SchollZ 4/2020 Nr. 24 | Page 20

Die Geschichte des weißen Papiers  WENN ETWAS RAR WIRD, WAS WIR TÄGLICH BRAUCHEN Wer hätte gedacht, dass eine so kleine Rolle, so eine große Bedeutung bekommen könnte - allein aus der Angst heraus, man bekommt keine mehr. Das Toilettenpapier zählt zu den Produkten, die in diesen Tagen schwer erhältlich sind. Lediglich eine Packung ist in den Supermärkten und Drogerien zu erwerben, wenn denn Toilettenpapier vorrätig ist. Aus diesen Gründen haben wir einen Blick in die Geschichte geworfen, um herauszufinden, wie sich die Menschen zu anderen Zeiten zu helfen wussten. T EXT  J ANNIS L ÜBBECKE Die Reinigung des Hinterns und die Verwendung von Toilettenpapier hat eine lange Geschichte. Vor langer Zeit hat man sich vor allem in Asien, Afrika und den arabischen Ländern den Hintern mit der linken Hand und ganz viel Wasser abgeputzt. Darum gilt die linke Hand als „böse Hand“, mit der man nicht essen und niemanden begrüßen sollte. In Indien putzt man sich den Po noch heute so ab! Bevor das Toilettenpapier erfunden wurde, hat man alles Mögliche für die Säuberung des Hinterns verwendet: Die Römer benutzten auf Stöckchen aufgespießte Schwämmchen, die in Salzwasser eingeweicht wurden. Die Griechen benutzten flache Steine und Tonscherben. Die Wikinger verwendeten Muschelschalen und Seetang. Im Mittelalter hat sich in Europa das einfache Volk den Hintern mit Moos, Heu, Stroh, Fell, Blättern oder Gras abgewischt. Sogar Federvieh, wie Hühner und Gänse, sollen zum Abwischen des Pos eingefangen und nach Gebrauch wieder laufen gelassen worden sein. Die Adligen 20 benutzten lieber Schafwolle oder Spitzentücher (das französische Königshaus sogar Seidentücher). Diese Tücher mussten dann die Waschfrauen in Bottichen mit dem Waschbrett auswaschen. Eskimos nahmen Tundra-Moos und Schnee. In Südamerika benutzte man die äußeren Blätter des Maiskolbens, in den USA eingeweichte Maiskolben und auf Hawaii Kokosnussschalen. Auf Segelschiffen benutzte man die dort vorhandenen Taue. Das erste Toilettenpapier gab es in China. Es wurde 1391 erstmals für den Kaiser hergestellt. Ein Blatt war einen halben Quadratmeter groß und bestand aus Bambus. Später hat man Lumpen aus Baumwolle hinzugefügt, um es saugfähiger zu machen. Von dem großen Blatt wurden kleine Stücke abgerissen und benutzt. 1857 wurde in den USA von Joseph Gayetty erstmals Toilettenpapier industriell in einer Fabrik hergestellt. Es bestand aus einzelnen Blättern, die mit Aloe getränkt waren und aus einer Schachtel entnommen wurden (Gayetty`s Medicated Paper). Tausend Blatt dieses Toilettenpapiers kosteten einen Dollar, nach heutiger Kaufkraft wären das ca. 25 Dollar! 1890 verkaufte die „Scott Paper Company“ in Philadelphia das erste Toilettenpapier auf Rollen, welches aber noch unperforiert war. In den 80er Jahren des 19. Jahrhundert kam auch in England das Toilettenpapier auf der Rolle auf den Markt. Der dortige Hersteller war genau wie der Hersteller Scott in den USA schamhaft und bot das Toilettenpapier nicht mit seinem Namen an, sondern nannte es „Papierlockenwickler“. 1928 schließlich gründete in Ludwigsburg Hans Klenk die erste deutsche Toilettenpapierfabrik („Hakle“). Das Toilettenpapier war aus kratzigem Krepppapier, die Rolle hatte tausend Blatt und alle Blätter waren perforiert. Erst Ende der 1950er Jahre kam das in Amerika entwickelte weichere Tissue-Papier nach Deutschland. Zunächst bestand es aus zwei Lagen und später gab es auch dreilagiges und sogar vierlagiges Toilettenpapier zu kaufen. Rund 20.000 Blätter Toilettenpapier