25 JAHRE EU-BEITRITT
Von jenen, die erst ab 1946 das Land
verließen, stammen viele untypische
Erzählungen, zum Beispiel von Adolf
Kosnopfl: Er stammte aus einer deutschen
Familie, erlebte aber als Kind zwischen
1945 und 1949 in Jindřichův Hradec/
Neuhaus keinerlei Diskriminierung. Er
wuchs unter tschechischen Kindern auf
und lernte schnell Tschechisch. Unter den
Kindern und Volksschullehrern spielte eine
von der Sprache unabhängige, ethnische
»Nationalität« keine Rolle.
Generell bestand großes Interesse an Personen,
deren Identität und Position der eindeutigen
Zuordnung zu »Deutschen« und »Tschechen«
bzw. »Slowaken« widersprachen. Denn eine der
größten historischen Grausamkeiten in diesem
Zeitraum bestand darin, dass der zunehmend
radikalisierte Nationalitätenkonflikt eine stren-
ge Trennung zwischen den »Nationen« vorsah.
Die politische Propaganda sorgte dafür, dass vie-
le Menschen diese eindeutigen Zuschreibungen
übernahmen und der nationalistischen Partei-
lichkeit folgten.
historisch »betoniert« worden. Zugleich freuten
sich die Projektpartner, nun im Rahmen der EU
ein neuartiges transnationales Zusammenleben
mitgestalten zu können: durch gemeinsames,
freundschaftliches Forschen und Handeln im
Feld des historischen Gedächtnisses.
Buchtipp:
Geteilte Erinnerungen.
Tschechoslowakei, Nationalsozi-
alismus und die Vertreibung der
deutschsprachigen Bevölkerung
1937–1948, hg. v. Georg Traska.
Mandelbaum Verlag: Wien,
2017.
Zusammenleben im heutigen Europa
Getragen wurde das Projekt von einem gemein-
samen Bedauern über das »Ende einer Möglich-
keit«. Die Gewalt zerstörte das vielsprachige,
multiethnische, -religiöse und -nationale Zu-
sammenleben im zentraleuropäischen Raum.
Es ging nicht darum, dies nachträglich zu ver-
klären. Konflikte und Kämpfe um Hegemo-
nien gab es immer. Doch die Frontlinien und
Streitgegenstände der zentraleuropäischen
»Konfliktgemeinschaft« änderten sich fortwäh-
rend, und möglicherweise hätten auch die im
19. Jahrhundert etablierten »Nationen« wieder
an politischer Bedeutung verloren und sich in
unvorhersehbare Richtungen weiterentwickelt,
wären sie nicht im 20. Jahrhundert durch ethni-
sche Säuberungen staatlich getrennt und damit
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Video-
Standbild
»Bringing
Together
Divided
Memory«
InfoEuropa
Georg Traska studierte Kunstgeschichte
und ist Mitarbeiter des Instituts für Kultur-
wissenschaften und Theatergeschichte
der Österreichischen Akademie der
Wissenschaften. Er arbeitet als Kurator mit
dem Volkskundemuseum Wien, der Öster-
reichischen Mediathek und der Landes-
galerie Niederösterreich zusammen und
ist spezialisiert auf videounterstützte und
partizipative Forschungen. Seine jüngste
Ausstellung war »Schulgespräche – Junge
Muslim/innen in Österreich«