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GESELLSCHAFT & WIRTSCHAFT

« Das Vertrauen hat zugenommen »

Adrian Wüthrich, Präsident von Travail. Suisse und alt Nationalrat betont, dass viele Rahmenbedingungen in der Schweizer Wirtschaft sehr gut seien. Er sieht aber auch Verbesserungspotenzial. Die Auswertung des Barometers « Gute Arbeit » beispielsweise zeigt, dass das Stressempfinden immer den schlechtesten Wert erhält.
32 33 homeLifestyle Adrian Wüthrich, die Pandemie war und ist für die ganze Schweizer Volkswirtschaft eine grosse Belastung. Wie hat sich die Wirtschaft in Ihren Augen während der Krise verhalten? Adrian Wüthrich Die Pandemiebekämpfung des Bundes setzte ins Zentrum, dass die Wirtschaft trotz Virus weiterfunktionieren konnte. Flächendeckende Schliessungen von Fabriken und Baustellen gab es nur in ganz wenigen Kantonen während weniger Tage. Dies war nur möglich, weil sich die Wirtschaft – Unternehmen und Arbeitnehmende – an die Schutzmassnahmen gehalten hat. Die Schutzkonzepte in den Betrieben haben funktioniert und es gab relativ wenige Ansteckungen am Arbeitsplatz. Dazu kam die Homeoffice-Pflicht, die für alle eine Herausforderung war. Insgesamt hat sich die Wirtschaft sehr verantwortungsvoll verhalten. Wie gross ist heute das Vertrauen der Schweizer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ihre Arbeitgeber? Im Barometer Gute Arbeit, einer Befragung von Arbeitnehmenden durch Travail. Suisse, haben wir festgestellt, dass das Vertrauen in die Arbeitgebenden während der Krise zugenommen hat. Diese wurden vermehrt als fair, vertrauensvoll und unterstützend wahrgenommen. Wir können uns vorstellen, dass dies neben den Gesundheitsmassnahmen auch auf das im Homeoffice notwendige Vertrauensverhältnis zurückzuführen ist, wie auch auf die teilweise Aufstockung des Lohns im Rahmen der Kurzarbeit. Besonders stark zugenommen hat das Vertrauen in die Arbeitgebenden im Finanz- und Versicherungswesen, in der Gastronomie sowie ins verarbeitende Gewerbe. Im Detailhandel ist nach einer Verschlechterung im Vorjahr wieder eine Zunahme des Vertrauens in die Arbeitgebenden festzustellen. Eine negative Tendenz in diesem Bereich gab es seit 2017 im Gesundheits- und Sozialwesen. Vergangene Abstimmungen zeigen, dass die Stimmberechtigten eine eher ablehnende Haltung gegenüber der Wirtschaft haben. Was ist passiert? Bei einer Abstimmung musste nur ein Wirtschaftsverband vor der Gefährdung von Arbeitsplätzen warnen und die Vorlage wurde abgelehnt. Das Arbeitsplatz-Argument funktioniert nicht mehr. Die Globalisierung und der Steuerwettbewerb haben viele Unternehmen in die Schweiz gelockt, die Arbeitsplätze, aber auch Probleme in die Schweiz brachten. Trotzdem haben die meisten wenig von dieser Wertschöpfung gespürt. Gefühlt werden die Reichen immer reicher. Dazu kommen die exorbitanten Managerlöhne, die man sich fast nicht erklären kann. Unsere Managerlohnstudie zeigte 2019, dass die Cheflöhne seit 2011 um 19 Prozent zugenommen haben, während