Neue Debatte - Beiheft #002 - 04/2017 Weltanschauungen | Page 2

liegt allen Menschen sozusagen im Blut, in den Genen, in den Instinkten. Zu den Grundsätzen dieser Moral zählen: Du musst Deinen Beitrag für die Gemein- schaft leisten; wenn du nicht arbeitest, sollst du auch nicht essen, außer du bist krank. Du sollst nicht töten. Du sollst Vater und Mutter ehren. Du sollst nicht begeh- ren deines Nächsten Haus, Frau, Mann, Eigentum. Du sollst nicht lügen und betrü- gen, etc. Diese Moral beruht auf einer so unaus- rottbaren, fundamental-menschlichen Welterfahrung und Existenzsicht, dass sie in allen angewandten und speziellen Weltanschauungen und Religionen enthal- ten ist, wie auch immer die jeweilige his- torische Verpackung gewesen sein mag oder noch ist. Es ist diese von der Natur eingepflanzte, nicht auslöschbare Moral, die Menschen selbst in den finstersten Momenten der Geschichte, im KZ, vor Stalingrad oder im Flüchtlingsboot im Mittelmeer Hoffnung gibt und die Herrenmenschen, Ausbeuter und Kriegsverbrecher irgendwann einholt und zur Rechenschaft zieht. Mir selbst hilft sie, angesichts dessen, was sich auf der Welt abspielt und wohin sie treibt, nicht den Glauben an die Menschheit zu verlie- ren. Gewalt und Recht des Stärkeren Lebens- bzw. Überlebensgemeinschaften – etwa urgesellschaftliche Jäger- und Samm- lergruppen, Sippen-und Stammesgemein- schaften und Staaten in ihren vielfältigen historischen Manifestationen - waren nie allein auf der Welt und standen immer in Konkurrenz und Kampf untereinander. 2 Die humane Moral und mitmenschliches Verhalten wurden immer borniert auf die eigene mehr oder weniger weit einge- grenzte, beschränkte Lebensgemeinschaft bezogen. Man konnte sich noch nicht eine gesamte Menschheit vorstellen, weil man den gemeinsamen Lebensraum Planet Er- de noch gar nicht überblicken konnte. Die Menschen bekamen von der Natur leider nicht nur Solidarität und kollektive Lebensgestaltung in die Wiege gelegt. Nach außen galten andere Maßstäbe, mit denen ein ganz anderes, brutales, egoisti- sches Handeln gerechtfertigt wurde. Jede soziale Gemeinschaft war sich zu- nächst selbst die nächste. Es herrschte das Wolfsgesetz eines Rechts des physisch Stärkeren, die Logik tierischer Nahrungs- ketten und – wie es Darwin ausdrückte – ein gnadenloser „Kampf ums Dasein“, des absoluten Vorrangs der eigenen Exis- tenzsicherung. Mangelsituationen und Verteilungskämpfe Dieser Kampf sozialer Gemeinschaften ge- geneinander ergab sich aus naturgegebe- nen und auch selbstverschuldeten Man- gelsituationen, die Begehrlichkeiten und Verteilungskämpfe nach sich zogen.