SchollZ SchollZ 12/2019 (Ausgabe 23) | Page 62

Ein Tag im Leben des Norcross Harmon T EXT  J AN  E RIK  W ELHAUSEN    Z EICHNUNG  E BRU  D URSUN Im Jahr 2018 habe ich bei der Jugendbuch AG die Geschichte „Arbeiter Nr. 174“ veröffentlicht. Im kommenden Jahr wird es eine Fortsetzung geben. Allerdings wird es keine Fortsetzung im eigentlichen Sinne, da ich die Vorgeschichte erzählen werde, die den Titel „Arbeiter Nr. 1“ tragen wird. Da es bis zu der Veröffentlichung aber noch ein wenig dauern wird, erhaltet ihr hier schon einmal einen kleinen Vorgeschmack. Im Folgenden lest ihr den Prolog zu „Arbeiter Nr. 1“. Es war vormittags um 8:36 Uhr. Kinder gingen zur Schule, Erwachsene arbeiteten. Auch ein bestimmter Grundschüler namens Norcross Harmon tat es. Er saß an seinem Schreibtisch und machte seine Matheaufgaben. Er arbeitete äußerst langsam und Schweißperlen liefen sein Gesicht herunter. Seine strenge Lehrerin, Mrs. Myers, machte den Stress noch schlimmer. Der Respekt vor ihr war groß. Nein, es war kein Respekt. Es war Angst. In der letzten Klassenarbeit hatte sie ihm eine sechs gegeben. Nochmal so etwas und er würde eine Klasse wiederholen müssen. Das könnte zu großen Problemen mit seinen Eltern führen. Und dann kam sie: Mrs. Myers kam mit einem bösen Blick auf Norcross zu und fragte: „Norcross Harmon, wie weit bist du?“ „Aufgabe 2, Mrs. Myers…“, antwortete er stotternd. „Dein Ernst?“, fragte sie. „Ich habe dir eine halbe Stunde für diese Aufgaben gegeben und du bist erst bei Aufgabe 2? Aufgabe 1 schafft man doch locker in fünf Minuten!“ „Aber ich bin doch erst 9!“, erwiderte Norcross. „Sie sind auf einem ganz anderen Niveau.“ „Aber deine Mitschüler haben es tatsächlich in ca. 5 Minuten geschafft. Ich fange an zu glauben, dass du mein schlechtester Schüler bist.“, gab die Lehrerin zu. „Sowas darf man doch nicht sagen! Das ist gemein! Schüler sollten zu Lehrern aufschauen können. Doch Sie scheinen das nicht zu verstehen. Sie setzen mich täglich unter Druck und ärgern mich. Es reicht mir! Ich will Sie nie wieder sehen! Ich hasse sie!“, schrie Norcross und fing an zu weinen. „Das wäre dann wohl eine sechs für die Stunde, Norcross.“, sagte Mrs. Myers diabolisch. „Ich freue mich schon dich in zehn Jahren auf der Straße zu sehen.“ Nachdem sie das gesagt hatte, ging sie zu einem anderen Schüler. Norcross wachte auf. 62 Er war weder in einem Klassenzimmer, noch war er ein 9- jähriger Grundschüler. Er war ein 24-jähriger Mann, der bei seiner Arbeit eingeschlafen war. Er wurde von einer lauten und dunklen Stimme geweckt. Als er aufwachte, sah er einen circa 60-jährigen, mit böser Miene guckenden Mann vor sich stehen. Es war sein Chef. „Schon wieder bei der Arbeit eingeschlafen, Mr. Harmon?“, fragte er und blickte Norcross weiterhin finster an. „Es tut mir wirklich leid, Mr. Sherman, aber ich konnte nicht anders.“, antwortete Norcross. „Immer wenn ich zur Arbeit komme, bin ich verdammt müde und kann mich nicht lange wachhalten!“ „Das wäre dann schon das vierte Mal in diesem Monat. Sagen sie mir aber: Wieviele Papiere haben sie denn heute schon bearbeitet?“, fragte der Chef, nachdem er Norcross‘ jämmerliche Entschuldigung gehört hatte. „Leider nur zwei, Mr. Sherman.“, antwortete Norcross. „Alles klar…“, sagte Mr. Sherman. „Dann empfehle ich ihnen … GEHEN SIE SOFORT NACH HAUSE UND SCHLAFEN SIE SO LANGE, WIE SIE WOLLEN! SIE SIND HIER HEUTE NÄMLICH NICHT LÄNGER ERWÜNSCHT! PACKEN SIE IHRE SACHEN!“ Nachdem Mr. Sherman das gesagt hatte, ging er in eine andere Abteilung und Norcross fing an seine Sachen zu packen. Kurz bevor er fertig war fragte ihn jemand: „Norcross, was macht du denn da?“ Als Norcross das hörte, drehte er sich um, um zu gucken, wer das gesagt hatte. Wie sich dann herausstellte war es ein langjähriger Freund von ihm namens Derrick Nixon. „Ich packe meine Sachen, Derrick!“, antwortete Norcross. „Es sieht nämlich so aus, als hätte der gute alte Mr. Sherman mal wieder total den Verstand verloren.“ „Oh nein!“, sagte Derrick. „Das heißt dann wohl, dass ich heute ohne dich weiterarbeiten muss. Dieser Job ist so oder so schon schlimm genug, aber zu arbeiten ohne