Neue Debatte - Beiheft #001 - 04/2017 Das Staubkorn der Galaxis | Page 2
lichst früher als später schlucken: Es ist
kein Platz mehr für einen phantasierten,
überirdischen Beobachter jenseits und
oberhalb des Horizontes einer in das Gan-
ze des Existierenden eingebetteten
Menschheit.
Schöpfungsmythen, Geister, Götter und
die Weltreligionen sind nur ein Ausdruck
von entwicklungsgeschichtlicher Unreife.
Das trifft aber auch noch auf die alte kar-
tesisch-newtonsche, mechanistische, de-
terministische Weltvorstellung aus den
Kindertagen moderner Wissenschaft zu.
Auch die als von außen in Gang gesetztes
Uhrwerk, als eine Apparatur von ineinan-
der greifender Mechanik
vorgestellte
Welt war noch ein Ausdruck von scheinra-
tionaler Hilflosigkeit und der jahrtausen-
dealten Unfähigkeit der Menschheit, mit
ihrer kleinen Existenz umzugehen.
Das Weltbild von überflüssigen
Göttern befreien
Alle diese Weltvorstellungen operieren
mit einem den Anfang der Welt schaffen-
den und das Gesamtsystem von außen in
Gang setzenden Demiurgen (Anm.: Schöp-
fergott).
Die Menschen hatten über Jahrtausende
clevere reale Herren über sich, die auf die-
sem menschlichen Seelenklavier zu ihrem
eigenen Nutzen zu spielen verstanden, d.
h. den einfachen Menschen einredeten,
dass ihre leibhaftigen Herren die Inkarna-
tionen und Beauftragten der Überirdi-
schen, der Allmächtigen im Himmel waren
und man sich folglich nicht gegen sie auf-
lehnen könne, ohne gegen die große,
kosmische Götterordnung zu verstoßen.
Das funktioniert auch heute noch, wenn
Päpste oder Imame, Patriarchen oder Da-
2
lai Lamas ihr scheinheiliges Gutmenschen-
Getue an den Mann/die Frau bringen. Es
wird höchste Zeit, dass das heute an Profil
gewinnende wissenschaftliche Weltbild
auch seelisch und emotional verkraftet
und in die Lebenswirklichkeit integriert
wird.
Die kürzlich stattgefundene Begegnung
zwischen dem britischen Astrophysiker
Stephen Hawking und Papst Franziskus hat
in diesem
Zusammenhang regelrecht
Symbolcharakter.
Hawking teilte dem Papst per Sprach-
computer mit:
"Man kann nicht beweisen, dass
Gott nicht existiert (...) Aber die
Wissenschaft macht Gott überflüs-
sig".
Für das Entstehen des Universums sei kein
Gott als Erklärung nötig. Noch 1980 hatte
der ehemalige Papst Johannes Paul II. das
wissenschaftliche Establishment ermahnt,
nicht den Augenblick der Schöpfung zu
studieren, denn er sei heilig.
Hawking bemerkte scherzhaft: „I was glad
Der britische Astrophysiker Stephen Hawking
vertritt die These, dass sich das Universum allein
durch das Gesetz der Schwerkraft spontan selbst
aus dem Nichts geschaffen hat. Einen göttlichen
Schöpfungsakt schließt er aus. (Foto: NASA/Paul
E. Alers)