Leopoldina aktuell 2_2021 | Page 5

2 / 2021 // LEOPOLDINA / NEWSLETTER 5
Wie will man die erreichen ? Eils : Aus meiner Sicht wäre es essenziell , jeden Bürger und jede Bürgerin – und eben nicht Institutionen wie Krankenhäuser und Krankenkassen oder andere Akteure im Gesundheitsbereich – in den Mittelpunkt des Umgangs mit Gesundheitsdaten zu stellen . Dafür müssen wir jeder Person die Möglichkeit eröffnen , auf die eigenen Gesundheitsdaten digital zugreifen zu können und damit selbst zu entscheiden , wem welche Daten für welchen Zweck für eine Zweitverwertung bereitgestellt werden . Wenn diese Trendwende in der Kontrolle über Gesundheitsdaten gelingt , ist ein wichtiger Schritt gemacht .
Roland Eils ML
Der Genetiker , Bio- und Medizininformatiker nutzt Daten aus der Genomforschung und setzt Künstliche Intelligenz und Big-Data-Analytik ein , um krankheitsrelevante Prozesse zu erforschen . Seit 2018 ist Eils Gründungsdirektor des Zentrums für Digitale Gesundheit des Berlin Institute of Health in der Charité .
Foto : David Ausserhofer | BIH
Wie müsste ein internationaler Datenaustausch aufgebaut sein , damit er zuverlässig funktioniert ? Eils : Um Krankheitsbilder oder Laborbefunde einheitlich zu beschreiben , bedarf es international anerkannter Terminologien , mit denen sich eindeutig definieren lässt , welche Erkrankung zum Beispiel ein Patient hat oder wie ein Blutzuckerspiegel gemessen wurde . Es gibt bereits erfolgreiche Beispiele wie etwa die Inter- nationale Statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme oder die Systematisierte Nomenklatur der Medizin ( SNOMED ), die eine standardisierte Terminologie bereitstellen . Darüber hinaus müssen wir uns auf Standards einigen , wie wir in der heterogenen Landschaft von Gesundheits-IT-Systemen Daten nicht nur interoperabel beschreiben , sondern auch , wie wir diese in einem Gesundheitsdatenraum vertrauensvoll austauschen .
Erhoffen Sie sich dafür einen Schub vom G7-Gipfel ? Eils : In unserer Stellungnahme haben wir unter anderem die Gründung eines internationalen Gremiums empfohlen , das beispielsweise anhand der Coronavirus-Pandemie einen Vorschlag erarbeiten könnte , welche Daten in welcher Form wie und zu welchem Zwecke auf internationaler Ebene zusammengeführt werden sollten . Wenn die G7-Staaten dies anstoßen würden , wäre das ein erster Schritt .
In Deutschland hat die Entwicklung digitaler Gesundheitsdaten noch nicht richtig Fahrt aufgenommen . Wie kann die Leopoldina diesen Prozess beschleunigen ? Eils : Datenschutz wird in Deutschland im Wesentlichen als Verhinderungstatbestand gelebt . Das führt dazu , dass die Chancen von digital erhobenen , interoperablen und geteilten Gesundheitsdaten nicht einmal ansatzweise genutzt werden . Die Leopoldina könnte einen wichtigen Beitrag leisten , indem sie Leitplanken und Regeln zur vertrauensvollen und sicheren Nutzung von Gesundheitsdaten erarbeitet . Dazu brauchen wir einen Diskussionsprozess unterschiedlichster Disziplinen . Ich kann mir keine bessere Organisation als die Leopoldina vorstellen , um diese Diskussion zu führen .
■ DAS GESPRÄCH FÜHRTE BENJAMIN HAERDLE
G7 Stellungnahme „ Data for international health emergencies “
G7-Akademien legen Stellungnahmen vor
Themen sind Klimawandel , Biodiversität und Gesundheitsdaten

Im Vorfeld des G7-Gipfels in Carbis

Bay / UK vom 11 . bis 13 . Juni haben die nationalen Akademien der Wissenschaften aus Deutschland , Frankreich , Italien , Japan , Kanada , den USA und dem Vereinigten Königreich zu drei Themen wissenschaftsbasierte Empfehlungen an die Regierenden der G7-Staaten erarbeitet .
Um das Ziel von Netto-Null-Treibhausgasemissionen bis Mitte des 21 . Jahrhunderts zu erreichen , schlagen die Akademien eine Roadmap zur Dekarbonisierung vor . Es gelte , alle bereits jetzt verfügbaren emissionsarmen und -freien Technologien einzusetzen und gleichzeitig Investitionen in Forschung und Entwicklung zu steigern sowie wirtschaftliche Anreize für eine massive Emissionsreduzierung zu schaffen . Darüber hinaus müssten die G7-Staaten die Entwicklungs- und Schwellenländer auf dem Weg zur Klimaneutralität unterstützen .
Angesichts der globalen Biodiversitätskrise rufen die G7-Akademien auf , den dramatischen Artenverlust schnellstmöglich aufzuhalten und umzukehren . Dazu sollten die vielfältigen Werte der Biodiversität in die politische Entscheidungsfindung einbezogen und sektorübergreifende Lösungen zum Artenschutz gefunden werden . Zudem schlagen die Akademien ein internationales Monitoringnetzwerk vor , das den Fortschritt auf nationaler und internationaler Ebene beobachten soll .
In der dritten Stellungnahme wird der Aufbau eines zuverlässigen Systems für den weltweiten Austausch von Gesundheitsdaten empfohlen ( siehe nebenstehendes Interview mit Roland Eils ML ).
■ CHW
G7 Stellungnahmen 2021