Sonntagsblatt 1/2015 | Page 27

• Zum Feierabend •
sb15-1 : sb14-2 . qxd 2015.02.12 . 8:44 Oldal 27
breiteten Hauptschrift , des „ Katechismus des Proletariers ”, ein vorderer Platz unter den Vorkämpfern der europäischen Arbei - terbewegung .
Diese Monographie ist vor allem für Leser zu empfehlen , die sich für die Geschichte der europäischen Arbeiterbewegung interessieren . Der Verfasser : Prof . Dr . Rudolf Kern ( geb . 1938 ), war bis 1998 Professor für germanistische Linguistik an der französischsprachigen „ Katholi - schen Universität Löwen ” ( Université Catholique de Louvain ) und zeitweise auch an der flämischen Universitätsfakultät St . Aloysius , jetzt „ Katholische Universität Brüssel “ ( Katholieke Universiteit Brussel ) in Belgien . Seit seiner Emeritierung wendet er sich vornehmlich historischen Themen zu . Er lebt seit 2012 in Rülzheim , nahe der elsässisch-deutschen Grenze , und arbeitet zurzeit an Viten aus der Merowingerzeit .
N . B . Ebinger

• Zum Feierabend •

Der erste Schwabenball

Veranstaltet vom Ungarländischen Deutschen Volksbildungsverein – vor 90 Jahren
Vergebens suchen wir in der Chronik nach einem solchen Tag , wie es der 1 . Februar 1925 war . Wohl gab es Feste , an welchen einzelne Gemeinden oder gar aneinanderliegende Gegenden teilnahmen , die somit als wahre Volksfeste bezeichnet werden können .
Doch mehr als all dies bedeutet für uns ungarländische Deut - sche der erste Schwabenball . Es war eigentlich mehr als ein Ball . Ein freundschaftliches , fröhliches Beisammensein eines ganzen Volkes , von der tiefsten Wurzel bis zum höchsten Ast und Zweig , vom einfachen grünen Blatt bis zur schönsten Blüte , alle Ge - sellschaftsklassen , von der höchsten bis zur geringsten , ob Militär oder Zivil , waren vertreten . Und all diese Klassen umschlang ein starkes , gemeinsames Band , das Bewusstsein , dass wir Söhne eines Stammes , Zweig und Ast , Blatt und Blüte ein und desselben Bau - mes sind .
Der Saal des Ofner Katholikenklubs war viel zu klein , um alle Gäste aufzunehmen . Denn nicht nur aus der nächsten Umgebung , aus Budaörs , Törökbálint , Solymár , Zsámbék , Torbágy , Csepel , Promontor , Sachsenfeld strömten die Schwaben massenweise herbei . Selbst aus den entlegensten Teilen des Landes , aus der unteren Baranya und Tolna , aus dem Szegediner Zipfel und der Arader Gegend , aus dem Bakonyer Wald und aus Westungarn hatten sich Vertreter eingefunden .
Aus Budapest selbst nahm alles teil , was nur Herz für unsere Sache , für das schwäbische Volk in Ungarn hat .
Eine Namensliste über den Schwabenball wäre wohl die interessanteste der heutigen Ballchronik . Aber warum Namen aufzählen ? Es genügt zu sagen , dass das ganze schwäbische Volk in Ungarn vertreten war und zwar so zahlreich , dass der Saal die Menschen kaum fassen konnte .
Elegante Abendkostüme in buntesten Farben mischten sich in harmonischer Wirkung mit dem schlichten dunkelblauen Joppen unserer Dorffrauen und den anmutigen Farben der bunten Klei - dung unserer schwäbischen Dorfmädel . Herren in Lack und Frack , Offiziere mit goldenen Krägen und einer ganzen Reihe von Auszeichnungen an der Brust , standen zwischen den Gruppen vom Lande . Der Lackschuh und die gebügelte Hose genierten sich garnicht vor den glänzenden Röhrenstiefeln und der „ Janker ” passte ganz gut neben dem eleganten Frack und Smoking .
Als der Tanz begann , kam erst recht schwäbische Stimmung in den Saal . Währen der kleinen Pausen gab der deutsche gemischte Chor einige herrliche Lieder zum Besten , bis dann um Mitter - nacht der Wettbewerb um den Kirchweihstrauß losging .
Hier leistete Mediziner Röthen als Versteigerer das seinige mit so viel Gemütlichkeit und Geschicklichkeit , dass es ihm gelang , den Strauß bis auf vier Millionen und 200 000 Kronen hinaufzutreiben , für welchen Preis ihn der Mediziner Neun aus Nagyág erstand und Marie Treier aus Budaörs als Vortänzerin überreichte . Um einen Tanz mit der hübschen Vortänzerin erlegte dann jedermann ob jung , ob alt , ob großer Herr oder schlichter Mann , gerne sein Scherflein .
Der Tanz währte bis in die späten Morgenstunden hinein . Und als es dann scheiden hieß , rief man sich gegenseitig zu : Auf frohes Wiedersehen am nächsten Schwabenball !
Aus „ Deutscher Volkskalender für das Jahr 1926 ” ( Jahrbuch des UDV ) – Verfasser unbekannt

