Sonntagsblatt 1/2016 | Page 29

rokscharer Ballkleidern von Barbara – meiner Mutter – eine gute Figur abzugeben. Sie baten Mutter um ihr Ein verständnis und nach deren Zusage begann das Anprobieren. Bei den Bauern - töchtern passten die Kleider ganz gut. Als Mutter den beiden noch eröffnete, dass sie in unserem Weidenkorb noch zwei farblich pas- sende Unterkleider neuester „Budapester Mode” aus Kunstseide!! habe und diese ihnen auch zu Verfügung stellen würde, machte sich fast „Weihnachtsstimmung” in der Familie breit… So war vor allem für meinen Vater ein Frusttag zu einem guten Ende gekommen! Wir Ungarn-Flüchtlinge wurden ab jetzt in einem anderen Lichte gesehen. Im Übrigen fanden bei der Hoch - zeit Kaspars Schwestern mit dem „Budapester Mode-Outfit” jeweils einen reichen Hoferben, der dann später auch geheiratet wurde!! So konnten wir der Altbäuerin, die sich schon Gedanken machte, dass ihrer Töchter (27, 25) keinen Freier finden würden, aus ihrer Sorge befreien!! Der Rest der Woche war von der Heuernte geprägt, wobei am Samstag noch ein wichtiger Tag uns bevorstand: der Backtag der beiden Höfe. Schon früh am Morgen wurde der Backofen, der sich im gemeinsamen Backhaus der Höfe befand, angezündet und mit großen Holzscheiten langsam auf Temperatur gebracht. Sechs Frauen aus den beiden Höfen einschließlich der beiden „Flücht - lingsfrauen” waren mit der Herstellung einer riesigen Teigmenge beschäftigt. Es wurden ausschließlich reines Roggenmehl und Sauerteig verwendet. Meine und Marias Mutter zeigten sich bei Arbeit als sehr geschickt, hatten sie doch zu Hause in Schorokschar auch Brot für die Familie gebacken, meist aber Weißbrot, welches aber beim Bäcker gebacken wurde. Im Übrigen war das „Schorokscharer Brot”, das von etwa zwei Dutzend privaten Bäckern auch in gro- ßen Mengen nach Budapest geliefert wurde, sehr gefragt und äußerst beliebt. Da es hier aus Roggenmehl hergestellt wurde, war es die würzige Alternative zum in Ungarn überwiegenden Weißbrot aus reinem Weizenmehl. Für die beiden Mayer-Familien wurden alle zwei Wochen etwa zwanzig „Acht-Pfünder-Bauern-brote” (4 kg) gebacken. Wir Kin - der standen in der Backstube und sahen dem geschäftigen Treiben zu. Bald war dann der Teig fertig und wurde portioniert. Nachdem „Gehen” wurde dann die erste Tranche der Brote in den Ofen geschossen. Dies war für uns alles sehr interessant, doch wir konn- ten nicht der ganzen, stundenlangen Prozedur beiwohnen. Hildegard eröffnete uns aber, dass wir am Ende des Brotbackens noch mit dieser besonderen „Delikatesse” aus dem Ofen ver- wöhnt würden! Darauf freuten sich alle Bewohner der Gehöfte. Wir waren sehr gespannt, was uns da kulinarisch bevorstand. Mittlerweile war es spätnachmittag geworden und wir fanden uns wieder am Backhaus ein. Die duftenden fertigen Brote kühl- ten auf einem Großregal ab. Die Frauen waren bereits mit der Zubereitung der Delikatessen-Zutaten beschäftigt: zerkleinerten Zwiebeln, „Kartoffelschmiere”, Grieben, Speck- und Rauch - fleisch würfel, Schnittlauch und Sauerrahm. Von einem bestimm- ten Restteig des Brotbackens wurden große runde Fladen herge- stellt. Mit den Zutaten wurden diese belegt bzw. bestrichen und ab ging es in den Backofen. Nach kurzer Backzeit waren die „Hitzkuchen” fertig und verströmten einen unwiderstehlichen Duft. Alle Bewohner der Gehöfte hatten sich eingefunden und ließen sich die leckere „Schwäbische Pizza” schmecken. Hildegard hatte uns nicht zu viel