Sonntagsblatt 1/2018 | 页面 3

kaum einen Nutzwert, auch wenn diese Einschätzung mit der wirtschaftlichen Attraktivität des nördlichen Nachbarlandes nicht mehr viel zu tun hat, denken wir an die veränderten Migrations- ströme im Großraum Raab-Pressburg. Dass es aber auch an- ders geht, zeigt wiederum ein Ort in der Vojvodina namens Mara- dik (den Artikel können Sie in der nächsten Nummer lesen, Titel: Wiedergeburt der madjarischen Gemeinschaft in Maradik), wo nach 37 Jahren wieder Klassen mit ungarischer Unterrichtsspra- che gestartet wurden. Mit Unterstützung der ungarischen Regie- rung, was die Bedeutung des Zutuns durch das Mutterland unter- streicht. Dass Geld nicht alles ist, zeigt wiederum das Beispiel der Minderheiten in Ungarn, denn der Durchbruch gerade bei der Rückgewinnung der weitgehend verlorenen Muttersprache (ge- rade in den jüngeren Generationen) lässt noch auf sich warten. Noch einmal: Schule, d.h. Unterricht in der Muttersprache fernab jeglicher zweisprachiger und „Nationalitäten-“ Mogelpackungen ist/wäre der Schlüssel dazu. Ein weiteres Problem ist die man- gelnde Sprachpraxis derjenigen, die den Kindern die verlorene (Großmutter-) Sprache wieder beibringen müssten: Auf dieses Problem hat neulich auch die Leiterin des Großturwaller Kinder- gartens hingewiesen (Kunterbunt, Teil 3.1: Der Kindergarten „Ein Herz für Kinder“, SB 04-2017). Dabei tickt gleichzeitig die bereits erwähnte demografische Zeitbombe: Langsam stirbt die Gene- ration, die die deutsche Muttersprache - in welcher Form und Intensität auch immer – zu Hause noch erlebt hat. „Kultur” - erfreulich ist es zu beochachten, wie aktiv Kulturgrup- pen sein können. Das Sonntagsblatt stellt regelmäßig Kultur- gruppen vor, so auch in dieser Nummer. Das rege kulturelle Le- ben oder „Kultur” als identitätsstiftender Faktor hat beim Anstieg der Zahl der Bekenner-Ungarndeutschen sicherlich ihren Anteil. Sich anders (und so vermeintlich einzigartig) zu zeigen als die 08-15-Mehrheit liegt inmitten einer Welt, die sich immer mehr individualisiert, ohnehin voll im Trend. Trotzdem stellt sich die Frage, was es einer Gemeinschaft bringt, eine Kultur zu pflegen, deren Sprache ihre Mitglieder nicht mehr sprechen. Gerne bringt man in diesem Zusammenhang das Beispiel von Regionalkul- turen wie das Bretonische und das Keltisch-Irische, wo man ja auch ohne Sprache „auskommen würde”. Wie zart ist aber das Pflänzchen der Bekenner-Ungarndeutschen, die nur auf einem kulturellen Erbe beruht, das gerade in einer so schnelllebigen Welt einfach austauschen lässt!? Daher hat Minister Balog Recht: Es ist noch bei weitem nicht an der Zeit, „sich zurückzulehnen”. Wahlen s Die Ungarndeutschen nehmen an den Parlamentswahlen teil Von Stefan Bürgermayer Am 08. April 2018 finden die nächsten regulären Parlaments- wahlen in Ungarn statt. Diese werden die zweiten in der neueren Geschichte der Ungarndeutschen sein, da sie 2014 – das erste Mal nach der Wende – bereits die Möglichkeit erhielten, sich an den Parlamentswahlen zu beteiligen. Natürlich, diese Möglich- keit wurde nicht nur den Ungarndeutschen, sondern allen 13 an- erkannten Minderheiten Ungarns zuteil. ___________________________________________ Was bedeutet aber, sich an den Parlamentswahlen zu be- teiligen? Bei jeder Minderheit darf die jeweilige Landesselbstverwaltung darüber entscheiden, ob sie an den Wahlen teilnimmt oder nicht. Anders gesagt, ob sie eine Liste aufstellt oder nicht. Wenn sie sich für die Aufstellung einer Liste entscheidet, dann kann man sonntagsblatt einen Abgeordneten – man benötigt für die Wahl eine geringere Anzahl von Stimmen wie im Falle der Direktkandidaten – ins Par- lament schicken. Diese