PhotoWeekly 11.09.2019 | Page 27

Technik M E TA -T E S T 27 LEICA M10 Fotografierende Liebeserklärung Über einhundert Jahre Kamerakompetenz „Made in Germany“ kommen in der Leica M10 zusammen – und ergeben ein Paket, das eigentlich schlecht und zugleich perfekt ist. Von Ruben Schäfer Es gibt Produkte, die kann man rational kaum erklären: Am Ende des Tages zeigt auch eine Rolex die Zeit an, ein Montblanc kann schreiben und eine Leica fotografiert – nur dass man für diese Features ein bisschen mehr auf den Tisch legt als bei ande- ren Herstellern. Mit rund 7.000 Euro für den Kamerabody ist die Leica M10 noch eine der günsti- geren Vertreter aus der Fraktion „handmade in Wetzlar“. Und so sehr sich die Debatte häufig um den Preis dreht, so ungerecht ist diese Betrachtung für die M10 ei- gentlich. Wie bei jeder Leica geht es hier um eine tief empfundene Liebe zur Fotografie – oder um es mit den Worten einer weiteren Luxusmarke wie Aston Martin zu sagen: Power, Beauty and Soul. Unserem Test muss sich die M10 aber trotzdem stellen. N O 094 37/2019 Leica M10 befriedigend Quick Facts: Preis: ca. 6.800 Euro Auflösung: 24 Megapixel ISO: 100-50.000 Ausstattung Serienbild: max. 5 B/s Nicht dass Leicas generell un- ter Verdacht stünden, beson- ders adipös zu sein; aber bei der M10 haben sich die Ingenieure in Wetzlar besonders Mühe beim Gehäuse gegeben. Fazit: Die M10 ist die schlankste digitale M al- ler Zeiten. „Mit kompakteren Ma- ßen, verbesserter Performance und noch intuitiverer Bedienung setzt die Leica M10 einen Meilen- stein in der traditionsreichen Ge- schichte der Leica-M-Fotografie“, verspricht uns die PR-Abteilung. Und eine kompromisslose Kon- zentration auf die Fotografie – bedeutet im Klartext: Kein Video. Also gar keins. Für die Fotografen kommt dafür weiterhin der legen- däre Messsucher zum Einsatz, welcher der M10 das charakte- ristische Aussehen spendiert und den Anfangsbuchstaben leiht. Er wurde vergrößert und erlaubt nun eine noch präzisere Fokus- sierung. Denn den Job macht der Fotograf hier noch selbst. Auf der Kamera befinden sich Einstell- räder für ISO und Verschlusszeit, die Blende wird am Objektiv gewählt. Die M10 ist grundlegend wettergeschützt. Video: Nein   Der Sensor oder die „digitale Lein- wand“, wie es Leica nennt, ist ein eigens für diese Kamera entwi- ckelter CMOS-Vollformatsensor mit 24 Megapixeln. Dessen neue Technologie führe zu einer sig- nifikanten Verbesserung aller bildrelevanten Leistungspara- meter, sagt Leica. In jedem Fall gibt es für die maximale Schärfe keinen Tiefpassfilter mehr, dafür ISO-Werte von 100 bis 50.000. Sie ist die schnellste M-Kamera aller Zeiten, dafür reichen aber schon fünf Bilder in der Sekunde. Die Leica M10 ist außerdem die erste M-Kamera mit integriertem WLAN. Dadurch können Bilder schnell und drahtlos auf mobile Apple-Geräte übertragen, dort editiert und dann direkt in sozia- len Netzwerken geteilt werden. Der Monitor ist leider nicht touch- fähig. Dennoch bleibt Leica bei den Tasten sparsam. ISO, Zeit, Blende, Auslöser: Wer die Liebe zur Fotografie auf Leica-Art genie- ßen will, braucht (und bekommt) nicht mehr. Bildqualität Die Reduktion auf das Wesentli- che sollte sich in den Bildern be- merkbar machen. Moritz Wanke hat es für Chip getestet und schreibt: „Die Leica liefert an sich eine tolle Bildqualität, solange man im DNG-Format arbeitet. Doch da wir bei unseren Kamera- tests zur Vergleichbarkeit gene- rell die JPEGs auswerten, büßt die Leica M10 aufgrund ihrer durch- schnittlichen JPG-Verarbeitung Wertungspunkte ein.“ In die glei- che Kerbe schlägt auch das PC Magazin: RAW Top, JPG eher Flop. In RAW gebe es dafür einen aus- gezeichneten Dynamikumfang. Da die Objektive zwar sehr teuer, aber auch sehr scharf sind, kön- nen sich Fotografen auf sehr gute Ergebnisse freuen. Die M10 gibt es wahlweise auch in Silber oder in Schwarz ohne roten Punkt – für die Undercover- Fotografen. Das sagen die Kollegen ...  52,5 Punkte „Mit dem RAW-Format liefert die M10 die hervorragende Bildqualität, die wir von einer 6.500 Euro teuren Kamera erwarten, mit JPEG nicht. Dass sie weiterhin auf die Video- funktion verzichtet, dürfte für viele Leica-M-Anhänger un- problematisch sein. Eine elektronische Fokushilfe im Sucher wäre aber ein echter Mehrwert. Doch klar ist auch: Diese Kamera soll ganz gewiss nicht mit einem guten Preis- Leistungs-Verhältnis überzeugen, sie soll mehr sein als nur Mittel zum Zweck. Es geht um das gute Gefühl, eine Leica M in Händen zu halten, und das Fotografieren um des Fotografierens willen.“  (Annette Kniffler)  Ausreichend „Die Leica M10 punktet im Test mit ihrer hochwertigen Ver- arbeitung und den zahlreichen Direkttasten sowie -rädern, die vorrangig Profi-Fotografen zum Spielen einladen. Die Bildqualität der DSLM überzeugt, schwächelt aber bei der JPEG-Konvertierung und verliert dadurch erheblich Punkte. Das gilt auch für Video-Modus und Autofokus, die in beiden Fällen fehlen.“  (Moritz Wanke)  73% „Das Wesentliche“, der Leitspruch des Herstellers. Und etwas, was ihm mit der M10 so gut gelungen ist, dass man eventuelle Unzulänglichkeiten und fast schon obszön hohe Preise kaum mehr infrage stellt. Leica folgt mit der M10 diesem Credo konsequent. Kein Pragmatiker würde eine Leica kaufen, rationalen Sinn macht das auf den ersten Blick auch nicht. Aber es bewegt.“  (Carsten Mohr) Das PhotoWeekly-Urteil  Das hat uns gefallen: Die Endnote trifft es ei- gentlich genau: Leica baut eine Kamera, die das Bedürfnis nach minimalistischer Fotografie tief befriedigt und mit RAW-Bildern in Spitzenqualität belohnt. Sie ist wunderschön, wertstabil, perfekt verarbeitet und insgesamt eine sehr gute Leica.  Hier besteht Nachbesserungsbedarf: Bei all der Romantik müssen wir aber doch mal anmer- ken, dass der fehlende Videomodus nicht mini- malistisch, sondern archaisch und die JPG-Ver- arbeitung nicht stilvoll, sondern schwach ist. Auch ein Autofokus stünde der M-Reihe gut. Leica M10 N 094 O 37/2019 befriedigend