O STG A L I Z I E N
Verewigt, verbannt, verklärt:
Heldenwelten aus Ostgalizien
Selten kommen sich Mythen, Kommerz, Historie und Moderne so nah
wie im Schritt des bronzenen Leopold von Sacher-Masoch. In den Stadt-
bildern der Westukraine zeugt jedoch weitaus mehr von den Widersprü-
chen der Erinnerungskultur. Der ukrainische Journalist Juri DURKOT
blickt für INFO EUROPA hinter die lokalen Kulissen – geradewegs in die
Gegenwart europäischer Gleichzeitigkeit.
Sacher
Masoch-
Statue
Die Bronzestatue in der Fußgängerzone von
Lwiw (Lemberg) wirkt eher bescheiden. Die klei-
ne Männerfigur hält in jeder Hand jeweils einen
Handschuh, auf der Innenseite des geöffneten
langen Rocks ist eine Frauengestalt zu sehen.
Man hätte sich ein ganz normales Schriftsteller-
denkmal vorstellen können, wenn nicht diese
weit geöffnete Hosentasche da wäre. Greift man
mit der Hand hinein, was viele TouristInnen
gerne tun, wird man des in Bronze gegossenen
Männerstolzes fündig. Die Statue ist ein Gag,
gleichzeitig aber auch ein Beispiel dafür, wie ein
Mythos kommerzialisiert werden kann.
Die Figur stellt den österreichischen Schrift-
steller Leopold von Sacher-Masoch dar, der im
nicht-deutschsprachigen Raum vor allem durch
den nachträglich entstandenen Begriff »Maso-
chismus« bekannt wurde. Der eigentliche Clou
befindet sich im Rücken des bronzenen Helden
- das Masoch-Café, wo man auf der Karte diverse
Aphrodisiaka findet und von einer als Domina
verkleideten Kellnerin in einer etwas übertrie-
ben wirkenden theatralischen Vorstellung aus-
gepeitscht werden kann. Vor einigen Monaten
wurde im Haus auch ein Hotel eröffnet, die Zim-
mer sind im Sinne der BDSM-Spiele in schwarz-
rot gehalten.
Nostalgie trifft Moderne
Die k. u. k. Zeit wird im heutigen Ostgalizien
nicht selten als das »Goldene Zeitalter« gesehen,
als Erinnerung an ein glückliches und nobles
Mitteleuropa, das im Ersten Weltkrieg unterge-
gangen ist. Das Kaiserreich wird zum Mythos
und somit zum kollektiven Helden hochstili-
siert. Nicht, dass die romantischen Kaffeehäu-
ser in den mittelalterlichen Gassen und präch-
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