verspochen, obwohl ich eigentlich mit einer „süßen” Spezialität gerechnet hatte! Morgen, am dritten Sonntag auf dem Hof, wollten unsere Väter mit uns in die Kerngemeinde zum katholischen Gottesdienst ge - hen. Die beiden Männer versprachen sich davon, nicht nur geist- lichen Beistand, sondern auch viele Neuigkeiten; hatte man doch die letzten Wochen sehr „isoliert” gelebt. Verrückte Traumwelt in der Wüste Durch Nevada und Las Vegas Von: Hans Dama Wasser formt die Wüste – typische Landschaft in der Sierra Nevada Als ich noch als kleiner Junge in der Großsanktnikolauser Alt - gasse über Karl May und den „Lederstrumpf” die ersten Ame - rika-Vorstellungen vermittelt bekam, die sich im Laufe der Zeit durch die Massenmedien vervollkommneten, spielte die Fantasie eine entscheidende Rolle. Doch die Wirklichkeit weicht vom ima- ginär geprägten Bild meistens erheblich ab. Auf einer mehrwöchi- gen Amerika-Reise, die mich auf über 6000 Straßen- und 10 000 Flugkilometern durch mehrere Bundesstaaten im Osten und Wes - ten der USA führte, hatte sich die Möglichkeit geboten, das wirk- liche US-Amerika kennenzulernen. Hier einige Momentein - drücke aus Nevada und Las Vegas. Bei Mesquite erreichen wir den Wüstenstaat Nevada, das Land der Glücksspiele. Einen Vorgeschmack auf Las Vegas bietet das Casino des kleinen Städtchens, wohin wir vor der Mittagsglut flüch teten: Mittagsbuffet, und jeder Tisch ist gleichzeitig Spiel - tisch, mit zig Zahlenvordrucken ausgestattet, auf denen bloß sie- ben Zahlen anzukreuzen sind, fünf richtige bringen einen Ge - winn. Mit drei US-Dollar Einsatz hat die blonde Barbara am Nebentisch 300 Dollar gewonnen. Die richtige Einstimmung auf Las Vegas... Spielhölle im Sand Mittwoch, 15 Uhr: Wir erreichen Las Vegas. 48°C Schatten tempe - ratur. Wir stürzen aus dem klimatisierten Bus ins Hotel Excalibur, benannt nach dem Schwert König Arthurs, ein einem mittelalter- lichen Schloss ähnelnder Monsterbau mit vier Riesentürmen: 4032 Betten. Vom 26.Stockwerk gleiten unsere Blicke über den Schwesterbau, das pyramidenförmige Luxor-Hotel, in dessen Erdgeschoß man in Booten auf einem Pseudomini-Nil dahinpad- deln kann. Las Vegas – eine Traumwelt in der Wüste, die von der Leiden - schaft oder vom Laster, wohl vereint in der Spielsucht, lebt. Doch man gibt sich gerne familienfreundlich, indem auch für die Klei - nen und Kleinsten geldlose Spielautomaten aufgestellt sind. Das Prinzip, Geld den Besitzer wechseln zu lassen, ist einfach: In den riesigen Hotelhallen stehen einarmige Banditen, Roulette-Tische, an denen rund um die Uhr gespielt werden darf. Geldwechsler schieben ihr Wägelchen vor sich hin. Superminirockdamen brin- gen eisgekühlte Getränke. Im ersten Stock sorgen Restaurants, Buffets, Cafès usw. für Stärkung, lindern die Enttäuschung oder laden, wenn das Glück mal zugeschlagen haben sollte, zum Feiern ein. Erst ab dem 3. Stockwerk sind die Hotelzimmer unterge- bracht. Man lockt den Gast mit relativ preiswerten Zimmer - preisen, damit er sein Geld anbringe. Die 24 Milli onen Besucher pro Jahr bescheren der Stadt zwei Milliarden Dollar Gewinn. Erst ab 750 Dollar Gewinn muß der Glückliche 30 Prozent Steuern zahlen. Die Einwohner Nevadas hingegen sind befreit von der Lohn- und Einkommenssteuer. Abends erst erwacht die Stadt in der Wüste im bunten Lichterglanz zum Leben: Da stehen sie, die Spielhöllen Treasure Island, Cesar’s Palace, Circus Maximus, Aladin, Flamengo, MGM (Fortsetzung auf Seite 30) 29