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6 4 / 2021 // LEOPOLDINA / NEWSLETTER

„ Gegen Pandemien brauchen wir antivirale Mittel mit breiter Wirkung “

Helga Rübsamen-Schaeff ML und Ralf Bartenschlager ML über Arzneien gegen SARS-CoV-2
Ein Ziel der Forschung an Wirkstoffen gegen Viren wie SARS-CoV-2 ist es , einfach zu verabreichende Medikamente zu entwickeln .
Illustration : Adobe Stock | cassis
Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina hat im November die Ad-hoc-Stellungnahme „ Antivirale Wirkstoffe gegen SARS-CoV-2 “ veröffentlicht . Die Sprecherin und der Sprecher der Arbeitsgruppe Helga Rübsamen-Schaeff ML und Ralf Bartenschlager ML erklären , warum die Entwicklung dieser Medikamente wichtig ist , was sie von der Politik erwarten und worauf es im Zusammenspiel zwischen Hochschulen und Industrie ankommt .
Bisher lag der Fokus in der Bekämpfung der Pandemie verstärkt auf der Entwicklung von Impfstoffen . Warum werden auch antivirale Medikamente gegen SARS-CoV-2 benötigt ? Helga Rübsamen-Schaeff : Die Impfung ist das erste Mittel der Wahl , um eine Pandemie zu bekämpfen . Aber man braucht die Medikamente als Ergänzung . Der Impfstoff wird nicht allen den nötigen Immunschutz bringen . Bei manchen Personengruppen wie etwa Dialyse- und Krebspatientinnen und -patienten ist die
Immunantwort sehr häufig nur schwach ausgeprägt , und es wird auch sonst immer wieder Impfdurchbrüche geben . Deswegen braucht es für diese Risikofälle , bei denen schwere Erkrankungen drohen , antivirale Wirkstoffe .
Welchen Anforderungen müssen diese antiviralen Wirkstoffe genügen ? Ralf Bartenschlager : Die Wirkstoffe sollten kaum Nebenwirkungen haben , sie sollten oral eingenommen oder inhaliert werden können sowie leicht verfügbar sein . Zudem muss das Medikament über eine ausreichend hohe Resistenzbarriere verfügen . Das bedeutet , dass das Virus nicht innerhalb der Behandlungszeit gegen den Wirkstoff resistent werden darf und dass resistente Viren auch nicht übertragen werden . Sonst wäre das Medikament wirkungslos . Allerdings ist die SARS-CoV-2-Infektion recht kurz , weshalb auch die Therapiedauer sehr kurz ist – im Gegensatz zu anderen , chronischen Viruserkrankungen , bei denen man über Monate und Jahre therapieren muss .
Wie ist der Stand der Forschung und Entwicklung von antiviralen Medikamenten , die spezifisch gegen SARS- CoV-2 wirken ? Rübsamen-Schaeff : In den USA hat das Pharmaunternehmen MSD kürzlich mitgeteilt , dass das Medikament Molnupiravir bei klinischen Tests das Risiko von schweren Verläufen und Todesfällen durch eine Infektion mit SARS-CoV-2 um 50 Prozent reduziert . Der Konzern will das Medikament nun zur Notfallzulassung anmelden . Auch Pfizer hat ein Medikament , das sogar 80 bis 90 Prozent der Krankheits- und Todesfälle verhindert und ebenfalls schnell angemeldet werden soll . In Deutschland ist man leider nicht so weit . Das zeigt , dass auch bei uns wesentlich mehr in Medikamentenentwicklung investiert werden müsste .
Auch in Zukunft wird es Pandemien geben – mit anderen Krankheitserregern als SARS-CoV-2 . Dagegen sollen breit wirksame antivirale Wirkstoffe helfen . Was können solche Medikamente leisten ?