Interaktiv - Das Kundenmagazin des Fraunhofer IPA 3.2016 | Page 12

interaktiv 3|2016 Beim sogenannten »autologen« Ansatz für individuelle Zell- Titel Beschleunigte Diagnostik therapeutika wird neues Gewebe aus Zellen gewonnen, die dem Patienten zuvor entnommen wurden. Das Haut- oder Auch bei der klassischen Chemotherapie gibt es Optimierungs- Knorpelimplantat, das so entsteht, unterscheidet sich nicht bedarf, erklärt Prof. Jan Stallkamp, Leiter der IPA-Projektgruppe von den körpereigenen Zellen und ruft daher keine Abstoßungs- für Automatisierung in der Medizin und Biotechnologie PAMB reaktionen hervor. Auch Implantate aus Fremdmaterialien wie in Mannheim. Sein Team arbeitet eng mit den Medizinern am beispielsweise Keramik oder Titan lassen sich mit körpereige- dortigen Universitätsklinikum zusammen. »Unser Ziel ist eine nen Zellen beschichten, sodass ein optimales Einwachsen ge- Vernetzung und Automatisierung von Diagnose und Therapie, währleistet ist. Ein anderes Einsatzgebiet für Zelltherapeutika die Hand in Hand geht mit einer individualisierten Medizin.« ist die Krebstherapie: Körpereigene Zellen können so umprogrammiert werden, dass sie Tumorzellen erkennen und angreifen. Bisher müssen Krebspatienten im Krankenhaus verschiedene Stationen anlaufen, bevor der Onkologe eine Therapie emp- Noch steckt der Zelltherapie-Markt in den Kinderschuhen, fehlen kann. All das kostet Zeit und zehrt an den Nerven. Opti- doch es gibt bereits hunderte von Studien; einige davon in mierte Abläufe, bei denen verschiedene Schritte zusammen- der klinischen Phase. Für die klinischen Tests werden jetzt gefasst werden, sollen die Diagnostik eines Tages beschleuni- größere Mengen von Zellen benötigt. »Das ist für die jungen gen. Im Mannheimer »Interventionsraum« wird die Zukunft ATMP-Unternehmen eine enorme Herausforderung, denn schon geprobt: Der Experimental-OP verfügt u. a. über das die gesamte Herstellung basiert derzeit noch auf manuellen Hightech-Röntgensystem »Artis zeego« und ein System zur Verfahren, die aufwendig, teuer und nicht schnell genug roboterunterstützten Biopsie. Demnächst wollen die Forscher sind für eine Produktion im großen Stil«, sagt Traube. auch ein automatisiertes Diagnose-System anschließen. »DiagnoSYS« wurde entwickelt, um die Chemosensitivität stützt Partner und Kunden, validierte Methoden aus Branchen fizierung wird künftig Ärzten helfen, die für ihre Patienten ge- wie dem Automobilbau im Gesundheitssektor erfolgreich ein- eigneten Medikamente auszuwählen. zusetzen. Der ganzheitliche Ansatz des Fraunhofer IPA setzt Zusammen mit ihrem Team entwickelt die Wissenschaftlerin von Krebspatienten zu testen. Diese entscheidet darüber, jetzt Produktions- und Automatisierungsstrategien für Zell- welche Chemotherapeutika für die Behandlung geeignet therapeutika: »Im Prinzip unterschieden sich die Produktions- sind. Das Gerät kann mithilfe der Zellproben, die bei der prozesse, die überwiegend in Reinräumen durchgeführt wer- Biopsie entnommen wurden, analysieren, welche Wirkstoff- hierbei neben den vernetzten cyberphysischen Systemen auch Individuell auf den einzelnen Patienten abgestimmte den, nicht von denen, die zum Beispiel Chiphersteller einset- Kombinationen die vielversprechendsten sind – eine große auf rein organisatorische Anpassungen zur Effizienzsteigerung. Arzneimittel zen«, ergänzt Traube. »Die Erfahrungen mit Abläufen und Hilfe für den Arzt. Im Rahmen des Kompetenzfeldes »LEAN Lab« vermittelt ein interdisziplinäres Team um Oliver Schöllhammer und Mario Bott Qualitätskontrollen, die wir hier gesammelt haben, werden Menschen sind verschieden – Medikamente, die dem einen jetzt an gepasst an die Regularien der Good Manufacturing Von der neuen, schnellen Diagnostik sollen künftig insbeson- Werkzeuge zur Analyse und Verschwendungsvermeidung im Patienten helfen, können bei einem anderen wirkungslos sein. Practice (GMP).« Ziel der Forschung ist es, die Effizienz der dere Krebspatienten profitieren, bei denen der Primärtumor Labor unter Einsatz von Methoden des LEAN-Management. Doch wie findet man das richtige Präparat? Bisher half meist Produktion und damit den Durchsatz zu erhöhen, die Qualität bereits Metastasen gebildet hat. nur Herumprobieren. »Das Trial-and-Error-Verfahren kostet zu verbessern und die Kosten zu senken. Insbesondere für anspruchsvolle Laborprozesse ist eine Auto- jedoch Zeit, Ressourcen und ist für den Patienten meist auch matisierung ein notwendiger Schritt, um Durchsatz und Qualität mit verschiedenen Nebenwirkungen verbunden«, weiß Andrea zu vertretbaren Kosten realisieren zu können. So konnten Traube vom Fraunhofer IPA. »Die Forschung geht daher immer Fraunhofer-Forscher im Projekt »RIBOLUTION« die Entwicklung mehr in Richtung personalisierte Medizin. Deren Ziel ist es, und Validierung von neuartigen Biomarkern entscheidend vor- Medikamente herzustellen, die zugeschnitten sind auf die Be- anbringen. Tausende von Blutproben mussten zur Validierung dürfnisse des einzelnen Patienten und Nebenwirkungen auf der potenziellen Biomarker untersucht werden. Diese Biomarker ein absolutes Minimum reduzieren.« sollen eine patientenspezifische Diagnose und Behandlung von Krankheiten wie Prostatakrebs oder rheumatische Arthritis Ansätze für eine solche individuelle Therapie gibt es viele, aller- ermöglichen. Um das Screening von Biomarkern zu optimieren, dings ist die Entwicklung und Herstellung der Therapeutika entwickelten die Forscher ein kontaktfreies Nanodosierverfahren, derzeit noch extrem teuer. Um die neuen Advanced Therapy das die Miniaturisierung der Assays um 90 Prozent erlaubt. Medicinal Products, kurz ATMP, im großen Maßstab produzie- Dank einer ausgetüftelten Prozessautomatisierung lassen sich ren zu können, sind komplexe Anlagen notwendig. Diese be- die Proben jetzt schnell und kostengünstig analysieren. Die finden sich derzeit noch im experimentellen Stadium. »Unser Ergebnisse der RNA-Analyse werden mit der Krankengeschichte Ziel ist es, die Laborprozesse in die industrielle Anwendung zu der Patienten korreliert und Gruppen zugeordnet. Diese Klassi- überführen« erklärt die Leiterin der Gruppe »Automatisierte Zell- und Gewebekultur«. 13