Leopoldina aktuell 3_2022 | Page 8

8 3 / 2022 // LEOPOLDINA / NEWSLETTER

Komponenten des Erdsystems sind auf vielfältige Weise miteinander gekoppelt

Leopoldina veröffentlicht Zukunftsreport „ Erdsystemwissenschaft – Forschung für eine Erde im Wandel “
Klimawandel , Energiewende , Rohstoffknappheit und Wassermangel , stark zunehmende Schäden durch Naturkatastrophen – dies alles sind Themen , die die öffentliche Diskussion mit wachsender Intensität prägen und die durch die aktuellen Krisen noch angeheizt werden . Sie alle führen uns die Grenzen der Bewohnbarkeit unseres Planeten vor Augen . Und sie machen die Geowissenschaften zu einer Schlüsseldisziplin , wenn es um die Frage nach geeigneten Lösungen zum Erhalt desselben geht .
VON ONNO ONCKEN ML *
„ Die Breite der Fragen ist so groß , dass sie nicht von einer Teildisziplin allein gelöst werden können .“
Onno Oncken Sprecher der Leopoldina-Arbeitsgruppe
„ Erdsystemforschung “
Foto : GFZ

Neben diesen in der Öffentlichkeit diskutierten Fragen bestehen zudem noch viele bedeutende ungelöste Fragen der Wissenschaft : nach der Entstehung des Lebens , der Vorhersagbarkeit von Naturkatastrophen , der Interaktion des Menschen mit Klima und Umwelt und viele mehr . Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage , ob die Geowissenschaften in Deutschland optimal aufgestellt sind , wissenschaftliche Antworten und praktische Lösungen zu diesen Herausforderungen zu finden . Koordiniert durch die Leopoldina hat eine Gruppe von Mitgliedern der geowissenschaftlichen Fachgemeinschaft diese Frage intensiv diskutiert und den Zukunftsreport „ Erdsystemwissenschaft – Forschung für eine Erde im Wandel “ vorgelegt .

Dieser hebt eine ganze Reihe von Stärken hervor . So bestehen innerhalb der Teildisziplinen vielfach international anerkannte methodische Kompetenzen und eine teils ausgezeichnete Infrastruktur . Zugleich schränken aber einige Defizite die Fähigkeit zur effektiven Entwicklung von Lösungen ein . So ist in den vergangenen Jahrzehnten die Einsicht gewachsen , dass die Komponenten des Erdsystems auf vielfältige Weise intensiv miteinander gekoppelt sind . Ist die Einsicht in diese
Eigenschaft in den Klima-orientierten Geodisziplinen schon seit Längerem verankert – bis hin zur Entwicklung komplexer Systemkonzepte –, so steht dies etwa in den Geowissenschaften der festen Erde und in weiteren Teildisziplinen erst am Anfang .
Zugleich ist aber die Breite der eingangs benannten Fragen so groß , dass sie nicht von einer Teildisziplin allein gelöst werden können . Eindeutig geht daher die Entwicklung hin zu einer übergreifenden Erdsystemwissenschaft als Grundvoraussetzung für Projektionen zukünftiger Entwicklungen , aber auch für die Einschätzung der Folgen von Eingriffen in die Natur und von Risiken durch Naturgefahren sowie für die Lösung vieler Grundlagenfragen .
Für diese immer klarer werdenden Randbedingungen und Herausforderungen sind die Geowissenschaften in Deutschland trotz aller Stärken nicht optimal aufgestellt . Der Fokus in der Ausbildung ist zu ausschließlich innerhalb der Teildisziplinen verankert ; Studiengänge , Disziplinen bis hin zu den geowissenschaftlichen Fachgesellschaften bieten ein stark fragmentiertes Bild . Sich verändernde Berufsfelder für die Absolventinnen und Absolventen , moderne technologische und methodische Entwicklungen wie etwa in Data Science , Modellierung , hochauflösender Analytik und Observierung in Realzeit finden ihren Weg nur zögerlich in die Forschung und Lehre . Wichtige Infrastruktur , die der Observierung kritischer Entwicklungen von Komponenten des Erdsystems dient , existiert erst vereinzelt .
Hier setzt der Zukunftsreport „ Erdsystemwissenschaft “ an . Politischen und akademischen Entscheidungsträgern einerseits und der geowissenschaftlichen Fachgemeinschaft andererseits werden Empfehlungen vorgelegt als Grundlage für die Diskussion über notwendige Entwicklungen . Zentrale Handlungsfelder betreffen die fachliche Entwicklung in Richtung Erdsystemwissenschaft , die Stärkung einer Disziplinen und Institutionen übergreifenden Vernetzung , eine moderne Lehre und Ausbildung sowie den Aufbau wichtiger Infrastruktur .
* Onno Oncken ist seit 2002 Mitglied der Leopoldina . Als Geologe arbeitet er am Geoforschungszentrum Potsdam zur Dynamik der Lithosphäre . Er ist einer der beiden Sprecher der Arbeitsgruppe , die den Zukunftsreport „ Erdsystemwissenschaft “ erstellt hat .
Zukunftsreport „ Erdsystemwissenschaft “