Kreisel Ausgabe 7 - Unterhaching - 24. Jahrgang | Page 49

gewisse Portion Sturheit und ich glaube nicht , dass ihn große Selbstzweifel plagten . Dazu war er ein Autodidakt , der mit zunehmendem Lebensalter immer mehr zu der Überzeugung kam , dass sein Weg schon der richtige ist .
Vielen ist im Stadion damals die Kinnlade heruntergefallen , als vor einem Spiel bekanntgegeben wurde , dass Hans-Jürgen Kreische zum letzten Mal für Dynamo Dresden aufläuft . Ist das eine Entscheidung , die rückblickend als Fehler bezeichnet werden könnte ? Na klar war das ein Fehler . Aber dazu muss man verstehen , dass die beiden eine Art Hassliebe verband . Wie mir beispielsweise Wolfgang Hänel oder Manfred Scheler aus der damaligen Clubführung bestätigt haben , hatte Fritzsch sehr wohl von Anfang an das große Potenzial von „ Hansi “ Kreische erkannt und wollte aus ihm sogar einen europäischen Topspieler machen . Er wollte aber nicht zulassen , dass aus diesem Topspieler dann auch ein Star wird , weil er was gegen Stars hatte . Genau das war allerdings sein Denkfehler , da ein europäischer Topspieler automatisch auch ein Star ist .
Das führte zu Konflikten … Wenn man ehrlich ist , und das weiß auch der Hans , prallten da zwei Sturköpfe aufeinander . ( lacht ) Dieses Verhältnis hätte davon gelebt , wenn es Fritzsch verstanden hätte , Kreische auf seine Seite zu ziehen . Ich denke , ab 1973 , spätestens ab 1975 war das Verhältnis jedoch so gestört , dass es nicht mehr zu kitten war . Das hat rückblickend auf jeden Fall eine gewisse Tragik , weil ich glaube , dass Dynamo , falls es Walter Fritzsch gelungen wäre , mal für zwei , drei Jahre diesen permanenten Verjüngungsprozess auszusetzen , berechtigte Chancen gehabt hätte , den Europapokal zu holen . Die Qualität dazu war da .
Hatte er einen Lieblingsspieler ? Nein , das hat er vermieden . Das Kollektiv stand im Vordergrund und sobald ein Spieler ab 25 eine eigene Meinung hatte , wurde das wie gesagt mitunter relativ schwierig . Ich glaube , – und das ist jetzt eine schöne Illusion – dass Hansi Kreische sein Lieblingsspieler geworden wäre , wenn die
„ Er wollte aber nicht zulassen , dass aus diesem Topspieler dann auch ein Star wird , weil er was gegen Stars hatte .“
beiden menschlich zueinander gefunden hätten . Kreische brachte alles mit , um perfekt in Walters Vision vom Fußball zu passen . Aber vielleicht ist es am Ende auch gerade deshalb nicht gelungen .
Du bist im Besitz seiner Tagesbücher . Wie bist du an diese einmalige Sammlung gekommen ? Das hat sich eher zufällig ergeben . Ich hatte wie gesagt einen Bezug zu ihm aufgebaut und das Thema hat mich spätestens seit dem erwähnten Interview gefesselt . Dann wurden irgendwann seine Besuche im Stadion seltener und ich hörte , dass es ihm gesundheitlich nicht so gut geht . 1997 ist er dann leider verstorben . Als wir rund zehn Jahre später in Zusammenarbeit mit dem Verein den Film „ Der kleine General “ produzierten , habe ich irgendwann beim Nachlassverwalter angefragt , ob ich denn mal in die Tagebücher schauen dürfe und bekam prompt den ganzen Koffer mit . Später bekam ich den Auftrag , gut auf die Bücher aufzupassen und sie vor allem zusammenzuhalten .
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