Vorzugsbehandlung bedeutet, dass man 25 % der Anzahl der Stimmen des letzten Abgeordneten, der von den Parteilisten sein Mandat erhalten hat, erreichen muss. Ge- lingt das nicht, dann sitzt für die jeweilige Minderheit vier Jahre lang ein Fürsprecher im Parlament. Auch die Ungarndeutschen haben 2014 die Hürde von 22.022 Stimmen nicht überspringen können, deswegen sitzt Emmerich Ritter nun als Fürsprecher der Ungarndeutschen im Hohen Haus in Budapest. Reicht das Mandat des Parlamentssprechers aus, um unse- re Ziele zu erreichen? Die kurze Antwort lautet: nein. Die etwas ausführlichere: Mit ei- nem Fürsprecher hat man schöne Ergebnisse erreicht, man hat aber auch sehen können, wo die Grenzen liegen. Das Problem ist, dass im Moment Initiativen nur in Minderheitenfragen und nur zusammen mit den anderen 12 Minderheiten vor das Parlament gebracht werden können. Diese Minderheiten sind aber unter- schiedlich groß, haben völlig unterschiedliche Probleme, manche haben sogar keine Institutionen. All das führt dazu, dass einige Minderheiten an der Lösung der Probleme der Ungarndeutschen eher uninteressiert sind und diverse Vorschläge blockieren. Des- wegen wäre es nützlich, wenn man es 2018 erreichen könnte, einen vollberechtigten Parlamentsabgeordneten ins Parlament zu schicken. Ungarndeutsche Selbstverwaltungen gibt es seit mittlerweile 24 Jahren. Erst seit 4 Jahren ist der Parlamentari- sche Fürsprecher der Ungarndeutschen im Amt. Es ist bereits sichtbar, dass man jetzt wesentlich mehr erreichen kann. Wie könnte man einen vollberechtigten Parlamentsabgeord- neten haben? Um für die Liste der Ungarndeutschen abstimmen zu können, muss sich jeder Wahlbürger bis zum 23. März 2018 in die Wäh- lerliste der Ungarndeutschen eintragen lassen. Es ist allgemein bekannt, dass jeder Staatsbürger an den Parlamentswahlen das Recht hat für einen Direktkandidaten (eine Person) und für eine Liste (eine Partei) abzustimmen. Die Ungarndeutschen auf die- ser (Deutschen) Wählerliste entscheiden sich bereits vor den Wahlen, dass sie lieber einen ungarndeutschen Abgeordneten ins Parlament schicken, als dass sie sich für eine Partei entschei- den. Ziel wäre es, die Zahl der in der Wählerliste der Ungarndeut- schen registrierten – von aktuell über 27.000 Wählern, Stand Mit- te Februar – auf knapp 40.000 Wahlbürger zu erhöhen. Das wäre aus zweierlei Gründen notwendig: Zum einen, weil sich die An- zahl der benötigten Stimmen – abhängig von allen gültig abgege- benen Stimmen – ändert, und zum anderen, weil sich in der Zeit bis zu den Wahlen manche Wahlbürger erkranken oder eben an- derweitig daran gehindert werden können, sich zur Abstimmung in die Wahllokale zu begeben. Auf diese Weise wäre das Ergeb- nis der Wahlen: ein vollberechtigter Parlamentsabgeordneter der Ungarndeutschen. Aufgaben hätte der neue Abgeordnete reichlich. Es wäre äußerst elegant, wenn sich die Wähler, die sich in die Wählerliste der Ungarndeutschen eingetragen haben, bei den Parlamentswahlen überhaupt nicht entscheiden müss- ten, ob sie für eine Partei oder eben für die Ungarndeutschen abstimmen möchten (zum Beispiel ist diese Stimme in Kroatien eine zusätzliche – sozusagen „Bonus“- – Stimme für die Regist- rierten). Außerdem wäre es nützlich, wenn die ungarndeutschen Selbstverwaltungen selbst entscheiden könnten, welche größere Investitionen sie in der Zukunft unternehmen möchten, und nicht, dass sie gegen Ende jeden Jahres die Restgelder – manchmal auch für sinnlose Sachen – ausgeben müssen. Wer sind die Kandidaten? Die Liste wird von Emmerich Ritter (Wudersch/Budaörs) ange- führt, der in der nächsten Legislaturperiode nicht mehr als Par- (Forsetzung auf Seite 4) 3