Leopoldina aktuell 2_2022 | Page 7

2 / 2022 // LEOPOLDINA / NEWSLETTER 7
schaft ist mittlerweile stark isoliert . Mehr als 8.000 russische Wissenschaftlerinnen und Intellektuelle veröffentlichten einen offenen Protestbrief gegen den Krieg . Das russische Regime reagiert mit zunehmenden Repressionen . Es ist kaum möglich zu bewerten , wie verbreitet die Protesthaltung in der russischen Wissenschaft ist und wie viele Dissidentinnen und Dissidenten Russland bereits verlassen haben . Vor allem die russischen Universitäten unterstützen jedoch in öffentlichen Erklärungen den Krieg . Das RAN-Präsidium hat in einer Stellungnahme die offizielle Lesart des Krieges unterstützt , aber auch eine vorsichtige Differenzierung vorgenommen .
Die Flucht aus dem Kriegsgebiet führt ukrainische Forschende und Studierende außer Landes , auch nach Deutschland . Darauf reagierte die akademische Gemeinschaft in Deutschland mit zahlreichen
„ Die Zäsur durch den Ukrainekrieg führt in der deutschen Wissenschaftsdiplomatie zu einer Neuausrichtung .“
Hilfsangeboten , die eine kurzfristige und zunächst temporäre Eingliederung in laufende Forschungsvorhaben und Studienangebote deutscher Hochschulen umfassen .
Im Auftrag der Kultusministerkonferenz und der Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen wurde die Nationale Akademische Kontaktstelle Ukraine eingerichtet . Die Website wird vom Deutschen Akademischen Austauschdienst als zentrale Informationsplattform administriert und bietet Angebote für ukrainische Forschende und Studierende in Deutschland sowie Beratung zu rechtlichen und behördlichen Aspekten .
Die Leopoldina unterstützt finanziell und organisatorisch das Programm der Polnischen Akademie der Wissenschaften ( PAN ) zur temporären Unterbringung geflüchteter Forschender aus der Ukraine an Instituten der PAN in Polen . Dies soll die Initiale einer trilateralen Zusammenarbeit zwischen der Leopoldina , der polnischen und der ukrainischen Nationalakademie beim Wiederaufbau der ukrainischen Wissenschaften nach dem Krieg werden .
Dieser Krieg stellt eine Zäsur dar , deren Folgen nicht vollständig absehbar sind . Russland hat sich mit dem Überfall auf die Ukraine selbst aus der Gemeinschaft der Staaten ausgeschlossen , die sich den Menschenrechten und dem Völkerrecht verpflichtet haben . Die Kooperation mit Russland und das Russlandbild werden auch in Deutschland neu überdacht , um mit dem „ Danach “ besser umgehen zu können .
Trilateraler Schulterschluss
Die Leopoldina setzt auf Wissenschaftsdiplomatie und greift dabei auf langjährige Erfahrungen mit der Westbalkan-Kooperation im Berliner Prozess zurück . Dort agiert sie als Vermittlerin beim Aufbau einer europäischen Zukunft für eine Region , die zwischen 1991 und 1999 mehrere Kriege erlitten hat . Die daraus folgenden Ansätze sind prinzipieller Art und stehen unter Vorbehalt der sich entwickelnden Situation .
Der primäre Fokus gilt der Ukr aine . Hier wird die Leopoldina in einem trilateralen Schulterschluss mit den Akademien Polens und der Ukraine Bedarfe für den Wiederaufbau der ukrainischen Wissenschaft identifizieren und – im Rahmen ihrer Möglichkeiten – zielgerichtete Maßnahmen entwickeln . Zudem wird die Leopoldina die enge Abstimmung mit den G7-Wissenschaftsakademien fortsetzen . Die Zäsur durch den Ukrainekrieg führt in der deutschen Wissenschaftsdiplomatie zu einer Neuausrichtung . Als einer der führenden Akteure auf diesem Gebiet wird die Leopoldina diese neue Zeit mitgestalten .
■ LB , SWE
Stellungnahmen
Allianz der Wissenschaftsorganisationen
Science7
Ad-hoc-Stellungnahme zur Energiesicherheit
Beitrag zur Diskussion um einen Stopp der Erdgaslieferungen aus Russland

Der Krieg gegen die Ukraine hat rasch zu einer intensiven Debatte über Wirtschaftssanktionen gegenüber Russland geführt . Diskutiert wurde unter anderem , keine russischen Erdgaslieferungen mehr zuzulassen . Auf welche Weise und wie schnell russisches Erdgas in Deutschland sowie in der gesamten Europäischen Union ( EU ) kurz- , mittelund langfristig durch andere , insbesondere erneuerbare Energieträger ersetzt werden könnte , erörtert die am 8 . März veröffentlichte Ad-hoc-Stellungnahme der Leopoldina „ Wie sich russisches Erdgas in der deutschen und europäischen Energieversorgung ersetzen lässt “.

Die Autorinnen und Autoren plädieren darin für die Beschaffung von Flüssiggas , das Anlegen einer robusten Reserve an Energieträgern und den Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur . Die Publikation kommt zu dem Schluss , dass auch ein kurzfristiger Lieferstopp von russischem Gas für die deutsche Volkswirtschaft handhabbar wäre . Durch die unmittelbare Umsetzung eines Maßnahmenpakets könnten Engpässe vermieden und ihre wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen abgefedert werden .
Um auf einen möglichen Stopp russischer Erdgaslieferungen in die EU vorbereitet zu sein , seien Sofortmaßnahmen , eine mittelfristige Diversifizierung der Energieversorgung und eine Einbettung dieser Maßnahmen in einen Transformationspfad hin zu einer nachhaltigen Energieversorgung notwendig . Die aktuelle Situation mache es erforderlich , den Umbau des Energiesystems noch energischer als bisher voranzutreiben .
■ RED
Ad-hoc-Stellungnahme „ Wie sich russisches Erdgas in der deutschen und europäischen Energieversorgung ersetzen lässt “