PhotoWeekly 30.10.2019 | Page 29

Praxis PROFI DER WOCHE presented by ANDRÉ JOSSELIN Bilder mit Charakter Für Fotograf André Josselin war New York ein Sehnsuchtsziel – kurz entschlossen schnappte er sich seinen Koffer. Im Gepäck: die Leica M 240. Zurück kam er mir einzigartigen Bildern. Text: Steffen Schmidtke, Bilder: André Josselin „Ich wünsche mir immer dort zu sein, wo ich gerade nicht bin. Rastlos, immer auf der Suche“, so schildert uns André Josselin seine Gedanken. Kein Wunder also, dass der 33-Jährige spontan ei- nen Flug nach New York buchte. Ohne Konzept, ohne Auftrag, ein- fach nur raus. Fünf Tage etwas anderes sehen. Und die Idee zahl- te sich aus. Ausgestattet mit einer puristischen und sehr feinen Aus- André Josselin rüstung, einer Leica M 240, einem war fünf Tage in Pro-Mist-Filter und einem 35mm New York. Ohne Konzept, ohne f/1,4, erkundete Josselin die Welt- Auftrag, mit einer stadt an der Ostküste der USA. Leica M 240 und „Ich war fast die ganze Zeit allei- 35mm f/1,4. ne unterwegs. Zu Fuß. Oder in der U-Bahn. Ich liebe es, Menschen zu beobachten. Und diese Momente festzuhalten. Authentisch, spontan, außergewöhnlich“, so André. Der Arbeitsstil ist dabei typisch für den jungen, aber schon sehr erfolgreichen Fotografen, zu dessen Kun- den Mercedes, Nike oder Red Bull gehören.  35 mm (KB) | f/2,8 | 1/12 s | ISO 500 Spontanes Shoo- ting in der U-Bahn. Die Lichter hat André Josselin mit einem Pro-Mist- Filter abgesoftet.  35 mm (KB) | f/1,7 | 1/4000 s | ISO 100 Die Aufnahmen von André Josselin be- sitzen einen ganz eigenen Look, da- bei spielte auch die Leica M 240 ihre Stärken und Be- sonderheiten aus. „Mein Konzept besteht eigentlich grundsätzlich da- rin, kein Konzept zu haben. Ich mag es, irgendwo hinzufliegen, und mit einem fertigen, in sich ge- schlossenen Projekt wieder zu kommen. Vielleicht liegt darin auch die Stärke meiner Einstellung, Din- ge einfach geschehen zu lassen. Ich glaube die Fo- tos hätten nicht diese Stimmung, wenn ich mir vor- her zu viele Gedanken machen würde.“ In diesem Fall war die Zeit in New York aller- dings begrenzt. Fünf Tage für eine Stadt dieser Grö- ße vergehen wie im Flug. Durch Zufall waren drei befreundete Models in der Stadt. Er verabredete sich sich mit ihnen zu verschiedenen Shootings. In der U-Bahn, in China Town oder auf der Brooklyn Bridge. Die Aufnahmen besitzen einen ganz eigenen Look, der typisch ist für den Kölner Fotografen. Sie sind ikonisch, roh, cineastisch. Dabei spielte auch die Leica M 240 ihre Stärken und Besonderheiten aus. „Die Haptik und das Gefühl, mit einer Leica zu foto- grafieren, ist einfach etwas Außergewöhnliches. Auch für den Menschen vor der Kamera.“, verrät Josselin, „Die Situation ist viel persönlicher, un- aufdringlicher. Das Motiv steht noch mehr im Vor- dergrund.“, so André weiter. Ein Erfolgsgarant war auch das 35-mm-Objektiv, eine klassische Repor- tagebrennweite, die viele berühmte Fotografen für ihre Arbeit nutzten und nutzen. Durch sie ist man gezwungen, sich dem Motiv noch mehr zu nähern. Und dies spürt der Betrachter. Das Motiv wird greif- barer, privater, spürbarer. „Für mich ist das Fotogra- fieren mit der M 240 und dem 35 mm die Reduktion aufs Wesentliche. Kein Schnickschnack. Einfach klassisches Fotografenhandwerk. Von der Einstel- lung der Blende, der Komposition des Motivs bis hin zum Scharfstellen“, so Josselin.  35 mm (KB) | f/1,7 | 1/60 s | ISO 640 Farbe und Lichter spielen eine we- sentliche Rolle. Genau wie Schat- ten oder Kontras- te. Sie erzeugen Stimmung im Bild.  35 mm (KB) | f/1,2 | 1/180 s | ISO 800 „Ich liebe es, Men- schen zu beob- achten. Und diese Momente festzu- halten. Authen- tisch, spontan, außergewöhnlich.