Zur Person
« Die KMU sind seit je die Sympathieträger. Denken Sie da zum Beispiel auch an die Berufsbildung.»
FABIO REGAZZI
Was sagen Sie zu den vergangenen, wirtschaftsrelevanten Abstimmungen, die bei den Stimmberechtigten auf ein eher angespanntes Verhältnis zur Wirtschaft hinweisen? Ich denke nicht, dass die Stimmberechtigten ein angespanntes Verhältnis zur Wirtschaft haben. Dieses angebliche Problem wird primär von den Medien kolportiert. Natürlich ist es eine Tatsache, dass die Zeiten vorbei sind, wo der sogenannte Vorort der Stimmbevölkerung vorgegeben hat, wie sie abzustimmen hat. Die Rechnung war einfach: Wenn eine Vorlage gut für die Wirtschaft war, wurde sie angenommen. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger sind aber heute anspruchsvoller, man kann auch sagen emanzipierter. Ein Argument allein reicht nicht mehr und es sind neue Megatrends wie die Nachhaltigkeit entstanden, welche viele politische Entscheidungen massgeblich beeinflussen.
Warum wird die Wirtschaft so kritisch beobachtet und beurteilt? Ein ganz wichtiger Grund ist – und ich formuliere das bewusst etwas salopp – es geht uns viel zu gut! Wir sind trotz Pandemie wirtschaftlich sehr gut aufgestellt und Arbeitslosigkeit ist praktisch kein Thema. Ändert sich das, werden auch sofort wieder die Anliegen der Wirtschaft wichtiger.
Und wie hat sich die Corona-Pandemie auf das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Wirtschaft ausgewirkt? Wie ich bereits ausgeführt habe, sehe ich durch die Pandemie keine Verschlechterung des Verhältnisses zwischen der Bevölkerung und der Wirtschaft. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass es einzelne Branchen der Wirtschaft waren, welche mit den Lockdowns die ganze Last der Krise für die Gesellschaft getragen haben. Der Bevölkerung war dies durchaus bewusst und deshalb erlebten viele der geschlossenen Betriebe auch eine grosse Solidarität von Seiten der Politik und der Gesellschaft.
Gelten Gewerbetreibende als Sympathieträger, sind sie näher an der Gesellschaft und
HANDOUT dadurch besser akzeptiert als internationale
Grossunternehmen? Die KMU sind seit je die Sympathieträger, da sie einen grossen Beitrag an die Gesellschaft leisten. Denken Sie da zum Beispiel auch an die Berufsbildung. KMU sind näher am Puls der Gesellschaft, das stimmt. Es macht allerdings überhaupt keinen Sinn die Kleinen, Mittleren und Grossen gegeneinander auszuspielen. Es braucht alle!
Also ist das Gewerbe ein wichtiges Bindeglied zwischen Wirtschaft und Gesellschaft?
Ganz genau!
Was halten Sie vom Slogan « Wir alle sind die
Wirtschaft »? Wir verwenden ihn schon länger zum Beispiel beim Titel unserer TV-Sendung « Fokus KMU – Alle sind Wirtschaft ».
Zur Person
Fabio Regazzi, Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbandes, ist Unternehmer, Mitte- Politiker und Verbandsfunktionär. Er ist seit 2011 Nationalrat und seit 2020 Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbandes. Regazzi erlangte nach der Matura einen Bachelor of Laws am Collegio Papio in Ascona und 1988 das Lizenziat der Rechtswissenschaften an der Universität Zürich. 1991 erhielt er das Anwalt-, 1992 das Notarpatent. Von 1992 bis 1999 war er Inhaber einer Anwaltskanzlei in Locarno und Gordola. Von 2000 bis 2009 war er Generaldirektor der Regazzi SA, eines Industrieunternehmens der Familie, das auf dem Gebiet der Metallverarbeitung tätig ist. Seit 2010 ist Fabio Regazzi VRP des Unternehmens.