Sonntagsblatt 1/2022 | Page 20

„ Der Name ist ein Stück des Seins und der Seele .” ( Thomas Mann )

Einige Gedanken zur Namensmagyarisierung

„ Der Name ist ein Stück des Seins und der Seele .” ( Thomas Mann )
Von Robert Becker
Ein Name ist , nach einer aktuellen wissenschaftlichen Definition , „ ein verbaler Zugriffsindex auf eine Informationsmenge über ein Individuum “. Viele Jahrhunderte hindurch trugen die Menschen nur Rufnahmen , bei deren Wahl man danach trachtete , dass der Name in gewisser Hinsicht das Wesen eines Menschen wiederspiegelt . Diesen Vorsatz hat auch Platon ausgesprochen , indem er meinte , dass die Namenserteilung kein gleichgültiges Anliegen sei und so nicht vom Zufall abhängen sollte . Kurz gefasst : nomen est omen !
Bekanntlich lagen unseren heutigen Familiennamen , die aus Beinamen entstanden sind , ganz unterschiedliche Benennungsmotivationen zugrunde : innere und äußere Eigenschaften des Trägers , dessen Beruf , die lokale oder ethnische Bezeichnung seiner Herkunft . Es sind also Namen , die dazu dienten , das Individuum in der Gemeinschaft von allen anderen abzugrenzen und eindeutig zu identifizieren . Beinamen gelten jedoch erst ab dem Punkt als Familiennamen , wenn sie weitervererbt werden .
In den deutschsprachigen Ländern hat sich das zweigliedrige Namenssystem im 12 . Jahrhundert entwickelt . In anderen Regionen , unter anderem in Russland , befolgt die Namenstradition mit der Angabe des Vaternamens ein dreigliedriges System , woraus ersichtlich ist , dass das jeweilige kulturelle Umfeld sich schon in der Form der Namen stark widerspiegelt . Obwohl heutzutage die Wahl der Vornamen meist weniger traditionsbewusst und eher von der Mode bestimmt erfolgt , sind Namen doch weitaus mehr als nur eine willkürliche Bezeichnung einer Person . Sie sind Träger von kulturellen Eigenheiten . Familiennamen verbinden unverkennbar die Reihe von Generationen miteinander und signalisieren die verwandtschaftliche Verbindung von Personen gleicher Abstammung .
Doch , dies alles trifft nur solange zu , bis in diesen Prozess nicht von außen willkürlich eingegriffen wird . Blickt man in die zurückliegenden Jahrhunderte ungarländischer Magyarisierungsbestrebungen zurück , so wird man bald nicht mit Sicherheit behaupten können , ob die staatsklerikalen Kreise , die Gelehrtenschicht oder aber erwachende Hungaristen im Adel beziehungsweise im aufstrebenden Bürgertum sich durch einen entschlosseneren Eifer ausgezeichnet haben . Wir wollen hier in erster Linie die Rolle der katholischen Kirche unter die Lupe nehmen .
Die heutige Praxis der Kirchenbuchführung wurde auf der 24 . Sitzung des Konzils von Trient ( 1563 ) festgelegt . Für die durch die Türkenkriege verzögerte Umsetzung der Beschlüsse des Konzils von Trient sorgte in Ungarn das Diözesankonzil von Tyrnau im Jahr 1611 . Die Sprache der katholischen Matrikel war meist Latein . 1840 wurde gemäß des Gesetzes 1840 , Art . VI ., § 7 . verordnet , dass „ an allen Orten , an denen die geistlichen Ansprachen an die Gemeinde nicht in ungarischer Sprache gehalten werden , die Matrikel drei Jahre nach Auflösung des gegenwärtigen Landtages in ungarischer Sprache zu verfassen sind “ 1 . So erfolgte die Matrikelführung von 1843 bis 1850 auf Ungarisch . Hierbei soll erwähnt werden , dass auf Anordnung des Fünfkirchner Bischofs Baron István Szepesy ( der auch wohlbemerkt 1825 , am ersten Landtag der Reformzeit , der erste Redner im Oberhaus war , der sich auf Ungarisch zu Wort meldete ), die Matrikel in den Pfarren seines Bistums bereits schon Jahre vor der allgemeinen Regelung , nämlich ab 1833 in ungarischer Sprache geführt wurden , was in einigen Kirchenbüchern wie folgt auch vermerkt wird : „ Auf Wunsch des Landes , auf Anregung der spektablen und illustren Komitate und auf Anweisung des Komitatsbischofs , Baron Ignác Szepessy , werden die Matrikel fortan auf diese Weise und in der Landessprache geführt .” 2
Parallel zu der Benutzung der ungarischen Sprache in den katholischen Kirchenbüchern erscheint die ungarische Schreibweise der früher in lateinischer Form geführten Taufnamen , dessen zum Trotz , dass diese Formen vermutlich mit den gebräuchlichen Rufnamen der verschiedenen Nationalitäten nicht im Einklang waren . Obwohl der Versuch einer zentralen , gesetzlich geregelten und vereinheitlichten ungarischen Vornamensführung erst wesentlich später mit dem Inkrafttreten der staatlichen Matrikelführung ab 1895 erfolgt 3 , ist die oben genannte Bestrebung als früher Vorreiter einer uniformierten , vereinheitlichten und der ungarischen Norm untergeordneten Namensführungstradition zu werten . Somit treffen wir in den Kirchenbü-
1 https :// net . jogtar . hu / ezer-ev-torveny ? docid = 84000006 . TV & searchUrl =/ ezer-evtorvenyei % 3Fpagenum % 3D27 ( Übers . d . Verf .)
2 Vgl . Taufmatrikel der Pfarre Szebény / Komitat Baranya ( Übers . d . Verf .) ( Hungary , Catholic Church Records , 1636- 1895 ; Film Nr . 004658391 S . 38 ; https :// www . familysearch . org / ark :/ 61903 / 3:1:939J-65NB-1 ? i = 37 & cc = 1743180 )
3 Das strategische Verfahren bezüglich fremder Namen hat das Innenministerium per Dekret erfasst : Der Grundpfeiler dafür war das „ Prinzip der ungarischen Vornamenregistration “, die im Erlass Nr . 86.225 / 1895 B . M . M . formuliert wurde und bereits im Oktober 1895 festgelegt hat , dass die in demselben Erlass in der dort veröffentlichten „ Liste der nicht-ungarischen Vornamen “ ( 1893 / 1895 ) vorkommenden Namen ausschließlich ungarisch eingetragen werden dürfen , eventuell mit der begleitenden Führung der „ ursprünglichen Form “ in Klammern .“ ( Übers . d . Verf .)
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