❖ mein ( ungarn- ) deutschtum ( 17 )

Was bedeutet für mich , eine Ungarndeutsche zu sein ? – Lehrerin und Tscholnoker Kulturschaffende Eva Priegl über die Facetten ihrer Identität Ein Beitrag von Richard Guth
Eva Priegl : Ich wurde neulich gefragt , was es für mich bedeutet , eine Ungarndeutsche zu sein ? Die Antwort in einem Wort : mein Leben .
Alle meine Vorfahren sind deutscher Abstammung , die Mut - tersprache meiner Eltern ist der Dialekt und mein ganzes Leben wurde dadurch bestimmt und beeinflusst . Ich war in der Grund - schule immer die Beste in Deutsch , mein Lieblingsfach war Deutsch und meine Lieblingslehrer waren immer meine Deutsch - lehrer . So war es auch kein Wunder , dass ich im Deutschen Klassenzug des Kossuth-Gymnasiums in Budapest weitergelernt habe – das Abitur habe ich im neugegründeten Deutschen Nationalitätengymnasium Budapest abgelegt . Es war auch kein Zufall , dass ich Deutschlehrer geworden bin und meine Laufbahn im DNG Budapest begonnen habe .
Inzwischen habe ich auch in meinem Heimatdorf angefangen in verschiedenen Bereichen der „ schwäbischen ” Kultur mitzuwirken : Wir haben eine Tanzgruppe geründet , ich habe im Chor mitgesungen und war Gründungsmitglied des Ungarndeutschen Kulturvereins .
Ich war immer stolz auf meine Herkunft und habe auch immer davon profitiert . Ich habe mich immer reicher gefühlt als meine ungarischen Mitmenschen , denn ich hatte ein klares Selbst be - wusstsein .
Von deutschen Bekannten wurde ich einmal gefragt , ob ich eine Ungarin bin oder eine Deutsche . Ich bin eine Ungarndeutsche . Meine Muttersprache ist das Ungarische und vieles verbindet mich mit diesem Land : Es ist meine Heimat , ich bin hier zu Hause . Trotzdem bin ich keine Ungarin / Madjarin . Eine Deutsche bin ich aber auch nicht , denn zu Deutschland habe ich keine Bindungen . Ich betrachte das Land zwar nicht als ein fremdes Land , aber ich fühle mich dort dennoch fremd .
Ich bin also eine in Ungarn lebende Deutsche mit ungarischer Muttersprache und einer Art deutscher Identität . Diese Identität besteht darin , dass ich alle Traditionen , Sitten , Alltags- und Festbräuche meiner Ahnen mit großem Interesse erforsche und es für wichtig halte , sie den Kindern weiterzugeben . Ich kann mein Ungarndeutschtum am besten so erleben , wenn ich über die alten Zeiten immer mehr erfahre . Ich mag es sehr , mit alten Leuten über die alten Zeiten zu reden . Natürlich ist die Sprache auch ein
( Fortsetzung auf Seite 28 )
27