Mal nach der Wende – bereits die Möglichkeit erhielten, sich an
den Parlamentswahlen zu beteiligen. Natürlich, diese Möglich-
keit wurde nicht nur den Ungarndeutschen, sondern allen 13 an-
erkannten Minderheiten Ungarns zuteil.
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Was bedeutet aber, sich an den Parlamentswahlen zu be-
teiligen?
Bei jeder Minderheit darf die jeweilige Landesselbstverwaltung
darüber entscheiden, ob sie an den Wahlen teilnimmt oder nicht.
Anders gesagt, ob sie eine Liste aufstellt oder nicht. Wenn sie
sich für die Aufstellung einer Liste entscheidet, dann kann man
sonntagsblatt
einen Abgeordneten – man benötigt für die Wahl eine geringere
Anzahl von Stimmen wie im Falle der Direktkandidaten – ins Par-
lament schicken. Diese Vorzugsbehandlung bedeutet, dass man
25 % der Anzahl der Stimmen des letzten Abgeordneten, der von
den Parteilisten sein Mandat erhalten hat, erreichen muss. Ge-
lingt das nicht, dann sitzt für die jeweilige Minderheit vier Jahre
lang ein Fürsprecher im Parlament. Auch die Ungarndeutschen
haben 2014 die Hürde von 22.022 Stimmen nicht überspringen
können, deswegen sitzt Emmerich Ritter nun als Fürsprecher der
Ungarndeutschen im Hohen Haus in Budapest.
Reicht das Mandat des Parlamentssprechers aus, um unse-
re Ziele zu erreichen?
Die kurze Antwort lautet: nein. Die etwas ausführlichere: Mit ei-
nem Fürsprecher hat man schöne Ergebnisse erreicht, man hat
aber auch sehen können, wo die Grenzen liegen. Das Problem
ist, dass im Moment Initiativen nur in Minderheitenfragen und nur
zusammen mit den anderen 12 Minderheiten vor das Parlament
gebracht werden können. Diese Minderheiten sind aber unter-
schiedlich groß, haben völlig unterschiedliche Probleme, manche
haben sogar keine Institutionen. All das führt dazu, dass einige
Minderheiten an der Lösung der Probleme der Ungarndeutschen
eher uninteressiert sind und diverse Vorschläge blockieren. Des-
wegen wäre es nützlich, wenn man es 2018 erreichen könnte,
einen vollberechtigten Parlamentsabgeordneten ins Parlament
zu schicken. Ungarndeutsche Selbstverwaltungen gibt es seit
mittlerweile 24 Jahren. Erst seit 4 Jahren ist der Parlamentari-
sche Fürsprecher der Ungarndeutschen im Amt. Es ist bereits
sichtbar, dass man jetzt wesentlich mehr erreichen kann.
Wie könnte man einen vollberechtigten Parlamentsabgeord-
neten haben?
Um für die Liste der Ungarndeutschen abstimmen zu können,
muss sich jeder Wahlbürger bis zum 23. März 2018 in die Wäh-
lerliste der Ungarndeutschen eintragen lassen. Es ist allgemein
bekannt, dass jeder Staatsbürger an den Parlamentswahlen das
Recht hat für einen Direktkandidaten (eine Person) und für eine
Liste (eine Partei) abzustimmen. Die Ungarndeutschen auf die-
ser (Deutschen) Wählerliste entscheiden sich bereits vor den
Wahlen, dass sie lieber einen ungarndeutschen Abgeordneten
ins Parlament schicken, als dass sie sich für eine Partei entschei-
den. Ziel wäre es, die Zahl der in der Wählerliste der Ungarndeut-
schen registrierten – von aktuell über 27.000 Wählern, Stand Mit-
te Februar – auf knapp 40.000 Wahlbürger zu erhöhen. Das wäre
aus zweierlei Gründen notwendig: Zum einen, weil sich die An-
zahl der benötigten Stimmen – abhängig von allen gültig abgege-
benen Stimmen – ändert, und zum anderen, weil sich in der Zeit
bis zu den Wahlen manche Wahlbürger erkranken oder eben an-
derweitig daran gehindert werden können, sich zur Abstimmung
in die Wahllokale zu begeben. Auf diese Weise wäre das Ergeb-
nis der Wahlen: ein vollberechtigter Parlamentsabgeordneter
der Ungarndeutschen. Aufgaben hätte der neue Abgeordnete
reichlich. Es wäre äußerst elegant, wenn sich die Wähler, die
sich in die Wählerliste der Ungarndeutschen eingetragen haben,
bei den Parlamentswahlen überhaupt nicht entscheiden müss-
ten, ob sie für eine Partei oder eben für die Ungarndeutschen
abstimmen möchten (zum Beispiel ist diese Stimme in Kroatien
eine zusätzliche – sozusagen „Bonus“- – Stimme für die Regist-
rierten). Außerdem wäre es nützlich, wenn die ungarndeutschen
Selbstverwaltungen selbst entscheiden könnten, welche größere
Investitionen sie in der Zukunft unternehmen möchten, und nicht,
dass sie gegen Ende jeden Jahres die Restgelder – manchmal
auch für sinnlose Sachen – ausgeben müssen.
Wer sind die Kandidaten?
Die Liste wird von Emmerich Ritter (Wudersch/Budaörs) ange-
führt, der in der nächsten Legislaturperiode nicht mehr als Par-
(Forsetzung auf Seite 4)
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