Interaktiv - Das Kundenmagazin des Fraunhofer IPA 1.2020 | Page 26
26
Blickpunkt interaktiv 1|2020
Biopolymere für den
3D-Druck
Komplett natürlich und biologisch abbaubar
In den letzten Jahren hat die Technologie der additiven Ferti -
gung, bekannter als 3D-Druck, große Zuwächse verzeichnet.
Ein Großteil der verdruckten Materialien sind Kunststoffe, mit
denen viele Nonsense-Produkte wie Einmalsonnenbrillen ge -
druckt werden und die zur weltweiten Müll- und CO 2 -Proble-
matik beitragen, wie das Umweltbundesamt in seiner Studie
zu den Umweltfolgen des 3D-Drucks feststellte. Alternative,
aus biologischem Material hergestellte Kunststoffe können
dieses Problem nicht lösen, da sie nicht vollständig abbaubar
sind und ihre Herstellung energieintensiv ist. Zugleich fallen in
der Agrar- und Forstwirtschaft große Mengen an bisher ungenutzten,
abbaubaren Biopolymeren an, die das Potenzial haben,
nicht-biologische Polymere zu ersetzen. Einige Biopoly mere
wie Cellulose wurden bereits im 3D-Druck eingesetzt. Jedoch
müssen chemische Bindemittel wie Formaldehyd zugegeben
werden, um mechanische Eigenschaften ähnlich denen von
Kunststoffen zu erreichen, wodurch die Endprodukte nicht
mehr biologisch abbaubar sind.
Ein erstes Projekt befasst sich mit der Vernetzung von Chitin,
das aus Krabbenschalen gewonnen wird. Nach einer Vorbe -
handlung mit heißer Lauge geben die Wissenschaftler Laccasen
und natürliche Gerbstoffe, sogenannte phenolische Verbind
ungen, zu den vorbehandelten Chitinpartikeln. Dabei werden
die Gerbstoffe auf der Oberfläche der Partikel gebunden, die
dann untereinander weitere stabile Bindungen ausbauen können.
Die nun einsetzende Kettenreaktion können die Wissen -
schaftler besser kontrollieren, wenn sie die Partikel in eine
Matrix aus Gelatine geben. Der abschließende Aushärtungs -
prozess wird durch ein weiteres Enzym, die Transglutaminase,
die die Gelatine vernetzt, beschleunigt. Entsprechend der
gewählten Kombinationen aus Enzym- und Substratkonzen -
trationen sowie Prozesstemperaturen konnte das Fraunhofer
IPA mechanische Eigenschaften ähnlich denen von
Kunststoffen erhalten.
Vernetzendes Enzym Lignin aus Restholz
Stabil durch Chitin aus Krabbenschalen
Das Forscherteam am Fraunhofer IPA um Dr. Kristin Protte
und Dr. Oliver Schwarz befasst sich daher mit der Entwicklung
von Herstellungsverfahren verdruckbarer Biopolyme rmaterialien,
die komplett biologisch abbaubar sind und ihre Stabilität durch
Einsatz vernetzender Enzyme erhalten. Der Fokus liegt auf dem
Einsatz angepasster Enzymsysteme, mit denen ein robuster
Herstellungsprozess etabliert werden kann.
Neben Chitin wird auch der Einsatz von Holzpartikeln aus
Bruch- und Laubholz als Rohstoff für den 3D-Druck untersucht.
Zentrales Polymer für die enzymatische Vernetzung ist
Lignin, das für seine hohe mechanische Stabilität bekannt ist.
Als Schutz gegen vorzeitigen Abbau dienen natürliche Schichten,
sogenannte Coatings, die ebenfalls am IPA entwickelt werden.
Weitere Projekte zu anderen Biopolymeren sind in Vorbereitung.
Glossar
Biopolymere | Gruppe von Makromolekülen, die in tierischen, pflanzlichen oder mikrobiellen
Zellen hergestellt werden. Beispiele sind Mehrfachzucker, Proteine oder DNA.
Enzyme | Proteine, die eine chemische Reaktion beschleunigen, ähnlich einem Katalysator.
Laccasen | Enzyme, die in vielen Pilzen, Pflanzen und Mikroorganismen vorkommen und deren
Vertreter u. a. Gerbstoffe oxidieren können.
Transglutaminasen | Enzyme, die andere Proteine mit- oder untereinander vernetzen.
Lignin | Komplexe Makromoleküle, die als Stützstruktur in pflanzlichen Zellwänden fungieren.