K O M M E N TA R
Sie bauten die Brücken für
unseren Frieden
Wie kann eine europäische Erinnerungskultur aus feministischer Per-
spektive aussehen? In ihrem Kommentar formuliert die Frauenrechts-
Aktivistin Heidi Meinzolt einige Gedankensplitter zum Projekt Frauen
wählen Frieden und zeigt auf, was die »Heldinnen« von gestern mit den
Herausforderungen von heute verbindet.
Bei der
Züricher
Konferenz
1919 wurde
die Inter-
nationale
Frauenliga
für Frieden
und Freiheit
gegründet.
Pionierinnen
wie Anita
Augspurg,
Lida Gustava
Heymann,
Yella Hertzka
und Vilma
Glücklich
richteten
ihre
Forderungen
an die Ver-
handler in
Versailles.
Aleida Assmann fordert in ihrem klugen Buch
über »das neue Unbehagen an der Erinnerungs-
kultur«, die Erinnerungsarbeit aus dem akade-
mischen Spezialistentum herauszuholen. Gera-
de in einer Zeit, in der die Solidarität in Europa
abzunehmen scheint, sollten wir uns Geschich-
te mit identitätsstiftender Wirkung gemeinsam
aneignen und uns weiterhin kritisch mit Leer-
stellen der Vergangenheit auseinandersetzen.
Hier setzt das Projekt Frauen wählen Frieden an:
Es rückt die Namen und Geschichten von Frau-
enrechtlerinnen und Friedensaktivistinnen aus
einer Nische ins öffentliche Bewusstsein und
diskutiert ihre Wirkungsmacht und Inspiration
für die Gegenwart.
Befreiung ohne Heldentum
Den direkten Anlass sich zu erinnern bot das Ju-
biläum 100 Jahre Frauenwahlrecht im Vorjahr.
Nur wenige der Protagonistinnen der Gleichbe-
rechtigung gehören zu jenen klassischen Hel-
dinnen der Geschichte, die in Schulbüchern und
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Kolloquien besprochen werden. Sie bewiesen
Mut, sich einem gesellschaftlichen Mainstream
entgegenzustellen, der Nationalismus und Mi-
litarismus beförderte, patriarchale Strukturen
fortschrieb und Frauen wirtschaftlich wie sozial
diskriminierte. Sie handelten ganz im Sinne von
Frieda Perlen, die 1919 am Züricher Kongress
festhielt: »Eine Befreiung kann es nicht im Hel-
dentum, sondern nur mit geistigen Waffen ge-
ben.« Zu Beginn des 20. Jahrhunderts blies die-
sen »Heldinnen« ein scharfer Wind ins Gesicht,
wenn sie durch kluge Analysen die Wurzeln für
Krieg und Gewalt in der Profitgier und den Pri-
vilegien der Wirtschaft entlarvten und forderten
»die Waffen niederzulegen« (Bertha von Sutt-
ner) und universell abzurüsten. Die Frauen, die
sich 1915 in der Internationalen Frauenliga für
Frieden und Freiheit (IFFF) zusammenschlos-
sen, ließen nicht locker in ihrer Überzeugung,
dass sich Kriege vermeiden ließen – natürlich
unter Einbezug von Frauen an Entscheidungen.
Sie glaubten unter anderem an die Wirkungs-
kraft des Völkerbundes als eine internationale
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