Interaktiv - Das Kundenmagazin des Fraunhofer IPA 3.2016 | Page 40
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Im Gespräch
interaktiv 3|2016
»Frugal und ›easy to use‹
gehören zusammen.«
Matthias Volm (Director Basic R&D, Homag Group)
interaktiv 3|2016
wissen, was beispielsweise der asiatische Markt braucht.
Wenn ich zum Beispiel im Highentry- oder Midend-Bereich
für China entwickle, muss ich die Komplexität von vornherein
reduzieren. Außerdem haben wir global definierte Baukästen,
um Kosten im Einkauf, in der Produktion und im Vertrieb zu
»Gerade im mittleren Segment
der Marktpyramide können
Anteile gewonnen werden.«
Dr. Dietrich Birk, Geschäftsführer des VDMA Baden-Württemberg
Im Gespräch
Kann ein solches Umdenken nur mit einem Partner aus
Fernost gelingen?
Dr. Birk: Das hängt von der jeweiligen Unternehmensstrategie
ab. Grundsätzlich ist ein Lösungspartner vor Ort immer
senken. So können wir, ausgehend von verschiedenen Platt-
wünschenswert. Aber es muss auch bei
formen, zu günstigen Kosten vom Einstiegsmodell bis zur
uns ein entsprechendes Bewusstsein ge-
Highend-Anlage alles abbilden.
schaffen werden. Sonst droht der deutsche Maschinen- und Anlagenbau in das
Warum tun sich deutsche Ingenieure mit schlichten Lösungen
Spitzensegment der Marktpyramide abge-
so schwer?
drängt zu werden und das mittlere Segment zunehmend an Konkurrenten aus
Volm: Es ist schwierig, den Entwicklern in Deutschland die
Schwellenländern, vor allem aus Asien,
unterschiedlichen Qualitätsansprüche unserer Kunden in den
verloren zu gehen. Gerade dort könnten
Emerging Markets im Vergleich zu Zentraleuropa verständlich
aber in den nächsten Jahren und Jahr-
zu machen. Die Entwickler möchten immer auf höchstem
zehnten große Marktvolumina erschlossen
technischem Niveau entwickeln. Außerdem hat sich in Zentral-
werden. Wir müssen uns ganz aktiv ein-
europa ein hoher Standard etabliert. Auf Messen schaut man,
bringen, um an diesen Märkten zu partizi-
was die anderen machen. Jeder möchte dem Wettbewerb
pieren.
einen Schritt voraus sein und dem Kunden eine noch bessere,
Herr Volm, die Homag Group AG ist ein renommiertes Unter-
individuellere oder intelligentere Lösung bieten. Bei der Suche
Inwieweit beschäftigen sich Unternehmen
nach der »good enough«-Maschine müssen neue Wege
heute schon mit frugal?
gefunden werden.
nehmen, das Holzverarbeitungsmaschinen und Anlagen für
Dr. Birk: Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt bereits eine ganze
die Möbelindustrie herstellt. Es beschäftigt knapp 6000 Mit-
An welchen Stellen darf man bei frugalen Maschinen keine
Sie vertreten in Baden-Württemberg rund 800 Unternehmen
Reihe von Maschinenbauern in Baden-Württemberg, die das
arbeiter. Spielen frugale Produkte bei Ihnen schon eine Rolle?
Abstriche machen?
des Maschinen- und Anlagenbaus. Würden Sie ihnen raten,
Thema angehen. Denken Sie etwa an Holzbearbeitungsma-
sich mit dem Thema frugal auseinanderzusetzen?
schinen. Denn Holz wird in Schwellen- und Entwicklungs-
Dr. Birk: Ich würde es nicht allen empfehlen. Aber eine Branche,
mend weiterverarbeitet. Oder Nahrungs- und Verpackungs-
Volm: Wenn wir »frugal« unter dieser Definition der Wissen-
Volm: Man muss die Maschinen leicht bedienen können,
schaft betrachten, so muss ich sagen, dass wir hier schon
das ist eine Herausforderung frugaler Entwicklungsprozesse.
ländern nicht nur erzeugt, sondern inzwischen auch zuneh-
lange aktiv sind. Wir sind schon sehr früh mit Produktions-
Frugal und »easy to use« darf kein Widerspruch sein. Viele
die so stark vom Export abhängig ist wie unsere, muss frugale
maschinen. Die Lebensmittelhygiene wird in Schwellen- und
standorten nach China, Indien, Brasilien und in die USA ge-
Unternehmen bauen Maschinen, die Know-how für die Be-
Maschinen und Anlagen ins Blickfeld nehmen. Es geht um die
Entwicklungsländern immer wichtiger und erfordert neue
gangen und sind derzeit dabei, dort auch qualifizierte Entwick-
dienung brauchen. Der Maschinenbediener ist immer seltener
Entwicklung, die Produktion und den Vertrieb von Maschinen
Maschinen, aber keine hochproduktiven Verpackungsanlagen
lungsstandorte zu schaffen. Denn deutsche Ingenieure tun
ein Fachspezialist.
des mittleren Marktsegments, wo inzwischen starke Wettbe-
nach europäischem Standard.
werber aus Asien nachgerückt sind.
sich schwer, direkt für die Emerging Markets Produkte zu ent-
Welche Rolle kann Fraunhofer dabei spielen, ein Bewusstsein
wic keln, die dort genau den Anforderungen der Kunden ent-
Das gilt übrigens auch für Highend-Märkte – und zwar sogar
sprechen. Wir entwickeln für die Emerging Markets und die
in noch stärkerem Maß. Denn viele Großindustriekunden stellen
Manche Experten bezweifeln, dass deutsche Unternehmen
Bedürfnisse der Kunden und Märkte vor Ort angepasste Ma-
Leute an die Maschinen, die gestern noch einen ganz anderen
überhaupt fähig sind, schlichte Maschinen zu bauen. Können
Job gemacht haben. Insofern braucht man auch bei der High-
deutsche Ingenieure alles außer einfach?
schinen und vertreiben sie auch dort.
end-Maschine einen frugalen Ansatz.
für frugale Produktion zu schaffen?
Dr. Birk: Fraunhofer ist ein wichtiger Partner im Bereich des
Wissens- und Technologietransfers. Die Institute können einen
Dr. Birk: Frugal heißt nicht einfach. Der Entwicklungsprozess
bedeutenden Beitrag leisten, um Unternehmen für frugale
zu einem frugalen Produkt kann sehr komplex sein. Aber es
Maschinenkonzepte zu sensibilisieren und solche Konzepte
Volm: Definitiv. Die Maschinen sind sehr robust und besitzen
stimmt schon, dass unsere Ingenieure sehr technologiegetrie-
umzusetzen – eine Win-Win-Situation.
zudem hochwertige Komponenten. Natürlich muss man
ben ausgebildet sind. Man muss künftig stärker von der
Kann man die als frugal bezeichnen?
Zielgruppe und deren Bedürfnissen her denken, besonders für
den Markt in den Schwellen- und Entwicklungsländern. Dort
liegt der Schwerpunkt für frugale Maschinen und Anlagen.
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