Kreisel Ausgabe 7 - Unterhaching - 24. Jahrgang | Page 50

Interview
Wie war der Moment , als du diesen dann zum ersten Mal geöffnet hast ? Das weiß ich noch sehr genau . Ich habe ihn zuhause zum ersten Mal geöffnet und sofort kam mir gewissermaßen ein Lebenshauch Fritzsch entgegen . Anschließend saß ich tage- und wochenlang daran , um für den Film zu recherchieren . Zugegebenermaßen war ich damals etwas überfordert von der Fülle dieser ganzen Informationen und konnte erst in den Jahren danach so richtig tief in die Materie eintauchen . Vermutlich habe ich den Umfang erst bei der Recherche für das Buch so ganz erfasst .
Was verraten die Tagebücher über den Autor ? Also erst einmal frage ich mich seit langer Zeit , ob es überhaupt einen zweiten vergleichbaren Fall gibt , der wirklich über 55 bis 57 Jahre täglich Tagebuch geführt hat . Das ist keine Literatur , die man da in der Hand hält . Walter war eher Chronist in eigener Sache in einer unfassbar spannenden Zeit . Wir reden über die Jahre 1938 bis 1995 . Die Bücher verraten , wie euphorisch
„ In Summe bekommt man einen überwältigenden Einblick in sein Leben und eine besondere deutsche Biografie .“
eine Generation in den Krieg geschickt worden ist und anschließend das unfassbare Grauen erlebt hat . Dann ist es genauso spannend zu lesen , wie er den Umbruch und den Neuaufbau im Osten festhält , bis hin zu der Zeit , in der er als Cheftrainer Fuß fassen konnte . In Summe bekommt man einen überwältigenden Einblick in sein Leben und eine besondere deutsche Biografie . Ich glaube nicht , dass er das für Dritte geschrieben hat , sondern das Schreiben ihm als ein Stück Lebenshilfe diente . Dem einzigen , dem er sich anvertraut hat , war sein Tagebuch .
Welcher Teil seiner persönlichen Notizen hat dich am meisten berührt ? Mir ist unter anderem der Satz ‚ Ich komme endlich an die Ostfront ‘ unter die Haut gegangen . Dabei muss man natürlich sehen , wie er und auch sein Schulkumpel Heinz Krügel ( Gewann als Trainer mit dem 1 . FC Magdeburg 1974 den Europapokal der Pokalsieger , Anm . d . R .), den er seit der 1 . Klasse kannte , durch die Propaganda in den 1930er Jahren geprägt wurden . Anschließend haben sie an der Front jahrelang Dreck gefressen und wenn man liest , wie Fritzsch dieses Grauen im Stakkato-Stil schildert – angefangen bei Nahkampftagen über die immer kleiner werdenden Essensrationen bis hin zum Leben in den Schützengräben in der Nähe von Moskau – wird einem einmal mehr bewusst , welches Glück wir als nachfolgende Generation haben , so etwas nicht erlebt haben zu müssen .
Wenn man so lange Tagebuch führt , hat das auch viel mit Disziplin zu tun . Wie hat Walter Fritzsch gelebt ? Man kann sich jetzt streiten , ob der Fleiß , die
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