12 Politik und Religion
Religionsfrieden als Grundlage für Stabilität
Das Verhältnis zwischen Staat und Kirche ist eine sensible Angelegenheit. Nicht umsonst liegt die Kirchenhoheit in der Schweiz bei den Kantonen, welche in diesem Bereich ganz unterschiedliche Traditionen
haben. Die massive Zuwanderung hat in den vergangenen Jahren zu einer zunehmenden Durchmischung
der Religionen geführt. Dies wirft neue Fragen auf, welche die Politik beantworten muss.
von Nationalrat Gregor Rutz, Zürich (ZH)
Volk muss mitreden können
Die meisten Kantone kennen eine
verfassungsmässige Anerkennung,
verbunden mit der Verleihung der
öffentlich-rechtlichen Persönlichkeit
und Privilegien wie Datenzugang,
Anstaltsseelsorge oder dem Recht,
Steuern zu erheben. Eine Verfassungsregelung erfordert immer die
Zustimmung der Bevölkerung – ein
wichtiger Punkt hinsichtlich der Wahrung des religiösen Friedens.
S
eit Bestehen des Bundesstaats war
die Gewissens- und Kultusfreiheit
immer gewährleistet – wenn auch
mit gewissen Einschränkungen. Während dieses Freiheitsrecht früher eher eine
Massnahme zur Sicherung des religiösen
Friedens war, stehen heute die Entfaltungsmöglichkeiten des Einzelnen sowie
die Frage nach dem richtigen Verhältnis
von Staat und Kirche im Vordergrund.
Die Religionsfreiheit erfordert die Neutralität des Staates gegenüber einzelnen
Konfessionen. Die Neutralitätspflicht
gilt in der Schweiz nicht absolut wie
z.B. in Frankreich: Sie findet ihre Grenzen in der öffentlich-rechtlichen Anerkennung von Religionsgemeinschaften.
Die meisten Kantone kennen eine solche Anerkennung, abgesehen von den
Ausnahmen mit einem Trennungsmodell (Genf, Neuenburg).
schränkt sind, gibt es bei der katholischen Kirche meist eine dualistische
Lösung. Anerkannt wird eine speziell
zum Zweck der Anerkennung gebildete
Körperschaft – und nicht die offizielle
Kirche gemäss CIC. Diese holprige Lösung funktioniert nur darum halbwegs,
weil die betroffenen Glaubensgemeinschaften in der Schweiz heimisch sind.
Ungleich komplizierter ist die Situation
bei islamischen Gemeinschaften, welche nicht als Vereine organisiert und
sprachlich wie kulturell hierzulande
nicht verwurzelt sind. Die Anerkennung
von Dachvereinen befriedigt nicht und
vermag die muslimischen Eigenheiten
nicht zu erfassen. Mit einem solchen
– verschiedenenorts diskutierten – Vorgehen würden Spannungsfelder übertüncht und Scheinlösungen getroffen.
In jüngerer Zeit geht der Trend jedoch
in eine andere Richtung: Es werden
„Anerkennungsgesetze“ beschlossen,
aufgrund welcher Parlament oder Regierung direkt weitere Gemeinschaften
anerkennen können. Diese „kleine Anerkennung“ bringt weniger Privilegien,
dafür aber auch weniger Auflagen. Ein
solches Anerkennungsgesetz schlug
jüngst der Kanton Waadt vor.
Die Kantone täten besser daran, auf eine
Entflechtung von Staat und ReligionsgeMuslime anerkennen?
meinschaften hinzuwirken. Ansonsten
Die Frage der Anerkennung stellt sich wird der erste Gerichtsentscheid, welcher
ganz unterschiedlich. Während Struk- unter dem Titel des Diskriminierungsverturen von evangelischer Kirche und bots die Anerkennung verordnet, nicht
reformierten Kantonen oft eng ver- mehr lange auf sich warten lassen.
«Hirnlose Provokation»
Der islamische Zentralrat der Schweiz (IZRS) stellt ein neues Video online, das
wie eine Drohun