Magazine Juli 16 | Page 10

SCHÖNHEIT KIRCHE Göttlich zeitgemäss, über Schönheit zu diskutieren? Aus meiner Sicht haben sich die einseitig auf haben sich die Schönheitsideale der verschie- Oder eher geschmacklos? körperliche Fitness und Wohlaussehen aus- denen Kulturen einander angepasst, sind uni- Vielleicht vermittelt gerade die Hilfe und An- gerichteten Werte in den letzten Jahren auf form geworden. teilnahme am Elend des Kriegs und des Ter- alarmierende Weise zugespitzt. Jugend und ju- Transparenz ist heute ein Wert, der hochge- rors neue Bilder einer anderen Art von Schön- gendliches Aussehen ist alles, sogar für ältere halten wird. Auch in der katholischen Kirche. heit – eine, die von Barmherzigkeit und Liebe Leute. Letztlich zelebriert das eine Kultur des geprägt ist. Stillstands und damit des Todes, weil der Kör- Ich bin mir nicht ganz sicher. Offenheit ist Die amtierende Miss Schweiz, Lauriane Sal- per – wie alles Lebendige – der Veränderung schön, wenn es darum geht, einander ernst lin, ist gläubige Katholikin und sagt: «Schön- ausgesetzt ist. Im Gegensatz dazu steht die heit tendiert hin zu Gott». Freuen Sie sich, Spiritualität. Sie macht Veränderun- dass weltliche Schönheit vor der Kirche nicht gen, auch den Zerfall, bewusst. Halt macht? 1994 mit einem Lizentiat in Theologie, 1997 mit einem Doktorat in Philosophie und 2011 mit einem Doktorat in Theologie ab. Am 8. September 2010 wurde er zum Bischof von Basel gewählt und am 23. November 2010 bestätigte Papst Benedikt XVI. die Wahl. Felix Gmür sagt, dass das Streben nach Schönheit nicht zum Selbstzweck werden darf. bona 10 11 LIFESTYLE zu nehmen, in Kontakt zu treten, sich auszutauschen, gemeinsam an Dingen zu arbeiten. Wenn Of- Der Philosoph Immanuel Kant fenheit hingegen zur völligen Wenn die Aussage von Lauriane Sallin als Aus- definierte Schönheit als Ge- Aufgabe der Privatsphäre druck der Dankbarkeit und Demut gemeint ist, genstand einer bestimmten führt, ist das für das freue ich mich sehr darüber. Tätigkeit der Urteilskraft. Individuum und die bonaLifestyle Felix Gmür, Sie sind Bischof Sind Menschen, die sich in einer glamourösen Hat die Globalisierung das Gesellschaft nicht un- von Basel, Philosoph, bekannt für Ihren of- Welt bewegen und offen zu ihrem Glauben subjektive Empfinden von fenen Geist und Ihre klare Kommunikation. stehen, für die Kirche wichtig? Ästhetik verändert, vielleicht Wo finden Sie in der katholischen Kirche Ich glaube, dass für Gott alle Menschen gleich Schönheit? wichtig sind. Jeder muss seinen Lebensstil mit Ja, durch die kommunikative Ver- Felix Gmür Schönheit in der Kirche findet sich seinem Herzen verantworten können. Ent- netzung und Globalisierung überall dort, wo Liebe und Barmherzigkeit scheidend ist wohl am Schluss, wie viel man zum Ausdruck gebracht wird – sei dies in der im Leben geliebt hat. Grosser materieller Besitz Liturgie, in der kirchlichen Kunst, im gespro- schafft oft auch viel Belastung und kann einem chenen Wort, in einem Blick, aber vor allem im glücklichen Leben entgegenstehen. Deshalb konkreten Handeln und in den Werken. hatte Jesus in der Bergpredigt die Nadelöhr- Ethische Schönheit wächst aus dem Denken, sogar vereinheitlicht? den etwas angeht. Auch «Geheimnisse» haben ihre Schönheit. Metapher gebracht. Fühlen und Handeln. Wo liegen bei der äus- Äussere Schönheit ist käuflich geworden – seren Schönheit die grössten Tücken? echt oder unecht spielt keine grosse Rolle Das Streben nach Schönheit darf nicht zum mehr. Denken Sie, dass auch ethische Schön- Selbstzweck werden. Wenn sich alles nur um heit wie «Fairtrade» als Marketingtool käuf- die äussere Form dreht, wird Schönheit leer – bedingt positiv. Es gibt Persönliches, das nieman- lich geworden ist? oder gefährlich. Schönheitsideale haben längst Manche dieser Qualitätslabels sind ethisch auf- kultischen Charakter angenommen und näh- geladen und mittlerweile ein grosses Geschäft. ren eine riesige Industrie, die für viel Geld ewi- Ich möchte das nicht einfach schlechtreden. ge Jugend verspricht. Mitunter erlaubt es den Persönlich habe ich kein Problem damit, Menschen kaum mehr, auf natürliche Weise – wenn Marktmechanismen erfolgreich zur Ver- würdevoll – alt zu werden, weil mit dem Alter besserung der Lebensbedingungen beitragen nur negative Werte assoziiert werden. Dabei können. kann ein vom Leben gezeichnetes Gesicht auch Schönheit ist positiv besetzt und von gesell- als interessant und schön gesehen werden. schaftlich geprägten Wertvorstellungen defi- Krieg, Terror und Angst dominieren den All- niert. Haben sich diese Wertmassstäbe in den tag sehr vieler Menschen. Ist es überhaupt letzten Jahren verändert? Felix Gmür Bischof von Basel www.bistumbasel.ch bona Die Studien schloss Bischof Felix Gmür Ist Offenheit eine neue Form von Schönheit?