Interaktiv - Das Kundenmagazin des Fraunhofer IPA 1.2019 | Page 36
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Im Gespräch
interaktiv 1|2019
Robuste Lösungen für den
Kunden
»Made in Germany« steht für Highend. Viele Produkte, die um robuste Produkte, die durchaus einen hohen Qualitäts -
hierzulande gefertigt werden, haben mehr Finessen, als der anspruch haben – auch wenn sie nicht über alle Finessen ver-
einzelne Kunde braucht: Hier noch ein Sensor, dort noch ein fügen. Oft stecken pfiffige Ideen dahinter, um den Kunden -
Schalter. Doch gerade diese Einstellung, immer noch mehr wunsch exakt zu bedienen. Frugal können nicht nur Produkte
hinzuzufügen, könnte in Zukunft Probleme bereiten. Denn der sein, sondern auch Produktionsprozesse.
Markt für Highend wird voraussichtlich kaum noch wachsen –
und er wird zunehmend härter umkämpft. Manche ausländi- Innovationsforum Frugale Maschinen, Anlagen und
sche Unternehmen, die mit schlichten Produkten begannen, Geräte
haben sich inzwischen in die Top-Liga hochgearbeitet. So kann
sich das Handy des chinesischen Produzenten Huawei, das vor Baden-Württemberg hat sich zu einem Schwerpunkt für fru-
Jahren als Billigversion begann, nun mit den Top-Marken messen. gale Produkte, Produktionen und Dienstleistungen entwickelt,
Dazu kommt, dass die Innovationszyklen immer kürzer werden, was auch Fraunhofer-Instituten zu verdanken ist. Das IPA
sodass der Forschungsaufwand wächst.
befasst sich seit Jahren mit dem Thema und unterstützt vor
allem kleine mittelständische Unternehmen, sich damit syste-
Frugale Produkte und Produktionssysteme
matisch auseinanderzusetzen. Im November 2018 hatte das
Institut zum zweitägigen »Innovationsforum Frugale Maschinen,
Anlagen und Geräte« geladen, zu dem zahlreiche Vertreter
aus Industrie, Politik und Verbänden angereist waren. Die
vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
geförderte Veranstaltung bot branchenübergreifende interdis-
ziplinäre Workshops und Vorträge. Letztere spiegelten die
ganze Bandbreite des Themas wider. So steckt beim Verein
»Ein Dollar Brille« ein sozialer Gedanke im Zentrum. Er will mit
seiner frugalen Sehhilfe 150 Millionen Menschen in armen
Län dern wie Malawi oder Äthiopien zu klarer Sicht verhelfen.
Ein fache mechanische Biegemaschinen, die Menschen vor
Ort bedienen können, formen aus Draht das Gestell, in das
vorgefertigte Gläser aus chinesischer Produktion einrasten.
»Die Brot- und Buttermaschinen wurden vergessen«, bringt »Seit 2014, dem Start des Projekts, haben wir schon 100 000
Marco Schneider vom Fraunhofer IPA das Dilemma des deut- Brillen verkauft oder verschenkt«, teilt der Verein mit.
schen Maschinenbaus auf den Punkt. Wer langfristig denkt,
muss sich einem stürmisch wachsenden Markt stellen: der
Kaugummi als Indikator
Mittelschicht in den Schwellenländern. Allerdings haben die
Kunden in China oder Indien andere Bedürfnisse als die in
Manchmal steckt auch nur eine clevere Idee hinter dem fru-
Europa. Sie wollen preiswerte Produkte. Dafür hat sich in der galen Ansatz. Querdenken ist ohnehin gefragt, wenn frugal
Ökonomie seit einigen Jahren die Bezeichnung »frugal« eta- erfolgreich sein soll, darin sind sich die Experten einig. Ein
bliert. Das Fremdwörterlexikon übersetzt das Wort als »ein- Team um den Pharmakologen Professor Lorenz Meinel von
fach, bescheiden«. Ökonomen fassen die Bedeutung weiter: der Universität Würzburg steht beispielhaft dafür. Es suchte
Frugale Güter sind nicht nur kostengünstig, sondern vor allem nach einem Weg, die Diagnose von Entzündungen im Mund -
auf den jeweiligen Kundenkreis zugeschnitten. Es handelt sich raum, etwa nach einer Zahnimplantation, schnell und preis-
dabei nicht um billigen Ramsch, zweite Wahl also, sondern wert stellen zu können. Derzeit muss ein Arzt dem Patienten