Interaktiv - Das Kundenmagazin des Fraunhofer IPA 3.2018 | Page 18
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Interview
interaktiv 3|2018
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»Daten sind der Schlüssel«
Die Themen Maschinelles Lernen und Künstliche Intelli -
Interview
Lehre zu tun. Das hat mir wahnsinnig viel Spaß gemacht und
genz für die Produktion treibt das Fraunhofer IPA inten- ich habe selbst über Dinge noch etwas gelernt, die ich eigent-
siv voran. Verstärkung erhält das Institut hierbei neuer- lich schon gut kannte. Dieser andere Blickwinkel des Dozenten
dings von Professor Marco Huber. Er arbeitete nach der war sehr lehrreich. Deshalb habe ich auch weiter gelehrt, als
Universität bereits bei einem Fraunhofer-Institut, ging ich schon in der Industrie war. Schön an der Universität war
dann in die freie Wirtschaft und kehrt nun wieder in die auch, dass man lange einen Gedanken verfolgen und an Grund -
Wissenschaft zurück. Interaktiv sprach mit ihm über lagen, an abstrakten Ideen arbeiten kann. Das ist nicht selten
Trends des Maschinellen Lernens, wirtschaftliche Vor - Arbeit für den Papierkorb, aber wenn dann etwas funktioniert,
teile der neuen Technologien und wie Unternehmen ist es umso zufriedenstellender.
zusammen mit dem IPA diese Technologien für sich
erproben können.
Und was haben Sie aus der Zeit in der freien Wirtschaft mit-
genommen?
Herr Huber, Sie sind seit ein paar Wochen als Professor an der
Universität Stuttgart und zugleich als Leiter des »Zentrums für Prof. Huber: Die Probleme in der Industrie sind natürlich ganz
Cyber Cognitive Intelligence« ZCCI am Fraunhofer IPA ange- anders geartet. Es geht um Produkte und den Business Case
stellt. Beschreiben Sie uns bitte Ihre Rollen und Aufgaben.
dahinter, die funktionieren müssen. Das ist eine andere, aber
ebenso wichtige Sichtweise. In den letzten Jahren war ich für
Prof. Huber: Richtig, ich habe in der Tat zwei Hüte auf. Am die Produktentwicklung einer Software verantwortlich. Durch
IFF der Uni Stuttgart bin ich stellvertretender Institutsleiter und die agilen Methoden der Software-Entwicklung habe ich auch
baue eine Forschergruppe zum Thema kognitive Produktions - dort viel gelernt. Man arbeitet in kürzeren Zyklen als im klassi-
systeme auf. Diese ist deutlich grundlagenorientierter, was schen Projektmanagement und kann sich sehr schnell auf Ver -
wahrscheinlich der größte Unterschied zur Arbeit am ZCCI ist, änderungen einstellen. Zudem habe ich die ganze Bandbreite
das ja den Anwendungstransfer zur Aufgabe hat. Am ZCCI der Produktentwicklung mitbegleitet: also von der Idee über
wiederum bin ich wissenschaftlicher Leiter. Dort bringe ich die die Marktanalyse, den Wettbewerb, welche Features bringen
Themen Maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz für wir, wie testen wir, was braucht das Marketing und wann
die Produktion voran und in die Anwendung.
kommt das Release. All das muss geplant werden und hat am
Ende gut geklappt. Als das »Baby« auf den Markt kam, war
Da ich schon einmal bei Fraunhofer als Gruppenleiter tätig und
das ein schöner Erfolg.
zugleich für einen Lehrstuhl an der Universität verantwortlich
»Die Frage, ob man also vor Künstlicher
Intelligenz Angst haben müsste, können
wir solange mit Nein beantworten, bis
ein Roboter auf einer Party zunächst
zuverlässig alle Personen erkennt, uns
dann ein Essen kocht und sich während-
dessen mit uns angeregt über Politik
unterhält und im Anschluss etwas am
Klavier vorspielt.«
Prof. Dr.-Ing. Marco Huber
Leiter Zentrum für Cyber Cognitive Intelligence ZCCI
war, kenne ich diese Doppelposition. Der große Vorteil ist Im April dieses Jahres wurde das ZCCI eröffnet, das sich mit
natürlich, dass man die ganze Bandbreite der Forschung von Technologien des Maschinellen Lernens sowie Künstlicher
der ersten Idee bis zur Anwendung im Unternehmen beglei- Intelligenz beschäftigt und dessen Leitung Sie innehaben.
tet. Ein Nachteil ist vielleicht, dass man auch den doppelten Welchen Stand der Technik hat das Maschinelle Lernen aktuell,
Verwaltungsaufwand hat. Generell plane ich, beide Rollen welche Themen werden erforscht?
nicht zu stark zu trennen und nicht zwei isolierte Forscher -
gruppen zu haben, die nicht miteinander reden. Ich glaube, Prof. Huber: Besonders dominant ist das Thema Deep Learning,
das wäre das Schlechteste, was passieren kann. Stattdessen also tiefe neuronale Netze. Mit diesen kann man komplexe
sollen sie wechselseitig voneinander profitieren. Auf jeden Fall Fragestellungen lösen, von denen man bisher dachte, dass sie
freue ich mich auf die Aufgabe und denke, dass ich den Spagat dem Menschen vorbehalten seien. Ein berühmtes Beispiel ist
gut hinbekomme.
der Sieg des Google-Programms AlphaGo im Spiel Go. Hierbei
wichtig ist das sogenannte Reinforcement Learning für das
Neben Ihrer akademischen Laufbahn bringen Sie auch einige Planen von Aktionen. Übertragen auf die Produktion kann
Jahre Erfahrung aus der Industrie mit. Was sind für Sie zu - man sich einen Roboter vorstellen, der nicht mehr program-
nächst prägende Erfahrungen an der Universität gewesen?
miert wird, sondern seine Tätigkeit mithilfe eines Algorithmus
nach dem Prinzip »Trial and Error« lernt. Also wie ein Kind
Prof. Huber: Ich habe meine akademische Laufbahn in einem durch Versuch und Irrtum. Ein weiterer Trend ist sicher das
Graduiertenkolleg begonnen, das eigentlich »nur« der schnel- Transfer Learning. Hier geht es darum, Erfahrungen und
len Promotion dienen sollte. Tatsächlich hatte ich bereits mit Wissen aus einmal Gelerntem auf ähnlich geartete Aufgaben
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