Rarität grüner Wasserstoff | Page 3

DEKARBONISIERUNG – WASSERSTOFF
Ein Vergleich der Ressourcen-Effizienz zeigt klare Vorteile der elektrischen Antriebskonzepte mit Akku gegenüber grünem Wasserstoff als Treibstoff , unabhängig ob in Verbindung mit Brennstoffzellen oder Verbrennungsmotoren :
In beiden Fällen ist die Ausgangsenergieform Grünstrom , die Nutzenergie mechanische Arbeit zum Fahrzeugantrieb . Bei Akku- Fahrzeugen erreichen von 100 % Strom nach Verlusten durch Stromtransport und -verteilung ( Annahme 8 %), Lade- und Entladeverlusten in der Batterie ( Annahme : 5 %) und Verlusten im Elektromotor ( Annahme 20 %) rd . 70 % die Antriebsräder .
Bei Wasserstoffantrieb treten selbst unter Vernachlässigung von Energietransport- und -verteilnetz-Verlusten bei der Elektrolyse mindestens 17 % Verluste auf . Hinzu kommen im Verbrennungsmotor mit der Effizienz eines modernen Turbo-Dieselmotors Verluste von 55 %; mit Brennstoffzellen ( Verluste angenommen mit 40 %) zur Versorgung eines Elektromotors ( Verluste wie beim Akku- Fahrzeug ) liegen die Gesamtverluste bei insgesamt 52 %. Somit erreichen je nach Motor-Konzept nur zwischen 37 % und 40 % der Ursprungsenergie die Antriebsräder , kaum mehr als die Hälfte verglichen mit dem Akku-Fahrzeug . Noch vorteilhafter für Elektrofahrzeuge fällt der Vergleich aus , wenn ein hoher Anteil des Grünstroms nahe der Ladepunkte gewonnen wird .
Ein Argument für Wasserstoffantrieb ist die einfache Speicherbarkeit von Wasserstoff . Hierdurch lässt sich Wasserstoffproduktion und Nutzung in Fahrzeugen auch über längere Zeiträume entkoppeln . In gewissen Grenzen gilt das allerdings auch für Akkus .
Einsatz als Brennstoff im Wärmemarkt Ähnlich stellt sich grüner Wasserstoff im Wärmemarkt dar . Zur vergleichenden Bewertung der Ressourcen-Effizienz wird die Wasserstoffverbrennung in einer Brennwertheizung angenommen , vereinfachend mit vollständiger Nutzung des Heizwerts . Als Vergleichsmaßstäbe dienen elektrische Heizungen , einerseits auf Wärmepumpenbasis , andererseits als elektrische Speicherheizung . Unterschieden wird in beiden Fällen eine direkte Stromnutzung zeitgleich zur Erzeugung sowie eine zeitversetze Nutzung mit Zwischenspeicherung in einem System mit grünem Wasserstoff ( 50 % Verluste ).
Bei der Wasserstoff-Brennwertheizung stehen unter Vernachlässigung von Gas-Transport- und Verteilnetzverlusten aufgrund der Elektrolyseverluste maximal 83 % der aus erneuerbaren Quellen gewonnenen elektrischen Energie als Nutzenergie zum Heizen zur Verfügung .
Die direkte elektrische Speicherheizung bringt es unter Berücksichtigung der Strom- Transport- und Verteilnetzverluste von 8 % immerhin noch auf 92 %, bei erforderlicher Zwischenspeicherung allerdings nur noch auf 46 % Nutzungsgrad . Wird die elektrische Speicherheizung durch Ausnutzung ihrer dezentralen Speicherwirkung für Wärme so eingesetzt , dass maximal 20 % ihres Strombedarfs zwischengespeichert werden muss , ist die elektrische Speicherheizung einer Brennwertheizung mit grünem Wasserstoff bereits ebenbürtig .
Wärmepumpen stellen auch unter ungünstigen Bedingungen , z . B . in gering gedämmten Bestandsgebäuden , aus 1 kWh Strom 3 kWh Nutzwärme bereit . Selbst wenn der Grünstrom vor Einsatz in der Wärmepumpe vollständig als Wasserstoff zwischengespeichert werden müsste , entstünde aus 1 kWh Grünstrom das 1,4-fache an Nutzwärme .
Bei Wärmepumpen in modernen Gebäuden mit Niedertemperatur-Heizsystemen sind Jahres-Arbeitszahlen zwischen 4 und 5 erreichbar . Die Verwendung großzügig dimensionierter Pufferspeicher an Warmwasser-Wärmepumpen lässt eine angebotsorientierte Steuerung des Strombezugs zu . Damit steigt der Nutzwärmefaktor auf 300 bis 400 %.
Dieser Vergleich belegt , dass die Umstellung unserer Erdgasnetze auf grünen Wasserstoff eine Vergeudung wertvoller Ressourcen wäre , die an anderer Stelle dringend benötigt und auf absehbare Zeit knapp bleiben werden , die in anderen Anwendungen wirksamer für den Klimaschutz wären . Diese harte Beurteilung gilt gleichermaßen für die vollständige Umstellung der Erdgasversorgung auf grünen Wasserstoff , als auch für eine Beimischung .
Verwendung als Energietransport- Medium Fehlende Stromtransportkapazität zwischen Nord- und Süddeutschland gab Anlass zu der Überlegung , küstennah gewonnene Windenergie nach Umwandung in grünen Wasserstoff über bestehende Ferngasleitungen südwärts zu transportieren und dort zu verstromen .
Bei diesem Konzept kämen nicht einmal 50 % des ursprünglich gewonnenen Stroms beim Nutzer an . Selbst bei bedarfsnaher Rückverstromung in effizienten KWK-Anlagen wäre die Ausnutzung mit 70 % überaus bescheiden . Als Vergleichsgröße darf hier übrigens nicht der zuvor definierte Verlustfaktor für Transport und Verteilung von Strom herangezogen werden , sondern lediglich der Transportverlust mit maximal 3 %. Der forcierte Ausbau elektrischer Transportsysteme ist unverzichtbar und nicht durch grünen Wasserstoff ersetzbar .
Technologie-Offenheit nur bei den Anwendungen oder auch bei der Herstellung ?
Die Analyse von Anwendungsmöglichkeiten zeigt , dass eine zu schnelle , generelle Fokussierung aller heute erdgasbasierten Anwendungen auf grünen Wasserstoff nicht zielführend sein kann . Aber auch bei Verzicht auf ineffiziente und weniger klimawirksame Anwendungen von grünem Wasserstoff erscheint eine vollständige , wirtschaftlich realistische Deckung der industriellen Nachfrage nicht einfach .
Richtigerweise öffnet sich die Politik auch in Deutschland einer CO2-Abscheidung und Speicherung aus prozessbedingten Abgasen ( Carbon Capture and Storage , CCS ). Wasserstoff , der aus Erdgas in Verbindung mit CCS hergestellt wird , bezeichnet man als blauen Wasserstoff . Der wesentliche Makel bei diesem Substitut für grünen Wasserstoff besteht darin , dass erstens ein fossiler Rohstoff benötigt und zweitens die Entstehung von CO2 nicht vermieden wird , sondern nur dessen Freisetzung ( End-of-Pipe-Technologie ). Es gibt zwar wenig Grund zur Befürchtung , dass das abgeschiedene und in unterirdische Speicher verpresste CO2 wieder in die Atmosphäre gelangt , ein langfristiger Nachweis darüber existiert allerdings nicht . Insofern ist blauer
34 ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 73 . Jg . 2023 Heft 5