Neue Debatte - Beiheft #010 - 04/2017 Der Durst der Namenlosen und Bertolt Brecht | Page 2
ten auf der Welt mit einem Schleier aus
Belanglosigkeiten umgeben, um das
Nachdenken über das System der gegen-
seitigen Ausbeutung und das Nachfragen
der Fragenden nach der Rolle der herr-
schenden Eliten auszuschalten.
Diese selbst ernannten Gurus, Alleskönner
und Großsprecher, die den Beweis schul-
dig bleiben, ob sie alleine überhaupt einen
Nagel in die Wand schlagen können, sie
verändern nichts, sondern streben mit ih-
rem Regentanz aus Worten nach dem, was
schon Könige und Kaiser begehrten:
Macht und Privilegien für sich und ihre
Entourage und den Kniefall namenloser
Untertanen, die die Kastanien aus dem
Feuer holen im Schweiße ihres Angesichts
oder im schlimmsten Fall mit ihrem Leben.
Jede Veränderung bedarf des Einsatzes
der Masse. Nur wenn sich die Namenlosen
bewegen, wenn sie auf den Reisfeldern
Asiens, in den Minen Afrikas, in den Pro-
duktionshallen Europas und in den
Schlachthöfen Amerikas schwitzen, wenn
sie in den Kriegen leiden und wenn sie sich
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auf den Killing Fields unter der Regie der
Regenmacher gegenseitig den Schädel
spalten, dann verändert sich die Welt im
Sinne der neuen Könige und Kaiser.
Doch selbst wenn sich die Namenlosen
von den Regenmachern abwenden und
die friedlichste Entwicklung aller Zeiten
eingeläutet würde, so ist für die Namenlo-
sen in den Geschichtsbüchern kaum Platz
neben den Gurus, Alleskönnern und Groß-
sprechern – die Herren der Regenmacher
lassen die Bücher schreiben. Die Frage
nach dem Besitzrecht wird nicht gestellt.
Diese Lebenswelt ist für die Masse eine
Welt der brennenden Sonne, der völligen
Austrocknung des Landes, in dem man
bald nicht mehr leben kann.
Wo ist das Wasser, das Lebenselixier
geblieben?
Es regnet an Berghängen ab, wo die Eliten
hinter den Quellen Staudämme und Stau-
seen angelegt haben, an deren Ufern ihre
Villen und Paläste stehen und alles Wasser