SmartWeekly 06.03.2020 | Page 17

Aktuell 17 KOLUMNE Kassensturz von Lutz Rossmeisl, Brancheninsider Amazon ist immer für eine Überra- schung gut. Geht es nach den neu- esten Plänen des Online-Giganten, dann müssen sich Kunden der kassenlosen Amazon-Go-Stores beim Bezahlen künf- tig durch ein Verfahren identifizieren, mit dem man bislang Verbrecher überführte – nämlich per Fingerabdruck. Ehrlich gesagt ist mir das Bezahlen mit einem Lächeln lieber. Denn neben dem Finger­abdruck gehört auch der Iris-Scan zu den Herkömmliche biometrischen Au- Kassensysteme torisierungsver- fahren, die künftig sind bald reif beim Bezahlen im fürs Museum. Supermarkt ge- nutzt werden könnten. Laut Branchenverband Bitkom bringen die Deutschen der Gesichtserkennung als Autorisierungsmittel weniger Vertrauen entgegen. Außerdem finde ich es einfach netter, wenn man durch ein Lächeln oder Augenzwinkern einen Bezahlvorgang autorisieren kann. Amazon betreibt derzeit 21 kassenlose Supermärkte in den USA. Erste Pilotpro- jekte gibt es auch schon in Deutschland und Österreich. Die Entwicklung zeigt: Her- kömmliche Kassensysteme, so smart sie auch sein mögen, sind bald reif fürs Mu- seum. Mobile Pay- Internetwährungen ment, biometrische Bezahl-Verfahren werden unser und kassenlose gesamtes Banken- Einkaufsmärkte sind im Trend und system umkrempeln. begleiten die digita- le Transformation. Mit anderen Worten: Die Registrier­- kasse hat ausgedient. 140 Jahre nach ih- rer Erfindung wird sie vom Thron gestürzt. Der „Kassensturz“ ist im Geldsektor nicht die einzige Folge des digitalen Wandels. Experten sind davon überzeugt, dass In- ternetwährungen als Alternative zum Pa- piergeld unser gesamtes Bankensystem umkrempeln werden. Zu den Big Playern auf diesem Gebiet wird zweifellos auch Amazon gehören – auch wenn der Konzern erst in ei- Amazon wird nigen Jahren über zum Big Player die Schaffung einer eigenen Währung auf dem Markt der wie Facebooks Kryptowährungen. Libra-Projekt nach- denken will. Libra, deren Einführung für 2020 geplant war, letztlich aber scheiterte, war im Unter- schied zu Bitcoin sowohl Währung als auch Plattform für Smart Contracts. Was uns die Zukunft an Überraschungen auch noch bringen mag – es wäre schade, wenn wir auf Amazon-Coins verzichten müssten. Denn die Vorstellung ist einfach zu schön, dass Amazon-Chef Jeff Bezos, derzeit reichster Mann der Welt, in seinem virtuellen Geldspeicher eines Tages genau- so genussvoll herumschwimmen könnte wie Dagobert Duck, sein Bruder im Geiste, der sich bekanntlich mit großen Hecht- sprüngen in reale Geldspeicher stürzt. Der einzige Unterschied: Onkel Dagobert ist eine Comic-Figur. Jeff Bezos nicht. Lutz Rossmeisl blickt auf mehr als 40 Jahre Branchen­ erfahrung zurück und besitzt höchste Fachkompetenz. Er diskutiert und analysiert aktuelle Marktentwicklungen und bringt Themen gekonnt auf den Punkt.