Sonntagsblatt 1/2022 | Page 8

Es ist von außerordentlicher Bedeutung , dass die Nationalitätenangehörigen zahlreich ihre Muttersprache bewahren , denn sie ist das wichtigste Mittel der kulturellen Bindung und Identität . Ich lebe in Stuhlweißenburg – in der Umgebung gibt es zahlreiche auch von Slowaken und Schwaben bewohnte Ortschaften , in den aber die eigene Muttersprache nur von wenigen gesprochen wird . Es würde mich freuen , wenn die nächste Generation die Bewahrung , das Neuerlernen und die Weitergabe der Muttersprache als wichtig erachten würde , denn einen solchen Schatz , eine solche Tradition darf man nicht verlieren beziehungsweise aufgeben . Ich hoffe , dass ich in absehbarer Zeit - beispielsweise beim Spaziergang durch Pußtawam - wieder des Öfteren deutsches Wort höre . Die sprachliche und kulturelle Vielfalt ist von besonderem Wert ; wir müssen für deren Bewahrung etwas tun und die Grundlagen und Voraussetzungen dafür schaffen .
Man muss sich aber auch der historischen Traumata angemessen annehmen , wie beispielsweise der Vertreibung von Nationalitätenangehörigen und des Bevölkerungsaustausches . Die Fehler und Sünden der Vergangenheit kann man nicht mehr korrigieren , aber in der Gegenwart können wir dem mit dem nötigen Respekt begegnen und alles dafür tun , dass die einst aus der Heimat Vertriebenen und ihre Nachfahren mit guten Gefühlen heimkehren , den Kontakt mit den Bewohnern ihres ehemaligen Vaterlandes pflegen und sich an der Entwicklung bilateraler , gar städtepartnerschaftlicher Beziehungen beteiligen .
Im Bereich des kirchlichen Lebens halte ich die muttersprachliche Liturgie an möglichst vielen Orten für wichtig . Neben dem muttersprachlichen Unterricht ist sie die andere unsichtbare Stütze , ohne die das Überleben unvorstellbar ist . Wir werden alles für angemessene Rahmenbedingungen tun .

AKTUELLES

Zwei Nationalitäten , eine Region

Wenn Slowaken und Deutsche gemeinsam feiern
Von Richard Guth
„ Es war so wie immer bei mir – ich habe nachts einen Traum gehabt . Gleich morgens rief ich alle Betroffenen an und schilderte meine Idee . Alle sagten zu , die Planungen konnten beginnen ”, erinnert sich Zoltán Molnár . Der Traum bezog sich diesmal auf einen slowakisch-schwäbischen Ball - als Zeichen der Verbundenheit beider Nationalitäten . Molnár selbst ist Sinnbild für diese Verbundenheit , denn väterlicherseits stammt er aus einer schwäbischen Familie aus Werischwar / Pilisvörösvár , mütterlicherseits hingegen aus einer slowakischen aus Sande / Santov / Pilisszántó in der Nachbarschaft der 14.000 Einwohner zählenden Kreisstadt . „ Ich bin Ungar mit schwäbischen und slowakischen Wurzeln ”, so der 40-jährige Musiker , Leiter der Sandemer Blaskapelle Pilišska Kapela .
Während früher die Sandemer ( wegen ihrer infolge des Kalksteinabbaus weiß verdreckten Arbeitskleidung ) wenig schmeichelhaft als Kohlischlowaken bezeichnet wurden und die Werischwarer Schwowen auch umgekehrt wenig Anerkennung von den Sandemern erfuhren , herrscht heute auch nach Molnárs Eindruck ein reger Austausch , was auch oft in Mischehen - oder mittlerweile mehrfachen Mischehen - mündet . Auch die Musik , die die Blaskapellen der Region - ob slowakisch oder schwäbisch - spielen , sei sehr ähnlich - größtenteils böhmischen und mährischen Ursprungs . Auch viele Tänze , die der bekannte und früh von uns gegangene Werischwarer ungarndeutsche Choreograph Josef Wenczl einstudieren ließ , hätten einen ähnlichen Hintergrund .
Beste Basis für den Slowakisch-Schwäbischen Ball , der Mitte November zum zweiten Mal stattgefunden hat . Die Pionierveranstaltung war im Frühjahr 2019 in Sande . „ Der Plan war , dass der Ball in dem einen Jahr in Sande , im nächsten in Werischwar stattfinden soll - als eine Art Tradition . Das Pandemiegeschehen machte diese Pläne zunichte und da der zweite Ball im Spätherbst nicht im Bierzelt stattfinden konnte , war der Veranstaltungsort wieder Sande . Aber die Entscheidung fiel auch hier in letzter Sekunde . Wir hoffen , dass der dritte Ball 2022 bereits in Werischwar stattfinden kann ”, so Molnár .
Denn auch musikalisch ist die Zusammenarbeit zwischen den beiden Pilisch-Gemeinden eng : So musizieren viele Werischwarer in der vor sechs Jahren gegründeten Hobbykapelle Pilišska Kapela und auch umgekehrt begann die Karriere des Halb-Werischwarers in der schwäbischen Band Donaupower . Wenngleich nach Molnárs Eindruck das Interesse der Jugend am Musikmachen in den letzten 25-30 Jahren insgesamt deutlich abgenommen habe , erfreue sich die Festkultur weiterhin größter Beliebtheit im Kreise junger Menschen . Das bestätigt auch Molnárs
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