Magazine Dez. 2014 | Page 12

GESUNDHEIT INTERVIEW Wohnen ohne Grenzen. www.bonainvest.ch biger Moslem mit einem homosexuellen Sohn. Der Vater konnte Gesundheitsgewinn zu fördern, einerseits durch das Zurück- nicht damit umgehen. Die Tatsache, dass er krank war, erlaub- drängen von Risiken für Krankheiten (zum Beispiel rechtzeitiges te ihm, vor seiner Familie sein Gesicht zu wahren. Als Kranker Erkennen von Bluthochdruck), andererseits durch die Förde- konnte man ihn in seiner Vorstellung für die Homosexualität rung von gesundheitlichen Ressourcen (zum Beispiel Zugang zu seines Sohnes nicht verantwortlich machen, als Gesunder hatte gesundheitsrelevanten Leistungen wie Bildung und Sozialein- er das Gefühl, als Vater versagt zu haben. richtungen). Das Bewusstsein für Prävention und Gesundheits- Machen uns Alltagsprobleme und Ängste krank? Wie schon erwähnt, sind die Psyche, der Körper und die sozialen Aspekte eines Menschen eine Einheit. Wenn etwas gestört ist, wird der ganze Mensch beeinträchtigt sein. Ein Arbeitnehmer, der dauernd Angst haben muss wegen seines Arbeitsplatzes, wird auf diese Angst körperlich reagieren. Er wird vermehrt angespannt sein. Er wird möglicherweise mehr Stresshormone ausschütten, die seinen Blutdruck erhöhen, seinen Puls beschleunigen förderung hat sicher zugenommen, Prävention und Gesundheitsförderung sind aber schwierig umzusetzen. Wann ist Prävention Wunschdenken? Wenn ich in der Psychiatrie die leidvolle Geschichte eines chro- Das Bewusstsein für Prävention und Gesundheitsförderung hat zugenommen. und seinen Schlaf beeinträchti- nisch depressiven Menschen höre, der in seiner Kindheit vernachlässigt und abgewertet wurde, geht mir oft durch den Kopf, wie es für diesen Patienten geworden wäre, wenn jemand für ihn eingestanden wäre, wenn jemand sein Leid erkannt und ihm geholfen hätte im Sinne einer Präven- gen werden. Dadurch wird er anfälliger für andere Belastungen, tion. Dann wäre sein Leben vielleicht glücklicher und einfacher was möglicherweise seine Ängste noch mehr erhöhen wird. So geworden und er hätte weniger Kosten verursacht, er wäre nicht entsteht eine Spirale, die zum Zusammenbruch führen kann. längere Zeit arbeitsunfähig geworden und hätte vermutlich Grosse Belastungen physischer, psychischer oder sozialer Art keine medizinische Betreuung gebraucht. Aber wer hätte ihm während längerer Zeit beeinträchtigen Menschen, sie können helfen können, wer hätte so in eine Familie eindringen kön- dadurch krank werden. Ausser es gelingt ihnen, die Belastungen nen? Wer hätte präventiv oder gesundheitsfördernd wirken kön- zu verändern oder, wenn dies nicht möglich ist, sich bis zu ei- nen? Ich glaube, es ist wichtig, dass wir solche Zusammenhänge nem gewissen Grad daran anzupassen. erkennen. Prävention ist in aller Munde. Gehört Vorbeugen heute zum Also hat sich der Begriff Gesundheit der Gesellschaftsentwick- Zeitgeist? lung angepasst? Unter Prävention versteht man alle Massnahmen, die zu einer Der Begriff der Gesundheit hat sich mit dem Wandel der Vermeidung des Auftretens von Krankheiten dienen. Um 1900 sozialen und wirtschaftlichen Situation des Menschen verändert. erkannte man den Zusammenhang zwischen unzureichenden Unsere Urgrosseltern hatten vermutlich weniger anspruchs- hygienischen Lebensbedingungen und Erkrankungen. Der Be- volle Kriterien für ihre Empfindung von Gesundheit als zum griff der Gesundheitsförderung ist viel jünger. Er wurde 1986 Beispiel wir in unserer hoch entwickelten städtischen Umge- bei einer WHO-Konferenz in Ottawa etabliert. Das Ziel beider bung. Möglicherweise fühlten sie sich gesund, wenn sie arbeiten Interventionsformen ist es, einen individuellen und kollektiven konnten. bona 12 13 LIFESTYLE Wohnen mit Services. www.bonacasa.ch