Neue Debatte - Beiheft #006 - 04/2017 Über die Korruption in Frankreich | Page 15
Hier sehen wir genau, wie dieser Mann ein
demokratisches Werkzeug kaputtmachen
will, um es in den Dienst der Oligarchie zu
stellen: das Referendum, das als Instru-
ment gegen die Demokratie genutzt wird.
Da bedurfte es des ganzen Zynismus und
der ganzen Klassenarroganz eines Groß-
bürgers, wie er einer ist, um es zu wagen,
solch eine Rede öffentlich zu halten.
Aber machen wir uns nichts vor: Durch
François Fillon spricht nicht nur ein Indivi-
duum, sondern der Kapitalismus und das
Herrschaftsprinzip. Deswegen freue ich
mich, die Korruption anzuprangern. Aber
ich muss mich in Acht nehmen, denn diese
Anklage kann die Korruption leicht in eine
gefährliche Ecke drängen, wo man den
Unterschied zwischen normal und krank-
haft macht. Da wäre die Korruption eine
Krankheit der Republik und man müsste
sich ihrer entledigen, um die Gesundheit
des politischen Körpers wieder herzustel-
len.
Es gäbe räudige Schafe, die man in Qua-
rantäne stecken müsste, die üblen Bur-
schen, denen man Einhalt gebieten müss-
te, um in der besten aller Welten zu leben.
In meinen Augen jedoch ist dieser Gegen-
satz zwischen Gesundheit und Krankheit,
das Bild aus der Biologie, nicht mehr wirk-
lich passend.
So wird eine wesentliche Tatsache ausge-
blendet: die kapitalistische Normalität ist
an sich schon eine menschliche Krankheit.
Oder, verlassen wir das medizinische Vo-
kabular und wählen wir die Sprache der
Philosophen: Das Herrschaftsprinzip, zu
dem die kapitalistische Korruption gehört,
ist eine Grundgegebenheit und keine Aus-
nahme, sie ist anti-humanistisch.
Mit besonderem Dank an Dr. Susanne Hildebrandt für die Übersetzung ins Deutsche.
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