“ Farbe und Lichter spielen eine wesentliche Rolle. Genau wie Schatten oder Kontraste. Sie erzeugen die entsprechende Stimmung im Bild. André spielt zudem gerne mit Komplementärfarben und verleiht seinen Fotos meist einen warmen Touch. Fünf intensive Tage waren fast vergangen, als André sich früh morgens mit einem befreundeten Model auf der Brooklyn Bridge verabredete. „Wir trafen uns bereits um 5 Uhr, um den Sonnenauf- gang zu erleben und mit dem weichen Morgen- licht einige Porträts zu machen. Wir waren ganz allein. Ein magischer Moment, vielleicht der beste auf meiner kurzen Reise in die Stadt am East River“, so Josselin, der uns verrät, dass es sicher nicht der letzte Besuch der Ostküstenmetropole für ihn war. Fest steht aber bereits, was wieder dabei sein wird: seine Leica. Dann allerdings die M10-P, mit der Josselin aktuell fotografiert.  35 mm (KB) | f/1,2 | 1/3000 s | ISO 200 „Wir trafen uns bereits um 5 Uhr, um den Sonnenaufgang zu erleben und mit dem weichen Morgenlicht einige Porträts abzulichten. Wir waren ganz allein. Ein magischer Moment.“ Welche Fotografen haben deinen Stil beeinflusst und inspiriert? Als ich vor knapp neun Jahren angefangen habe zu fotografieren, war Social Media noch nicht so riesig und irgendwie war es schwerer, Inspiration zu fin- den. Natürlich kannte ich Peter Lindbergh oder Annie Leibovitz, aber die meiste Zeit habe ich auf Tumblr und anderen Blogs verbracht. Das Problem daran war, dass meist keine Credits angegeben waren, wer denn nun diese wunderschönen Fotos gemacht hat. Mich hat generell einfach die Stim- mung der Bilder unglaublich inspiriert. Zudem habe ich 2011 oder 2012 einen Fotografen mit dem Namen Jean Philippe Lebee entdeckt, dessen Aufnahmen eine enorme Leichtigkeit, aber auch eine zu dem Zeitpunkt noch nicht „mainstreamige“ und inter- essante Bearbeitung hatten. Ich glaube mit seinen Bildern habe ich mich in die Idee verliebt, Fotos zu machen, die weit weg von Posing oder zu krasser Inszenierung ihr Eigenleben entwickeln. Wann hast du zum ersten Mal mit einer Leica fotografiert? Leica war mir natürlich schon immer ein Begriff. Al- lerdings war ich damals weder in der Lage, mir eine Leica leisten zu können, noch kannte ich irgendwen, der eine besitzt. Irgendwann habe ich Paul Ripke kennengelernt. Paul hat mich zu einem Shooting begleitet und ein paar Making-Of-Fotos mit seiner Leica M 240 gemacht, die ich dann auch mal benut- zen durfte. Das klingt jetzt vielleicht zu romantisch, aber der Geruch der Lederhülle, das Auslösegeräusch und die Haptik haben mich so krass angefixt, dass es mein Ziel war, auch einmal eine Leica zu besitzen. Welchen Ratschlag würdest du deinen Berufs- kollegen geben? Für mich persönlich ist das Wichtigste, sich selbst treu zu bleiben. Ich sehe viele Fotografen, die sich verbiegen, keinen eigenen Stil finden, sich in Agen- turen oder Dingen wiederfinden, die sie selber so niemals fotografiert hätten. Das ist schade. Ich könnte meinen Stil auch noch viel mainstreamiger fahren und deswegen mehr Kampagnen oder Jobs machen, aber mir persönlich ist es wichtiger, dass Leute mich wegen meiner Handschrift buchen und mich nicht als stupiden Dienstleister sehen, der Malen-nach-Zahlen abfotografiert. André Josselin (33) Der Autodidakt und ausgebildete Gestalter für visuelles Marketing fotografiert seit 2010, lebt in Köln und verdient seit 2016 mit der Fotografie seinen Lebensunterhalt. Sein Durchbruch gelang ihm unter anderem durch die Veröffentlichung eines Buchs und Eigen- marketing auf seinem Instagramkanal @josselin. Heute zählen zu seinen Kunden Mercedes, Nike, Red Bull, Warner Bros. und Adidas. Weitere Infos: www.josselin.de